Kapitel 13.1. - Alicante

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Alicante

Mein Zimmer lag kahl und unpersönlich vor mir. Es hatte mich einige Überwindung gekostet überhaupt die Tür zu öffnen und hineinzugehen. Das Licht der Abendsonne warf einen schwachen Schein ins Zimmer, gerade noch genug um die wenigen Möbel und Gegenstände im weiß gestrichenen Raum zu erkennen. Trotzdem verzichtete ich darauf, das Licht anzumachen. Ich empfand das Dunkel als angenehm.

Das einzig Persönliche im Raum waren die Fotos, die Adam und ich während unserer Tour durch die Stadt gemacht und ausgedruckt hatten. Auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch lagen ein paar Kleidungsstücke gefaltet. Ihr Anblick war wie ein Stich in meinem Herzen, denn ich wusste wer sie dorthin gelegt hatte.

Das Gefühl der Einsamkeit kam plötzlich und überrumpelte mich völlig. Es fühlte sich an als würden sich meine Organe krampfhaft zusammenziehen, wie ein Loch das sich in der Mitte meines Bauches auftat und sich nicht mehr schließen wollte. Ich spürte das plötzliche Bedürfnis, die Arme um meinen Körper zu schlingen, als würde ich so verhindern können, auseinanderzufallen. Meine Fingerspitzen begannen zu zittern und bald weitete es sich auf meinen gesamten Körper aus. Die Luft blieb mir weg, ich konnte nicht mehr atmen. Mit einem Keuchen setzte ich mich auf das Bett und schob die Beine unter mein Kinn.

Ich war allein, vollkommen allein. Die einzige Person die mir noch geblieben war, der ich vollkommen vertrauen konnte, war tot. Niemand auf der Welt kannte mich und verstand meine Situation so wie sie es getan hatte. Sie war die einzige Person die ich bedingungslos liebte. Die letzten achtzehn Jahre in Isolation hatten dazu geführt, dass mir diese neue und freie Welt völlig fremd war. Ich wusste nicht, wie ich mich hier zurecht finden sollte. Meine Mutter konnte mir den Weg weisen, da sie einst ein Leben in dieser freien Welt geführt hatte. Nun ohne sie war ich verloren. Sie hatte den dünnen und sowieso schon fragilen Draht zu Maryse und den Lightwoods gebildet und nun da sie nicht mehr da war, gab es keinen Grund mehr für sie, an mir festzuhalten. Sie hassten mich doch schon alle. Isabelle, Alec und Jace, sie hassten mich und so würden mich die anderen Schattenjäger in Alicante hassen. Sie würden meinen Tod wollen und fordern, für die Verbrechen meines Vaters.

Allein Adam schien mich zu mögen, auf jeden Fall hatte er es bis jetzt getan. Ich wusste nicht, was er nach der Aktion auf der Krankenstation nun von mir dachte. Die Wut und die Trauer fraßen sich durch meine Adern und ich spürte die Hitze in meinen Handflächen, die sich aufzustauen schien als wartete sie nur auf den richtigen Moment, um freigesetzt zu werden. Doch ich war nicht wie Jonathan, ich würde die Wut nicht überhand gewinnen lassen. Ich würde mich an die Werte des Rates halten, auch wenn sie mir fremd waren. In Alicante würde ich genug Zeit haben, sie zu lernen. Jocelyn hätte es so gewollt.

Die wenigen Sachen die ich besaß passten in die schwarze Tasche, die ich auch auf unserer Flucht aus Idris bei mir getragen hatte. Wir würden die Reise nach Alicante nach Einbruch der Dunkelheit antreten. Ein kurzer Blick aus dem Fenster sagte mir, dass mir noch ein wenig Zeit blieb. Ich legte meine getragene Schattenjägermontur ab und zog stattdessen ein schlichtes weißes Kleid an. Weiß für Tod und Totenwacht.

„Ave atque vale."

oOo

Sobald die Sonne vollständig hinter dem Horizont der Wolkenkratzer verschwand, betrat ich den Garten hinter dem Institut. Mit langsamen Schritten bewegte ich mich über den steinernen Pfad um die Ecke des Gebäudes, zwischen großen Lerchen hindurch zum Ende des Gartens. Die anderen waren bereits versammelt und hoben ihre Köpfe als sie mich kommen hörten.

Isabelle warf einen kurzen Blick auf mein Kleid und senkte schnell den Kopf. Jace beachtete mich wie üblich keines Blickes. Zu meiner Überraschung stand Magnus Bane am Rande der Versammlung. Seine Lippen verzogen sich zu seinem traurigen Lächeln und er umarmte mich kurz. „Es tut mir schrecklich leid, Liebes", sagte er mit wehmütiger Stimme. Seine Katzenaugen leuchteten im Schein des Elbenlichts. „Jocelyn war eine außergewöhnliche Frau, die ihr Leben aufgab um das so vieler anderer zu retten."

The Rise Of The Morningstar (Clace)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt