Kapitel 37 – Heavenly Fire
„Schließ die Augen", befahl Jace mit fordernder Stimme.
Ich seufzte laut und verdrehte die Augen, folgte jedoch seiner Aufforderung, als ich die Ernsthaftigkeit in seinem Blick sah. Wenn er sich dadurch besser fühlte ... Der eisige Wind wehte mir immer noch durch die Haare und ich war mir sicher, dass ich heute Abend den ein oder anderen Knoten würde herausbürsten müssen. Ich hätte Isabelles Beispiel folgen und mir einen Zopf machen sollen.
Allein der leise Atem der Geschwister zeugte von ihrer Präsenz nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Jace' plötzlicher Tatendrang hatte sie zum Schweigen gebracht und ich spürte ihre Augen auf mir. Die eigenen Augen geschlossen zu lassen war eine Qual. Nicht zu wissen, was sich um mich herum ereignete, war kaum auszuhalten und ich konnte das Kribbeln meiner Finger spüren. Es störte mich, dass ich so nicht in der Lage war, ihnen ihre Emotionen in den Gesichtern abzulesen, geschweige denn ihre Bewegungen zu vernehmen.
„Jetzt beantworte mir eine Frage", fuhr Jace fort und lenkte mich von dem Gefühl der Hilflosigkeit ab, das sich in meinen Adern ausbreitete. Der Drang eines Kriegers, stets alle seine Sinne zu nutzen. „Was ist dein innigster Wunsch?"
„Hier eine Gegenfrage: Was ist das für eine dumme Frage?", kam es wie aus der Pistole geschossen von mir. Isabelle kicherte. Irgendwie war ich mir sicher, dass Jace das nicht sonderlich komisch fand. Ich konnte nicht anders. Was gingen ihn meine innigsten Wünsche an? Seit wann kannten wir uns so gut oder waren uns so nahe, dass ich ihm einen solch intimen Einblick in meine Gedanken geben würde?
Jace schnaubte genervt. „Beantworte einfach die Frage", antwortete er barsch, fing sich aber wieder und klang mit einem Mal verlegen, als hätte er sich daran erinnert, dass er mir da vielleicht doch keine so einfache Aufgabe gestellt hatte. „Oder machen wir es anders. Denk einfach nur ganz fest daran. Das Erste, was dir bei der Frage in den Sinn kommt. Konzentrier dich mit aller Kraft darauf."
Ich zuckte mit den Schultern und presste die Lippen aufeinander. Von außen war es sicher eine ungewöhnliche Geste, im Anbetracht meiner immer noch geschlossenen Augen. Dann berührte plötzlich jemand meine linke Hand, lange, schlanke Finger streiften meine und dann lag ein kühler, spitzer Gegenstand auf meiner Handfläche. Eine Stele. Es war nicht die Form, die sie verriet, sondern die Energie, die alleine durch die Berührung in meinen Körper überging. Als wäre tief in meiner Brust ein Magnet verankert.
Ich sollte also an meinen innigsten Wunsch denken. Ihn mir vor Augen führen und mich so sehr darauf konzentrieren wie möglich. Für einen Moment zögerte ich. Was war überhaupt mein innigster Wunsch? Hatte ich überhaupt Wünsche? Ich hatte Interessen und Bestreben, aber Wünsche? Während meiner Zeit bei meiner Familie, als noch alles in bester Ordnung zu sein schien, war ich wunschlos glücklich gewesen. Und in den vergangenen Wochen war ich zu beschäftigt mit den Geschehnissen um mich herum gewesen, um mir über solch fast schon banalen Fragen Gedanken zu machen. Wünsche waren ein Konstrukt für Kinder, nichts das einen in der Realität weiterbrachte.
Das Erste, was dir bei Frage in den Sinn kommt. Was war mein innigster Wunsch? Ich presste die Lider stärker zusammen und versuchte, den Garten um mich herum, die lebenden, atmenden Lebewesen neben mir und die Bürden auf meinen Schultern für einen Augenblick zu vergessen. Ich versuchte, meine Seele von meinem Körper abzukapseln, so wie Ithuriel es getan hatte, um mich zu sich zu rufen. Ich drang tiefer in mein Bewusstsein ein.
Das Erste, was ich sah, waren Jonathans grüne Augen. Dann geriet sein Gesicht in den Fokus des Bildes und ich war mir nicht sicher, ob es sich um eine tatsächliche Erinnerung oder nur eine ausgedachte Szene meiner Fantasie handelte. Eine Sekunde lang lächelte Jonathan, in der nächsten blitzte etwas in seinen Pupillen und sie nahmen die Farbe rabenschwarzer Finsternis an. Sein Lächeln verzerrte sich in ein sadistisches Grinsen. „Erchomai, ich komme." Das Engelsschwert funkelte in seiner rechten Hand. Das Heft der heiligen Klinge war in dunkelrotes Blut getränkt. Genauso wie seine Augen hatte auch das Schwert aufgehört, das Licht zu reflektieren. Von weit her drangen Schreie an meine Ohren, quälende Schreie von sterbenden Wesen, die um Gnade flehten. Unendliches Leid. Unendlicher Tod. Kein Entrinnen. Kein Entrinnen, wenn nicht ... Plötzlich war da noch jemand anders. Eine kleinere, zierlichere Person, die sich Jonathan in den Weg stellte. Langes rotes Haar, Kampfmontur, ein flammendes Schwert in der Hand, das sie nun in die Höhe streckte, dem Himmel entgegen, wie wenn das Schwert seine Kraft direkt aus dem Himmel beziehen würde. Eine einzelne Rune prangte auf der Seite des Hefts, die gen Atmosphäre deutete.
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The Rise Of The Morningstar (Clace)
FanfictionWas wenn Clary anstatt Jace von Valentin aufgezogen wurde? Jocelyn hat Valentin nach dem Aufstand nicht verlassen. Um einem tödlichen Urteil des Rats zu entgehen, ziehen sie sich auf ein verstecktes Landgut zurück. Achtzehn Jahre später haben Jonath...