Kapitel 17.2. - Under Surveillance

123 13 0
                                    

Wütend wirbelte ich zu ihm herum und trat einen Schritt auf ihn zu. Mit einer ruckartigen Bewegung riss er die Seraphklinge von seinem Gürtel und richtete sie geradewegs auf mich, noch bevor Malik nach seinem Arm greifen konnte. „Ich weiß sehr wohl, dass es hier Gesetze gibt", zischte ich. „Doch was sollte den Rat davon abhalten, mich für die Taten meines Vaters zu bestrafen? Sie könnten mich töten. Sie haben das Recht dazu, wenn ich in ihren Augen eine Gefahr für das Wohl der Schattenjägergemeinschaft darstelle!"

Malik schlug mit der flachen Hand auf den Griff von Kadirs Klinge. „Genug", sagte er schroff. „Kadir, steck das sofort weg. Und du", seine Augen wanderten wütend zu mir. „Komm jetzt, wir brauchen sowieso schon viel zu lange." Er bedeutete mir, aus der Tür zu gehen.

Verärgert drückte ich die Zähne aufeinander und schlängelte mich an Malik vorbei zur Tür, ohne den anderen noch einen Blick zu widmen. Abwesend trottete ich die Stufen zum Eisentor hinunter. Unaufhaltsam musste ich in Jonathan denken. Ich war kaum aus dem Kindesalter raus, gerade achtzehn und doch fühlte ich mich um Jahre gealtert. Genauso wie Jonathan mir bei unserer letzten Begegnung so viel älter vorgekommen war.

Malik und Kadir geleiteten mich durch die Straßen von Alicante. Bei jedem Schritt, den ich auf die Pflastersteine tat, musste ich aufpassen, nicht auf einer glatten Stelle auszurutschen. Der kalte Wind hatte aufgehört und die Sonne brachte den Schnee allmählich zum Schmelzen. Ich spürte, wir mir kaltes Tauwasser auf die Haare und in den Nacken tropfte, als wir an den Geschäften einer Hauptverkehrspassage vorübergingen.

Malik ging vor mir während Kadir die Nachhut bildete und darauf Acht gab, dass ich nicht zufälligerweise einen falschen Weg einschlug. Ich konnte seine Augen förmlich in meinem Rücken spüren und es machte mich wahnsinnig. Er konnte mir jede Sekunde einen Dolch zwischen die Rippen rammen und ich würde es womöglich erst zu spät mitbekommen. Ich hätte mich um einiges sicherer gefühlt, wenn er vor mir gelaufen wäre, wo ich jeden Schritt verfolgen und jede kleinste Bewegung sehen konnte. Mit einem Seufzen stellte ich fest, dass er wahrscheinlich dasselbe über mich dachte.

Die Stadt wirkte beinahe wie ausgestorben. Wir trafen kaum auf andere Nephilim, sie mussten sich bereits alle zur Garnison begeben haben. Es wirkte beinahe schaurig, Alicante so ausgestorben zu erleben. Sofort musste ich an New York denken, die riesigen Menschenmassen, die dort täglich ihren Geschäften nachgingen. Sie würde zu keiner Tageszeit jemals menschenleer wirken, kein Ereignis würde die Menschen in ihren Häusern halten oder sie dazu bewegen, sich alle an einem Ort einzufinden. Nicht einmal Krieg.

Nachdem wir eine halbe Stunde durch eisglatte Straßen marschiert und den Hügel hochgelaufen waren, erreichten wir endlich die Garnison. Sie war umgeben von einer kleinen bemoosten Mauer und kräftige Bäume zierten den Weg vom Fuße des Hügels hinauf zu den Toren, die nun weit geöffnet waren und in denen sich Schattenjäger tummelten.

Als wir auf den Eingang zuschritten, wurde Malik allmählich langsamer und warf uns über seine Schulter einen raschen Blick zu. Den ganzen Weg über hatte keiner von beiden auch nur ein Wort gesprochen. Malik war die ganze Zeit geradewegs seinen Weg gegangen und hatte sich dabei kein einziges Mal zu uns umgedreht. Ich fühlte mich unwohl in ihrer Gegenwart. Sie machten mich nervös mit ihren strikten Manieren, der ewigen Stille und den wenigen menschlichen Regungen, die sie hervorbrachten. Sie beide, aber vor allem Malik, wirkten eher wie Maschinen als Lebewesen. Während unseres Weges hatte ich es mir im Kopf ausgemalt, wie die Inquisitorin ihnen Befehle auftrug und die beiden sie ohne jedes Zögern ausführten. Ohne nochmals darüber nachzudenken. Ohne etwas in Frage zu stellen.

Valentin hatte mich gelehrt, Befehle in Frage zu stellen. Auch wenn ich nicht daran glaubte, dass ich seine je in Frage gestellt hätte. Wenn man sein ganzes Leben nach einem bestimmten Glauben erzogen wird, so wird man später kaum am eigenen Glauben zweifeln.

The Rise Of The Morningstar (Clace)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt