Kapitel 13

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Das Türschloss öffnete sich und das Geräusch hallte in dem kleinen Raum wider. Ein alter Mann knipste das Licht an und erschrak ein wenig, als er April zusammengekauert sah. Nachdem er sich wieder gefasst hatte, sagte er mit stockender Stimme:

„Was machen Sie denn hier?"

„Guten Morgen."

„Morgen? Es ist schon Nachmittag."

April wusste nicht, wie viel Zeit sie hier eingeschlossen zugebracht hatte, aber sie gab dem Hausmeister keine Erklärung.

„Ja, Entschuldigung, ich war ein wenig durcheinander", sagte sie und verließ das kleine Zimmer.

Das Sonnenlicht blendete sie, als sie schnell durch die Korridore lief und nur ein einziges Ziel verfolgte: Sie musste Belmont suchen und herausfinden, was diese ganze Aufregung verursacht hatte. Unterwegs dachte sie an ihre Freunde, wo sie jetzt gerade sein mochten und warum sie nicht nach ihr gesucht hatten. Die logischste Antwort war, dass sie ihre Abwesenheit noch nicht bemerkt hatten. Sie gab ihnen nicht die Schuld daran, denn sie waren bestimmt gerade sehr mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt.

„Verzeihung", sagte sie und merkte nicht einmal, dass sie ein paar Schritte vor der Cafeteria Belmont angerempelt hatte.

„April!"

„Belmont!", rief das Mädchen. „Ich glaube, jetzt werde ich dir zuhören, erzähl mir, was du mir sagen musst."

„Das kann ich hier nicht."

„Du musst aber", beharrte April. „So ein Ding hätte mich heute Morgen beinahe getötet! Es streckte seine lange, ekelhafte Zunge heraus und schlang sie um meinen Arm. Und das alles nur, weil ich diesem Vogel gefolgt bin."

„Die Aswangs!", rief Belmont beunruhigt.

„Die was?"

„Hör mir gut zu, April", sagte er und nahm sie sanft bei den Schultern, „ihr dürft euch um nichts in der Welt trennen."

„Was?", fragte April, völlig in die Unterhaltung versunken.

„Du darfst weder Konrad noch Veronica und auch nicht Sidney aus den Augen verlieren."

„Ich weiß nicht einmal, wo sie sind..."

„Ich muss jetzt los", entschuldigte sich Belmont, „versprich mir, dass du auf mich hören wirst."

„Nicht einmal..."

„Macht euch keine Gedanken um die Edelsteine, die sind jetzt nichts mehr wert, das Wichtigste seid ihr", erklärte Belmont und verschwand mit schnellen, energischen Schritten aus Aprils Blickfeld.

Das Mädchen war unheimlich verwirrt. Belmont wusste viele Dinge und hatte ihnen nichts davon erzählt. Außerdem hatte er die Edelsteine erwähnt und dass diese wertvollen Steine etwas damit zu tun haben könnten, war eine Möglichkeit, die niemand in Betracht gezogen hatte. Sie hatten sie vor mehr als einem Monat gefunden.

Egal warum, ob nun auf Anraten von Belmont oder nicht, sie musste ihre Freunde finden. Sie blickte auf und wollte weitergehen und sah Paulo ganz nah vor ihrem Gesicht.

„Wie geht es der schönsten Frau der Schule", sagte der Junge und versperrte ihr mit einer überheblichen Pose den Ausgang.

„Paulo!", rief April. „Wo kommst du denn her? Ich habe dich gar nicht gesehen."

„Geht er dir wieder auf die Nerven?", fragte Paulo und knackte mit seinen Fingerknöcheln. „Du weißt, dass du nur ja sagen brauchst und ich schlage ihm die Zähne ein."

„Nein, er hat bloß mit mir geredet", sagte April in Gedanken versunken.

„Na schön! Denn ich bin gerade hier entlang gegangen und dachte: Wie wäre es, wenn ich ein sexy Mädchen einlade mit mir auszugehen? Und dann bist du aufgetaucht. Das kann doch kein Zufall sein, meinst du nicht?"

„Oh", rief April und täuschte ein leichtes Lächeln vor. „Du lädst mich ein, mit dir auszugehen?"

„Ja, ein Date, wenn du es so nennen möchtest", sagte Paulo und zwinkerte ihr zu. „Wir können Pizza essen oder einen Kaffee trinken. Was du willst..."

„Das ist ein verlockendes Angebot", unterbrach ihn April eilig, „aber im Moment muss ich ein paar wichtige Angelegenheiten klären. Wenn ich mich entschieden habe, rufe ich dich an", log sie und schlüpfte mit einem Ausweichmanöver zwischen dem Jungen und der Wand durch.

Paulo hatte immer Interesse an ihr gezeigt und auch an allen anderen Mädchen der Schule. Er war der Fußballstar in Uspiam und seitdem er zum Mannschaftskapitän ernannt worden war, hatte sein Ego nichts weiter gemacht, als zu wachsen. Durch seine Macht in der Mannschaft war er in der glücklichen Lage, Sidney auf eine weniger wichtige Position zu verbannen oder ihn auf der Reservebank zu lassen. Der Grund dafür war nicht seine schlechte Leistung, ganz im Gegenteil, Sidney war ein hervorragender Spieler in bester körperlicher Verfassung. Das alles war nur wegen ihres Konkurrenzkampfes, um zu zeigen, wer der größte Mädchenschwarm in der Stadt ist. Paulo ließ keine Gelegenheit aus, sich über seinen Freund lustig zu machen und ihn vor den anderen zu verunglimpfen, in einer Art Spiel, um Macht zu demonstrieren.

Als sie in der Cafeteria ankam, suchte April nach ihren Freunden, aber fand sie nicht, sie sah nur Marycella mit den anderen Mädchen auf der Wiese sitzen.

„Mary!", rief April.

„Hallo Baby, du hast dich ja noch rarer gemacht als Sidneys Intelligenz", sagte Marycella mit einem Lachen. „Die halbe Schule hat mich nach dir gefragt: der Ausschuss der Schülervertretung, der Debattierklub, Paulo, Tamiko, oh, und Konrad auch und er sah richtig krank aus."

„Konrad? Das kann nicht sein... er sollte zu Hause sein und sich ausruhen."

„Dasselbe habe ich auch gedacht, als ich ihn sah, Baby, er war blass und ich glaube, er hat gezittert. Er fragte mich nach dir und lief dann weg."

„Oh nein... Konrad", murmelte April vor sich hin und hielt ihre Hände an die Stirn.

„Vergiss die Maniküre heute nicht, Baby."

„Ich glaube, das werden wir verschieben müssen."

„Warum?", fragte Marycella. „Sag mir nicht, weil du Hausaufgaben machen musst. Freitagnachmittag macht niemand Hausaufgaben."

„Ich habe ein paar Probleme, das erzähle ich dir später."

„Schon gut. Falls du zu Konrad willst, vor ein paar Minuten war er hier irgendwo zusammen mit Veronica, Dasha und Belmont", sagte sie und zwinkerte ihr mit einem schelmischen Lächeln zu.

„Belmont...", flüsterte April.

„Ja, und wenn ich Veronica und Dasha nicht kennen würde, könnte man denken, sie nehmen ihn uns weg", sagte Marycella, „aber das ist unmöglich, ich kenne sie zu gut." Dann lachte sie los.

„Weißt du, was sie zusammen machen?", fragte April.

„Das weiß ich nicht, Baby... Jedenfalls werde ich Tamiko sagen, dass wir zur Maniküre gehen, weil du nicht willst", sagte Marycella und küsste April auf beide Wangen.

„Chao Mary, pass auf dich auf", sagte April und Marycella ging weg.

April drehte sich um und wusste nicht, wohin genau sie gehen sollte. Ein paar Regentropfen fielen von dem wolkenverhangenen Himmel auf die Wiese und auf sie. Sie verstand nicht warum, aber die Regentropfen fühlten sich gut und entspannend an. Sie mochte immer die Sonne und die Wärme lieber, aber in diesem Moment geschah mit ihr etwas Merkwürdiges. Die wenigen Leute, die noch hier waren, rannten und suchten Zuflucht vor dem immer stärker werdenden Regen, aber ihr war das egal. Sie blieb da, mitten in dem Wolkenbruch.

Die Edelsteine von UspiamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt