Dienstag, 08. Dezember 2020
Das alles passierte also wirklich. Er war wirklich wieder da. Ich zog meine Beine an meine Brust und lehnte meine Stirn gegen meine Knie, machte mich so klein wie möglich. Seit Stunden schon saß ich so auf dem Bett. Ich hatte mich geweigert, in die Schule zu gehen, etwas zu essen oder zu trinken, auch nur irgendetwas zu tun außer zu sitzen und zu versuchen, nicht wieder in Panik zu verfallen.
Nachdem Jimin mich am Dienstag nach Hause gebracht hatte, hatte er nachgesehen, wieso er wieder in der Stadt war. Das Internet hatte meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt, sowohl was ihn, als auch Tan betraf. Er sollte sein Abschlussjahr an seiner alten Schule nachholen, während Tan sein Abschlussjahr mit Yoongi wiederholte. Nicht sonderlich überraschend war, dass Tan in Tokyo bei allen seinen Prüfungen haushoch durchgeflogen war. Wieso er deswegen dann herkommen musste, war auch nicht schwer zu erraten. Ich und er waren hier, die beste Gelegenheit, mich ein wenig mehr zu quälen und mein Leben vollends zu zerstören und gleichzeitig Zeit mit seinem alten besten Freund zu verbringen.
Ich stöhnte laut auf, als mir bewusst wurde, was eigentlich hier passierte. Alles, wovor ich seit einem Jahr weglief, hatte mich schon längst eingeholt und drohte mich die Klippe erneut runterzustoßen, die ich nur mühsam wieder erklommen hatte. Doch ein zweites Mal würde ich den Sturz nicht überleben.
"Hope?", flüsternd steckte Jimin den Kopf durch einen winzigen Türspalt und seufzte. Er hatte sich geweigert, trotz meiner Widersprüche, das Haus zu verlassen und zu seinen Kursen an die Uni zu fahren. Ich reagierte nicht, umklammerte meine Beine noch fester und presste meinen Kopf so hart gegen meine Knie, dass schwarze Flecken vor meinen weit geöffneten Augen tanzten.
Ich hörte, wie sich die Tür wieder schloss und erwartete, wieder alleine im Zimmer zu sein. Stattdessen senkte sich die Matratze um einige Zentimeter, als sich Jimin neben mich auf die Bettkante setzte. Ich hörte ihn erneut leise seufzen, spürte, wie sich seine Hand meiner Schulter näherte, er sie dann aber doch sinken ließ. Ich konnte nachvollziehen, dass er mich zum Reden bringen wollte, dass er sichergehen wollte, dass es mir gutging. Aber ich brauchte Zeit, Zeit, die Neuigkeiten zu verdauen und mir zu überlegen, wie ich darauf reagieren wollte. Sollte ich ab morgen wieder in die Schule gehen und so tun, als wäre ein ganzes Jahr lang nichts geschehen? Sollte ich auf glücklich tun, so verhalten, als wäre in meinem Leben alles perfekt? Ich wusste nicht, welche Reaktion in dieser Situation angemessen war. Wie verhielt man sich, wenn der Mann wieder in deinem Leben auftauchte, der dir dein Herz gebrochen und dich so schlimm verletzt hatte, dass du für immer Narben davon tragen würdest?
"Ich werde nicht so tun, als könnte ich auch nur ansatzweise verstehen, wie du dich gerade fühlst.", sagte Jimin leise. Schließlich hatte er sich also doch entschlossen zu sprechen. Das musste wohl sein fünfter Versuch heute sein, mich zu einem Lebenszeichen zu bewegen, aber der erste, bei dem er mehr sagte als meinen Namen.
"Ich werde auch nicht versuchen, es zu verstehen, denn das werde ich niemals können. Stattdessen will ich dir helfen. Ich will dir helfen, das irgendwie wieder hinzubekommen. Aber ich weiß nicht wie, verstehst du?", ich hörte die Verzweiflung und Hilflosigkeit in seiner Stimme und musste die Augen schließen, um nicht daran zu zerbrechen. Er machte es nur schlimmer, viel schlimmer. Jetzt fühlte ich mich, als trüge ich auch Schuld an der ganzen Situation.
"Bitte sag mir, wie ich dir helfen kann, Hope. Was kann ich tun, um dir das alles hier zu erleichtern?"
Ich antwortete nicht, auch wenn es mich beinahe umbrachte. Ich konnte in dem Moment nur nicht mit Jimin umgehen, wusste nicht wie. Wie sollte ich ihm auch erklären, meinem Freund, dass ich ihn immer noch wollte? Dass ich mich so nach ihm verzehrte, dass es mir körperliche Schmerzen bereitete?
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My best friend's sister - m.yg.
FanfictionNach der überraschenden Verhaftung in Tokyo hatte Kim Hope sich geschworen, die Liebe ihres Lebens zu retten und sich an den Verantwortlichen zu rächen. Doch mehr als ein Jahr später hat sie die Hoffnung schon aufgegeben. Nichts lief so wie geplant...