Kapitel 63 - Endgame

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Kapitel 63 – Endgame

Mittlerweile war ich daran gewöhnt, dass die Leute mich anstarrten, egal wohin ich ging. Das war nicht anders als Jace und ich den weiten Ratssaal betraten und uns langsam an den vielen Nephilim vorbei die Stufen hinabbewegten, hin zum Podium hinter dem die Inquisitorin bereits Stellung eingenommen hatte. Die Menschen gingen mir weiter aus dem Weg, traten zur Seite, bevor ich mich zwischen ihnen hindurchzwängen konnte, blickten mir hinterher, verfolgten jede meiner Bewegungen. Jedes Mal aufs Neue fragte ich mich, wonach sie da suchten, wenn sie mich anschauten. Suchten sie nach Valentin? Nach Jocelyn? Fürchteten sie, dass ich ausflippen und sie angreifen könnte? Worauf warteten sie?

Ratlosigkeit. Furcht. Sorge. Langeweile. Neid. Respekt. Abscheu. Das Stimmungsbild war diverser als bei meiner ersten Verhandlung.

Am Fuße der hörsaalähnlichen Halle angekommen blieb ich stehen, um die Bänke in Augenschein zu nehmen, die man um das Podium aufgestellt hatte. Eine lange Bank auf jeder Seite des Podiums und ein einzelner Stuhl direkt davor. Die beiden massiven Throne aus schwarzem Ebenholz, die gegen die dahinterliegende Wand ruhten, wirkten nicht so imposant wie beim ersten Mal. Sie hatten ihren Charme verloren, als mir klargeworden war, wie beschränkt die Macht von sowohl Inquisitor als auch Konsul war. Wie leichtfertig Malachi seine eigene Macht abgegeben hatte, um Platz für meinen Vater zu schaffen. Und dabei gescheitert war.

Ich spürte Jace' Hand in meinem Rücken. Kein Drängen, um mich vorwärtszubewegen. Eine Erinnerung daran, dass er hier war – mit mir – falls ich ihn brauchen sollte. Das Gold seiner Augen hatte sich in einen flüssigen, leuchtenden Ton verwandelt; sanft und seelenruhig. „Was denkst du?", fragte er schließlich, leise genug, dass uns niemand hören konnte. Auch wenn ich mir bewusst war, dass uns gerade bestimmt hunderte Augenpaare verfolgten.

„Ich denke ...", begann ich, unschlüssig darüber, wie ich fortfahren sollte. Mein Blick fuhr von den Bänken zum Podium – zur Inquisitorin – und unsere Augen trafen sich. Da war kein Eis auf ihrem Gesicht, aber die Unzufriedenheit, mit der sie ihre Lippen zusammenpresste, als müsste sie sich zurückhalten etwas zu sagen, war nah genug an der herrischen, kalkulierenden Frau, die ich kennengelernt hatte. „Ich denke, dass deine Großmutter mich hasst und du nicht dabei hilfst, wenn es für sie so ausseht, als hätte ich dich um den Finger gewickelt."

Jace' Mundwinkel hoben sich zu einem Schmunzeln. „Ich glaube tatsächlich nicht, dass sie dich hasst", gab er zurück, ein seltsam bübischer Ton in seiner Stimme. Er löste seine Finger von meinem Rücken und machte einen Schritt auf das Podium zu. Da lungerte ein tückischer Ausdruck hinter seinen Augen, der meine Brauen in Verwirrung anhob. „Aber ich kann sie auch einfach fragen. Soll ich?" Während er das sagte, näherte er sich seiner Großmutter weiter.

„Nein!", kam es in einem fast schon panischen Zischen von mir. Jace grinste und Imogens mürrische Miene schien tiefer zu werden. Sie schien es als ihren Moment zu sehen, um um das Podium zu uns heranzutreten.

„Clarissa", würdigte sie mich und wandte sich dann an ihren Enkel. „Kannst du mir sagen, warum dieses kindische Grinsen an dein Gesicht geklebt ist, Jace? Falls es dir noch nicht aufgefallen ist, sind wir hier zusammengekommen, weil Clarissa gestern acht Schattenjäger getötet hat, einige sogar minderjährig. Und als wäre das nicht schon Tumult genug, veranstaltet die Kohorte vor den Toren der Garnison ein Chaos, für das ich die Hälfte von ihnen in Ketten legen müsste. Also erklär mir bitte, was für einen Grund zu lachen es da gibt."

Etwas auf Jace' Zügen veränderte sich. Das Amüsement, welches er anscheinend nur meinetwegen vorgespielt hatte, verschwand wie eine zweite Haut von seinem Gesicht noch während Imogen sprach. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf, bei der er seine Großmutter um einige Zentimeter überragte. „Ich lache, weil deine Garde von diesem Protest gewusst haben muss und du anscheinend trotzdem nicht in der Lage warst, Clary angemessen vor ihnen zu schützen. Deine Leute haben nicht nur versagt, sondern ohne Luke Garroway und Magnus Bane wären wir beide jetzt entweder tot oder lägen in den Basilias. Machen die Schattenwesen deinen Job schon besser als du? Und hinzu kommt, dass Cynthia Ashdown schon zum zweiten Mal versucht hat, Clary umzubringen. Mitten im Vorraum, als fühlte sie sich mächtig genug, sich das vor den Augen so vieler anderer Nephilim zu trauen. Wie viel Macht hast du überhaupt noch über diese Gemeinschaft, wenn-"

The Rise Of The Morningstar (Clace)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt