Kapitel 14

12 4 0
                                    

Es war ein vollkommen dunkler Ort. Sidney kam hier an, nachdem ihn der Nebel im Wald verschlungen hatte, als er mit Veronica zusammen dort war. Er hatte mehrmals versucht, einen Ausgang zu finden, war aber jedes Mal an eine Wand gestoßen, die ihn am Weitergehen hinderte.

Von Weitem hörte er Stimmen, aber was sie sagten, war unverständlich. Er blieb gelassen und setzte sich gelangweilt auf den Boden. Die Stimmen waren lange Zeit zu hören, sie klangen wie eine große Menschenmenge und verstummten nicht eine einzige Sekunde.

Ein Lichtschein tauchte in der Ferne auf und je näher er kam, umso mehr konnte Sidney erkennen. Es war eine brennende Fackel, von jemandem getragen, der vollständig schwarz gekleidet und dessen Gesicht verborgen war. Als er ausreichend Licht hatte, stellte er fest, dass er sich in einer kleinen Zelle aus Stein befand. An drei Seiten waren Wände und an der vierten ragten Gesteinsspitzen anstelle der Gitterstäbe empor.

Er sah das Gesicht der Person, welche die Fackel trug. Es war eine Albino-Frau mit glatt am Kopf anliegendem Haar. Sie hob einen Arm, die Gitterstäbe zersprangen und überallhin flogen Gesteinsbrocken.

„Komm, Junge", befahl die Frau und wies ihm mit einer Handbewegung den Weg.

Sidney stand auf. Er verließ die Zelle und ging einen Korridor aus Stein entlang. Die Frau folgte ihm auf Schritt und Tritt. Je weiter sie gingen, desto klarer und schriller hörte man die Stimmen, die euphorisch und hemmungslos alle möglichen Schmähungen ausstießen.

Mit der Frau auf den Fersen ging er noch ein paar Minuten weiter und gelangte dann an eine weitläufige Stelle, die eine Höhle zu sein schien, wo viele Frauen um ein riesiges Feuer saßen, welches den gesamten Raum erhellte. Sobald sie Sidney hereinkommen sahen, verstummten alle und machten ihm den Weg frei, damit er direkt zum Feuer konnte.

Er schlenderte herum und betrachtete dabei die Frauen. Alle sahen ungeduldig aus, als warteten sie sehnsüchtig auf etwas. Eine leckte sich mit der Zunge über die Lippen, eine andere versuchte ihn zu beschnuppern, als er vorbeiging, und eine weitere strich ihm leicht übers Haar.

Ohne Vorwarnung sprang eine der vielen Frauen aus der Menge auf, versperrte ihm den Weg und lächelte ihn wahnsinnig an.

„Nein, Schwester! Wir müssen noch warten!", sagte jemand energisch und dominant.

Die Stimme gehörte einer Frau, die mit sinnlichem Gang auf sie zukam und ihre breiten Hüften hin und her wiegte. Ihr Körper hatte sehr ausgeprägte Kurven, die einer übergroßen Sanduhr glichen. Am Oberkörper trug sie ein Korsett, das ihre Taille zusammenschnürte, und darunter einen weiten Rock, der ihre Beine umschmeichelte und auf dem Boden schleifte. Ihr Haar war blütenweiß und reichte ohne die kleinste Welle bis hinunter zu den Knien.

„Sei herzlich willkommen, Junge", sagte die Frau und kam Sidneys Gesicht ganz nah.

Die Farbe ihrer Haut erinnerte an glanzlose Bronze, ihre dicken Lippen waren rot wie Blut und ihre schwarzen Augen mit den langen, weißen Wimpern sahen aus wie der dunkelste Obsidian.

„Ich bin Klervy", sagte die Frau, streckte ihren Arm aus und knickte dabei leicht die Hand mit langen, gepflegten Fingernägeln nach unten. „Erfreut dich kennenzulernen."

Sidney wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Sie hatte ihn gerade angesprochen, daran bestand nicht der geringste Zweifel.

„Ich bin Sidney Rossell", sagte er und streckte ihr die Hand entgegen.

Klervy erhob sofort eine Hand und strafte ihn mit einer schallenden Ohrfeige.

„Unverschämter Bengel!", rief die Frau laut. „Das ist wohl kaum eine angemessene Art, sich einer Dame vorzustellen."

Die Edelsteine von UspiamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt