Kapitel 77 – Angel of Wrath and Mercy
--- 2 Tage vor Beginn des Krieges. ---
Ich wusste, dass ich tot war, weil ich wieder am gleichen Fleck stand, an dem ich diese Welt beim letzten Mal verlassen hatte.
Die grünen Weiten sahen genauso aus wie in meinen Erinnerungen. Zu grün, als dass es natürlich sein konnte. Die bunten Blumen so perfekt und gleichmäßig verteilt, dass es fast künstlich gewirkt hätte. Wenn das hier die Erde gewesen wäre.
Die weiße Treppe, die sich vor dem klarblauen Himmel und den weichweißen Wolken verneigte, hatte sich ebenso wenig verändert. Der einzelne Baum, so stark im Kontrast zum Rest der Umgebung, ragte mit all seiner Pracht in die Höhe. Die Wipfel so reich an Blättern, dass man unter seinen Ästen hätte sterben wollen, wäre man nicht bereits jenseits von lebendig gewesen.
Ein frischer, süßlicher Duft umgab mich, liebkoste jede Faser meines Körpers mit seiner Wärme. Ein Aroma und doch reichte ein Atemzug, um die vielen unterschiedlichen Nuancen darin festzumachen. Sie schlossen sich wie passende Puzzleteile zu einem dominierenden Eindruck zusammen und waren dennoch klar voneinander zu unterscheiden. So klar, dass ich sie auf der Zunge schmecken konnte. Lavendel. Meersalz. Immortelle. Frühlingswind. Feuchtes Gras. Saftige Äpfel. Geschnittene Rosen. Die Tannen hinterm Landsitz meines Vaters, die einen umgaben, sobald man den ersten Schritt in den Wald hineinwagte. Die warme Haut meiner Mutter, wenn ich meine Wange in einer Umarmung in ihre Halsbeuge legte.
Zu meiner Linken ertönte ein überraschtes Keuchen und als ich herumwirbelte, erkannte ich Isabelle. Sie schnappte überwältigt nach Luft und ihre riesigen Pupillen hefteten sich auf alles und nichts, versuchten, das hier aufzusaugen, wie wenn sie das Bild dieses Ortes für immer auf ihre Netzhaut brennen wollte. In ihren Augenwinkeln schimmerte das Silber sich anbahnender Tränen.
Jede Idylle, die wir verspürten, verwandelte sich innerhalb eines Fingerschnipsens zu einem Gefühl des Grauens.
Ein kräftiger Windstoß riss uns beinahe von den Füßen, fegte den lieblichen Geruch fort und veränderte die Farben des Himmels. Wie wenn man eine vorgespulte Aufnahme betrachtete, schoss die Sonne plötzlich über den Horizont. Wie eine Sternschnuppe flog sie über den Himmel. Die wenigen Wolken rasten mit ihr um die Wette. Bis sie so unvermittelt zum Stehen kamen, dass sich die Welt einige Sekunden weiter um mich zu drehen schien.
Der Kosmos war von einem heftigen Rot, mit einem leichten Hauch von Amethystviolett an den Rändern meiner Vision. Die kurvenlose Wolkenmenge hatte zugenommen, nahm nun den Großteil der Sicht ein. Wie ein sich aufbrausendes Unwetter. Die Sonne war hinter ihr verschwunden, hatte sich in ihr Versteck begeben und nur ihr intensives, penetrierendes Strahlen zurückgelassen. Sie tauchte die Wolken in ein Licht, welches jede Nuance der orangenen Farbpaillette abzudecken schien. Von strahlendem Kupfer bis zu getrocknetem Blut. Ich hatte das Gefühl, direkt in ein Acrylgemälde meiner Mutter gestolpert zu sein.
Und dann tauchte er vor uns auf. Als hätte er schon die ganze Zeit hier gestanden. In all seiner himmlischen Schönheit, die wir mit unseren menschlichen Augen gar nicht begreifen konnten. Der rasende, regungslose Ausdruck machte deutlich, dass wir Eindringlinge auf einem Terrain waren, welches wir niemals hätten betreten dürfen. Eine Tat, die so frevelhaft war, dass nicht einmal er damit gerechnet hätte, uns hier anzutreffen.
Wir hatten den Zorn der Engel auf uns gezogen. Man würde meinen, dass wir durch den Tod nichts mehr zu befürchten hatten, doch das wäre eine Lüge gewesen.
Bis auf die scharfe, heiße Wut, die uns an Ort und Stelle zu verglühen schien, sah Ithuriel genauso aus wie beim letzten Mal. Als er mich mit dem Rätsel rund um meine Kräfte zurück in meinen Körper geschickt hatte. Zumindest für den ersten, flüchtigen Blick. Es war, als würde er sich wieder und wieder wandeln – unfähig eine Form für mehr als einige Sekunden zu tragen. Unter den höllenähnlichen Weiten der Atmosphäre wirkten die sonst weichen, weiten Schwingen seiner Flügel kantig und verzerrt. Das rote Licht wandelte seine eigentlich perlfarbene Haut zu einer wutentbrannten Maske, seine stechenden, goldenen Augen auf der Suche nach einem Opfer.
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The Rise Of The Morningstar (Clace)
FanfictionWas wenn Clary anstatt Jace von Valentin aufgezogen wurde? Jocelyn hat Valentin nach dem Aufstand nicht verlassen. Um einem tödlichen Urteil des Rats zu entgehen, ziehen sie sich auf ein verstecktes Landgut zurück. Achtzehn Jahre später haben Jonath...