Sidney verabschiedete sich von April und Konrad und verließ Aenean in seinem Sportwagen. Die Nacht war klar, der Regen hatte aufgehört und es war niemand auf Uspiams Gehsteigen zu sehen.
Er raste den Serendipity-Boulevard entlang, bis er auf die Straße des 27. Juni einbog. Im Radio war die 102 eingestellt und Sidney machte sich nicht die Mühe, das zu ändern. Ein schnelles Lied mit immer wiederkehrender Melodie erklang in voller Lautstärke und obwohl er es nicht mochte, sang er es beinahe automatisch mit.
„Nun, meine umwerfenden Zuhörer, ist es Zeit euch daran zu erinnern, dass der Wettstreit um den Titel Uspiams Familie des Jahres schon begonnen hat. Diesmal werden die Juroren der und der, der gerade mit euch spricht, euer Lieblingssprecher, Milos Betancur sein. Aber genug mit dem Geplapper, wir spielen jetzt das Lied mit dem Titel..."
Das Radio hatte einen Moment lang Interferenzen und im zweiten Sender hörte man schon ein Lied. Sidney streckte den Finger aus, um es auszuschalten, denn die Störung kam wieder. Sidney hob den Kopf und mitten auf der Straße stand jemand. Er trat auf die Bremse und das Fahrzeug stoppte einige Zentimeter, bevor er einen Unfall verursacht hätte.
„Pardon, ich habe Sie nicht gesehen", entschuldigte er sich bei der Person, die mit dem Rücken zu ihm stand. „Geht es Ihnen gut?"
Ein kalter Schauer lief über Sidneys Körper. Er beschloss auf seinen Instinkt zu hören und ging zurück zum Auto. Das Radio hatte immer noch Interferenzen. Als er den Motor anlassen wollte, passierte nichts. Er versuchte es immer wieder, jedes Mal ohne Erfolg.
Er hob seinen Kopf und sah, wie sich die Person langsam umdrehte. Zitternd versuchte er das Auto zu starten, aber er schaffte es nicht. Sidney erstarrte. Die Person, die er beinahe angefahren hätte, hatte überhaupt kein Gesicht. Es war vollkommen weiß wie eine Wolke am Sommerhimmel. Die Störung im Radio verschwand, denn es ging aus. Sidneys Körper schauderte, als der Gesichtslose zum Auto ging.
Er öffnete die Tür, stieg aus und lief ohne auch nur einen Blick zurück mit schnellen Schritten los. Er bog um eine Ecke und sah eine Person mit langem Haar, die langsam ging.
„Lady!", rief er, als er sie einholte, und sie blieb stehen. „Mein Auto hatte dort hinten eine Panne..."
Als er den Kopf nach hinten wandte, bog der gesichtslose Mann um die Ecke.
„Sehen Sie!", rief er.
Er betrachtete die Frau genauer, doch er wurde blass, als er ihr Gesicht sah. Sie hatte auch keins, es war vollkommen weiß. Vor Schreck stolperte er und fiel hin. Plötzlich erinnerte er sich daran, was Konrad über die Oger erzählt hatte. Alles, was er gesagt hatte, entsprach der Wahrheit, daran hatte er nicht mehr den geringsten Zweifel.
Er stand ängstlich auf und rannte, bog um eine weitere Ecke und lief weiter die Straße hinunter, und dachte nicht einmal daran stehen zu bleiben. Er könnte an den nächsten Häusern anhalten und um Hilfe bitten, aber seine Eltern würden es ihm nicht verzeihen, wenn er zum Abendessen mit dem Bürgermeister zu spät käme und die Gesichtslosen waren eine äußerst schlechte Entschuldigung.
Als er den ersten Ahornbaum erblickte, wusste er, dass er erreicht hatte, den Stadtteil, in dem er wohnte, und er sah in der Ferne sein Haus, das höchste in Uspiam, zwischen anderen kleineren ein paar Straßen weiter weg. Die Baufirma seines Vaters, , hatte es gebaut und seine Familie wohnte im achten Stock, dem obersten und luxuriösesten.
Erst als er den langgezogenen Türgriff der Eingangstür seines Hauses in der Hand hielt, war er in der Lage zurückzuschauen. Da war nichts mehr, weder Menschen noch Gesichtslose. Er ging in das Gebäude hinein und stieg in den Aufzug. Dann drückte er den einzigen Knopf, der nicht nummeriert war, stattdessen konnte man Rossell darauf lesen. Die klassische Musik dort half ihm, sich auf der Fahrt hinauf in seine Wohnung ein wenig zu beruhigen. Der erste Raum, durch den er ging, diente als bescheidener, karger Wintergarten. Nur ein paar wenige exorbitant teure Pflanzen wuchsen in gläsernen Blumentöpfen, die auf weißen Säulen standen und mit sanfter Beleuchtung angestrahlt wurden.
DU LIEST GERADE
Die Edelsteine von Uspiam
FantasyApril, Konrad, Sidney und Veronica sind vier Jugendliche, die in einem beschaulichen Städtchen mitten in einem riesigen Waldreservat leben, in dem nie etwas Aufregendes passiert. Wenigstens bis zu jenem Tag, als die vier Freunde mitten auf der einsa...