Kap. 27

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Mittwoch, 06. Januar 2021

Völlig fertig ließ ich mich auf mein Bett fallen. Ich war so froh, dass ich nicht zur Arbeit musste, und doch verursachte mir alleine der Gedanke an meinen prallvollen Wäschekorb Magenkrämpfe. Die letzten Tage waren schlimm gewesen. Mit Silvester hatte es angefangen, das ich schlussendlich doch bei den Parks verbracht hatte. Taehyung und Serephina so glücklich miteinander zu sehen, während mein Leben selbst in Trümmern lag, war anstrengend gewesen. Ich hatte mich so einsam gefühlt, nicht zuletzt, weil die Stimmung mit Jimin immer noch angespannt war. Ab Montag musste ich dann wieder im Café erscheinen, nur um von da weiter in den Klub zu eilen. Ich war es gar nicht mehr gewohnt, so viele Stunden am Stück zu arbeiten, sodass ich erst einmal meinen Rhythmus wiederfinden musste.

Und dann war da natürlich Taehyungs Abreise heute morgen gewesen. Wenn ich so über seinen Besuch hier nachdachte, konnte ich die Stunden an einer Hand abzählen, die er wirklich mit mir alleine verbracht hatte. Ich fragte mich, ob ihm überhaupt bewusst war, dass ich irgendwie auf seiner Prioritätenliste nach unten gerutscht war.

Das alles und der Schlafmangel, der zu gleichen Teilen an der Arbeit, Milan und meinen Gedanken lag, laugte mich aus, und zwar so stark, dass ich ihn ständig spürte. Ich spürte, wie mein Körper bei jeder Anstrengung protestierte, wie ich mich beim Lernen nicht konzentrieren konnte, obwohl die Prüfungen nicht mehr lange auf sich warten ließen. Ich sah es an den Augenringen und der unnatürlichen Blässe in meinem Gesicht und an meiner Appetitlosigkeit. Normalerweise hätte ich vermutlich schon längst wieder abgenommen, wenn Milan mich nicht gezwungen hätte, regelmäßig etwas zu essen. Auch wenn ich ihn zeitweise dafür hasste und seine Motive definitiv nicht selbstlos waren, musste ich rational betrachtet eher dankbar sein. Entgegen meiner Erwartung hatte meine Figur wieder leichte Kurven vorzuweisen. Natürlich war ich weit davon entfernt, so auszusehen wie früher, aber für den Anfang war es doch ein riesiger Fortschritt.

Also lag ich da auf meinem Bett und versuchte, ein wenig Energie zu tanken, als die Haustür unten klingelte. Ich stöhnte frustriert und schloss verzweifelt die Augen, in der irrationalen Hoffnung, dass ich mir das Geräusch nur eingebildet hatte. Dann klingelte es aber erneut und ich musste mich wohl oder übel aufrappeln. So schnell es ging, ohne mich zu überanstrengen, lief ich die Treppen runter und öffnete die Tür. Entsetzt erstarrte ich und dann fiel mir alles wieder ein.

"Yoongi! Oh mein Gott, es tut mir so leid. Ich hab's ganz vergessen.", rief ich schuldbewusst. Mein Gewissen meldete sich und ich biss mir verlegen auf die Unterlippe.

Yoongi schien aber gar nicht genervt oder schlecht gelaunt deswegen zu sein. Stattdessen lächelte er belustigt und lehnte sich an den Türrahmen.

"Macht nichts. Ich warte hier, du ziehst dich an.", erwiderte er entspannt und musterte mich von oben bis unten in meiner alten Jogginghose und dem ausgebleichten lilafarbenen T-Shirt. Wie war es möglich, dass er auf einmal gar nicht mehr wütend auf mich war? Bei unserem letzten Treffen hatte es noch ganz anders ausgesehen.

"Du kannst gerne reinkommen.", lud ich ihn schließlich ein und verschwand dann wieder nach oben.

Erst dann hatte ich wirklich Zeit, über die Situation nachzudenken.

"Oh Gott.", ich vergrub peinlich berührt das Gesicht in den Händen und ließ das Gespräch revue passieren. Dann kam die Aufregung und die Vorfreude zurück, aber auch das schlechte Gefühl, etwas Falsches zu tun. Vehement schob ich es beiseite und konzentrierte mich stattdessen auf meinen Kleiderschrank. Was zog man an, wenn einen sein Exfreund einlud, den Tag zusammen zu verbringen? War das jetzt ein Date? Es war irgendwie befreiend, die Dinge so zu benennen, wie sie waren. Ich wusste, dass ich meinen inneren Kampf immer noch ausfechten musste, aber das konnte einen Tag warten.

My best friend's sister - m.yg.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt