Donnerstag, 24. Dezember 2020
"Es ist schon Mitternacht! Wo zum Teufel warst du?", zischte ich aufgebracht. Dabei sah ich mich unruhig um in der Hoffnung, dass uns niemand hören konnte.
"Entspann dich. Ich bin doch jetzt da, oder nicht?"
Fassungslos sah ich Yoongi an und bemühte mich verzweifelt, keine Miene zu verziehen.
"Du wolltest, dass ich komme, damit man uns zusammen sieht. Du hast mich eingeladen und dann tauchst du um Mitternacht auf, betrunken, ohne Begleitung und mit Tan im Schlepptau. Glaubst du wirklich, das wird deinem Ruf gut tun?", regte ich mich weiter auf. Ich wusste, dass ich nicht mehr viel Zeit hatte. Milan hatte uns lediglich fünf Minuten gewährt, bevor er mich wieder an seiner Seite wollte.
"Erstens, ich bin nicht betrunken. Zweitens, mein Ruf ist mein Problem, oder nicht?", entgegnete Yoongi gleichgültig. Alleine an seiner Aussprache merkte man, dass er bereits zu tief ins Glas gesehen hatte und dennoch behauptete er, er wäre nicht betrunken.
Ich versuchte, meine Gedanken zu sortieren, um das Gespräch nicht eskalieren zu lassen, als ich wie zuvor schon von seiner Krawatte abgelenkt wurde. Ich wusste nicht, ob er das mit Absicht tat, aber er hatte die pflaumenfarbene Krawatte an, die Erinnerungen an Tokyo weckte, an Yoongis Zimmer und an ein großes weiches Bett.
Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken entschieden zu verdrängen. Lieber ich führte das nicht weiter aus oder der Abend würde nicht so verlaufen, wie er sollte.
"Reiß dich einfach ein bisschen zusammen, Yoongi! Es hängt viel von heute ab, meine Zukunft hängt davon ab. Nicht, dass dich das noch sonderlich interessieren würde.", ich merkte selber, wie verbittert ich mich anhörte, konnte aber nichts dagegen tun. Der Schmerz saß zu tief, als dass ich ihn schon ignorieren könnte. Ich warf Yoongi einen letzten bösen Blick zu, bevor ich mich umdrehte und nach Milan Ausschau hielt. Tatsächlich war mir seine Gesellschaft in dem Moment lieber als Yoongis. Zumindest wusste er, wie er sich als Gentleman auf einem Ball zu verhalten hatte, egal ob gespielt oder nicht.
Ich entdeckte meinen Partner schließlich einige Meter entfernt in ein Gespräch mit einem der anderen Gäste vertieft und bahnte mir meinen Weg durch den Saal dorthin. Stumm blieb ich in einer gewissen Entfernung stehen und wartete geduldig, bis Milan fertig war. Ich hatte keine Lust mehr auf höfliche Konversation oder auf Menschen allgemein und überlegte mir bereits, wie ich Milan überreden konnte, nach Hause zu fahren.
Als er mir schließlich seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte, überraschte er mich, indem er mir ein Glas hinhielt.
"Wein? Du siehst aus, als könntest du es gebrauchen.", seine Stimme klang wie immer desinteressiert, doch alleine die Tatsache, dass er meinen Gemütszustand bemerkt und angesprochen hatte, war außerordentlich.
"Danke.", erwiderte ich müde und nahm das Angebot kommentarlos hin. Ich würde mich nicht über eine nette Geste beklagen.
Eine Weile standen wir nur nebeneinander, jeder an seinem Glas nippend und in seine eigenen Gedanken versunken.
"Habt ihr euch gestritten?", riss mich Milans Stimme schließlich aus bittersüßen Erinnerungen. Vielleicht hatte er mir damit sogar einen Gefallen getan.
"Es ist kompliziert. Im Grunde genommen ja. Aber wir tun ohnehin nichts anderes mehr.", antwortete ich, zu fertig, um mir auf die schnelle eine Lüge auszudenken. Dabei stimmte das nicht einmal ganz. Ich stritt mich mit Yoongi tatsächlich nicht ununterbrochen. In Geschichte schafften wir es immer, gemeinsamen Boden für normale Gespräche zu finden.
Milan antwortete nicht, zumindest nicht auf meine Aussage. Stattdessen nahm er mir mein Glas aus der Hand und stellte beide auf den nächstbesten Tisch.
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My best friend's sister - m.yg.
FanfictionNach der überraschenden Verhaftung in Tokyo hatte Kim Hope sich geschworen, die Liebe ihres Lebens zu retten und sich an den Verantwortlichen zu rächen. Doch mehr als ein Jahr später hat sie die Hoffnung schon aufgegeben. Nichts lief so wie geplant...