Kapitel 38

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Sidney öffnete allmählich die Augen, ohne Eile, und je mehr er sah, desto verwirrter fühlte er sich. Das helle Licht hier war unerträglich. Er lag da und rieb sich mit den Händen die Augen, um besser sehen zu können. Er befand sich in einem Raum mit kalkweißen Wänden und auch die Bettwäsche, die ihn zudeckte, war weiß.

„Schatz!", rief eine Frauenstimme freudig. „Endlich bist du wach."

Sidney drehte sich um und erblickte seine Mutter, Julia, die mit ausgebreiteten Armen auf ihn zukam.

„Mama!"

Julia schlang ihre Arme um ihn und drückte ihn kurz an sich, doch im Kopf des Jungen fühlte es sich wie Jahrhunderte an. Diese Art von Zuwendung ließ ihn einfach alles vergessen, was ihm Sorgen machte: die Schule, die Edelsteine, den Veneficus, alles verschwand aus seinem Kopf. Er streckte seine Arme aus und umarmte seine Mutter ebenfalls.

„Ich habe mir solche Sorgen gemacht...", sagte Julia und hörte nicht auf, ihren Sohn überall im Gesicht zu küssen, „... die Ärzte sagten... es wäre nichts Schlimmes... du würdest bald aufwachen... es waren drei lange Tage."

Drei Tage? War er drei Tage lang bewusstlos gewesen? Wo war der Veneficus? Und April, Konrad und Veronica? Und die Elfen, die Feen und die Heliopathen? Seine Gedanken machten Sprünge wie ein Frosch in einer Lagune, von einem Thema zum anderen.

„Mama, wo sind meine Freunde?", fragte Sidney, als Julia aufhörte ihn zu küssen, sich neben ihn auf das Bett setzte und über sein Haar strich.

„Ich weiß nicht, ob ich zu den Freunden gehöre, die du suchst, aber ich bin hier", sagte jemand, der sich vertraut anhörte.

Im Bett neben ihm war Konrad mit einer Kaffeetasse in den Händen.

„Und April und Veronica?", fragte Sidney besorgt.

„Sie sind in einem anderen Zimmer, Schatz, mach dir jetzt ihretwegen keine Sorgen, ruh dich lieber aus. Du warst derjenige, der am längsten gebraucht hat, um aufzuwachen..."

„Konrad! Konrad!", hörte man jemanden vor dem Zimmer schreien. „Konrad Brunner! Wo ist er?"

„Hier bin ich, Oma!", schrie Konrad und gleich darauf öffnete sich die angelehnte Tür.

Eine Frau mit schmalem Oberkörper und breiten Hüften platzte aufgeregt in das Zimmer, ihr Gesicht war rundlich und ihre weiße Haut voller Falten. Sie trug eine auffällig geblümte Bluse, eine schwarze Hose, die fast bis hoch an die Taille reichte, und dazu ein rotes Schaltuch, das bei jedem Schritt flatterte.

„Mein Enkel!", rief die alte Frau und ging auf Konrad zu. „Wie geht es dir?"

„Gut, Oma. Und dir?", fragte Konrad aufgeregt und mit einem für ihn ungewöhnlichen Lächeln.

Er richtete sich auf, stand aus dem Bett auf und umarmte seine Großmutter.

„Das ist schön", sagte die alte Frau und stellte die riesige Tasche über ihrer Schulter auf dem Tisch ab, während sie die Hand ihres Enkels drückte.

„Julia!", rief die alte Frau, als sie Sidneys Mama sah.

„Maria Antonia, wie geht es Ihnen?", fragte Julia und sie küssten sich auf beide Wangen.

„Es ist wunderbar, Sie wiederzusehen", sagte Maria Antonia freudig, „und wenn ich mich nicht irre, ist das hier Sidney."

„Maria Antonia...", sagte Sidney, setzte sich auf und warf dabei ein Glas Wasser um, das auf dem Tisch stand.

„Bei den Wassern von Uspiam! Sei vorsichtig!", sagte die alte Frau zu Sidney. „Schwester! Schwester! Wir brauchen eine Krankenschwester!", rief sie laut. „Sind denn in diesem Krankenhaus alle taub, oder was?"

Die Edelsteine von UspiamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt