Kapitel 8 - Die Ruhe vor dem Sturm

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Kapitel 8 - Die Ruhe vor dem Sturm

Wir hatten das Institut gegen Mittag erreicht. Während der Fahrt war es mir schwergefallen, die Augen offen zu halten. Müdigkeit hatte mich alle paar Minuten übermannt und es mir unmöglich gemacht, das Geschehen außerhalb der Limousine zu verfolgen. Die Rituale der Stillen Brüder hatten mich vollkommen ausgelaugt. Ich hatte mich nach meinem Bett gesehnt.

Auch die anderen waren ungewöhnlich still gewesen. Die ganze Fahrt über hatte niemand auch nur ein Wort gesprochen. Ich war mir nicht sicher gewesen, woran es gelegen hatte, doch jeder hatte die ungemütliche Stimmung wahrgenommen. Es war offensichtlich gewesen, dass sich jeder seine eigenen Gedanken gemacht hatte. Auch wenn mir die Stille Stadt viel Leid gebracht hatte, war ich dennoch froh gewesen, dass ich zu erschöpft war, um mich mit den Fragen zu beschäftigen, die den anderen wahrscheinlich durch den Kopf gegangen waren. Denn selbst wenn Maryse unsere derzeitige Lage für sicher hielt, wirklich überzeugt war davon niemand.

Das Einzige, woran ich mich noch erinnerte, wenn ich an den Rückweg zurückdachte, war Adams Gesicht. Während ich zwischen Trance und Präsenz hin und her vegetiert war, hatte Adam mich jedes Mal mit einem amüsierten Blick bedacht. Ich wusste nicht, ob er mich die ganze Zeit beobachtet hatte, oder nur wenn ich mich durch den dichten Nebel in meinem Kopf gekämpft und die Augen geöffnet hatte.

Adam hatte mich beim Aussteigen stützen müssen, so müde war ich gewesen. Nachdem ich mein Zimmer mühevoll erreicht hatte, war ich sofort in einen traumlosen Schlaf gefallen.

Nun lag ich blinzelnd im Bett und versuchte mich daran zu erinnern, wo ich war. Ich hatte selten so fest geschlafen, dass ich mich am nächsten Morgen erst wieder orientieren musste. Die Sonne senkte sich bereits wieder dem Horizont entgegen und durch das geöffnete Fenster blies ein kühler Wind ins Zimmer. Fröstelnd zog ich mir die Bettdecke bis unters Kinn.

Da wir früh am Morgen aufgebrochen waren, hatte Maryse das heutige Training für uns alle auf den frühen Abend verschoben. Adam hatte versprochen, mich abzuholen. Doch da dieser noch nicht vorbeigekommen war, nahm ich an, dass mir noch ein wenig Zeit blieb.

Kaum hatte ich mich angezogen und zurecht gemacht, klopfte es bereits an der Tür und Adam trat ein. „Hast du dich ein wenig erholen können?", fragte er in sanftem Ton und lehnte sich gegen den Türrahmen.

Ich faltete meine Klamotten zurecht und nickte, ihm den Rücken zugekehrt. „Ich würde nicht sagen, dass ich fit genug für einen Kampf bin, aber für heute wird es reichen." Hodge hatte uns gestern versichert, dass wir heute nur Bogen schießen würden. Eine im Vergleich weniger anspruchsvolle Art des Angriffs.

Als wir in der Trainingshalle ankamen, waren die Anderen bereits da. Jemand hatte menschliche Ziele aus Stroh am Ende des Raumes aufgehangen. Sie baumelten kaum merklich an einem dünnen Draht über dem Boden. Alec stand mitten in der Halle, den Bogen gespannt in seiner Hand. Der Pfeil, den er daraufhin losließ, traf genau ins Herz der Puppe. In diesem Augenblick wurde mir klar, dass ich Alec unterschätzt hatte. Ich hatte ihn bisher immer nur schweigend an Jace' Seite wahrgenommen. Seine Fähigkeiten im Schwertkampf lagen im höheren Mittelfeld, doch für den Bogen hatte er definitiv ein Talent.

Jace stand neben ihm und beobachtete ihn schweigend. Seine Augen waren fest auf den Bogen in Alecs Hand gerichtet und er schaute nicht auf, als wir die Halle betraten. Isabelle stand etwas abseits und schien in ihrer eigenen Welt zu sein. Ihre Mundwinkel waren unzufrieden verzogen und die Augen konzentriert auf ein Ziel gerichtet. Ein Pfeil steckte in der Schulter des Objekts. Ich musste ein Grinsen unterdrücken.

Adam und ich schnappten uns jeweils einen Bogen und Köcher mit Pfeilen. Kurz darauf traf Hodge ein und begann mit seiner Einleitung. Wir stellten uns alle nebeneinander auf und führten seine Worte beinahe synchron aus. Gerade Haltung. Atmung. Pfeil fassen und verankern. Ellbogen heben. Ziel vorvisieren. Sehnenkontakt. Spannen. Ausatmen. Lösen. Es war seltsam, diese Worte aus Hodges Mund zu hören.

The Rise Of The Morningstar (Clace)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt