Kap. 45 - Special

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Sonntag, 01. August 2021

"Danke.", ich bedachte die Flugbegleiterin, die mir den bestellten Martini gebracht hatte, mit einem Nicken. In wenigen Schlucken hatte ich das Glas leergetrunken und stellte es etwas zu fest auf den Tisch vor mir. Nur zehn Minuten hatte ich mit meinen Eltern in ihrem Privatjet verbracht und schon bekam ich fürchterliche Kopfschmerzen. Dabei sah ich sie nicht einmal. Mit Absicht hatte ich mich so hingesetzt, dass ich ihnen den Rücken zuwandte. Nach allem, was heute geschehen war - wie mein Vater mit Hope gesprochen hatte, das Verhalten meiner Mutter, die so tat, als wäre rein gar nichts geschehen - war ich ohnehin schon angespannt genug. Und jetzt fingen sie auch noch an, so leise miteinander zu reden, dass ich nicht verstehen konnte, was sie sagten, ich aber ihre Anwesenheit auch nicht vergessen konnte.

Entnervt holte ich meine Kopfhörer raus und scrollte - unter beruhigender Musik - durch die neuesten Nachrichten, in Ermangelung einer besseren Beschäftigung.

Dann stoppte ich. Sein Gesicht hatte ich sofort erkannt, war er doch viele Jahre mein bester Freund gewesen. Tan hatte es wieder einmal in die Schlagzeilen geschafft. Gelangweilt klickte ich auf den Artikel und erstarrte. Ich wusste sofort, dass keine guten Nachrichten auf mich warteten, nicht, wenn Bilder von Hope und Milan ebenfalls abgebildet waren.

Unbewusst hatte ich mich aufgesetzt und war auf meinem Sitz nach vorne gerutscht, bis ich nur noch auf der Kante saß. Mit meiner freien Hand umklammerte ich die Armlehne so fest, dass sich meine Finger schmerzhaft verkrampften. Und dann fing ich an zu lesen.

"Was?", rief ich entsetzt und sprang auf. Die Kopfhörer und das Handy schmiss ich achtlos auf den Sitz und drehte mich zu meinen Eltern um, die mich entgeistert anstarrten.

"Wir müssen zurück.", verlangte ich entschlossen, das neu erlangte Wissen schwirrte wie ein Bienenschwarm in meinem Kopf herum. "Sofort."

Während meine Mutter eher besorgt schien, runzelte mein Vater die Stirn und legte bedacht die Hände aneinander.

"Wieso?", verlangte er zu wissen.

Ich zögerte. Die Wahrheit würde ihn nicht dazu bewegen, den Jet umdrehen zu lassen. Sollte ich ihm gestehen, dass ich zurück wollte, um für Hope da zu sein, die sicherlich völlig außer sich war, würde er mich ganz im Gegenteil vermutlich dafür bestrafen.

"Ich brauche etwas aus der Wohnung.", log ich. Meine Sachen sollten von einem professionellen Umzugsteam morgen eingepackt und nach Tokyo geschickt werden, aber eine bessere Ausrede war mir auf die Schnelle nicht eingefallen. Wie befürchtet war mein Vater nicht überzeugt.

"Yoongi, du weißt, ich schätze Lügen nicht besonders.", ein warnender Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen, der mich an so viele Ohrfeigen und Kinnhaken erinnerte, dass sich meine Finger unwillkürlich zu Fäusten schlossen.

"Ich muss nur für heute noch einmal zurück und dann werde ich Seoul nie wieder betreten. Das verspreche ich.", versuchte ich es auf eine andere Art. Mein Vater war Geschäftsmann, sicherlich würde er einen Deal bevorzugen.

Er lächelte, kalt, berechnend, und lehnte sich zurück.

"Nein.", antwortete er, ohne einen Funken Empathie.

Es machte mich rasend vor Wut und ich grub meine Nägel in meine Handflächen, um die Kontrolle zu behalten.

"Wieso?", verlangte ich zu wissen, das Wort zwang ich durch meine zusammengebissenen Zähne, während ich im Inneren den Kampf zwischen Angriff und Zurückhaltung ausfocht.

"Weil es um deine kleine Schlampe geht, nicht wahr? Ich habe die Nachrichten gesehen. Tan hat Milan Taylor erschossen.", das Lächeln meines Vaters vertiefte sich. "Was glaubst du, woher er die Pistole hatte?"

My best friend's sister - m.yg.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt