Kap. 28

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Mittwoch, 06. Januar 2021

Ich begrüßte Milan so unbeschwert wie möglich, tat, als wäre alles in Ordnung.

"Hey, Milan. Hoffentlich wartest du noch nicht so lange."

"Nein.", erwiderte er leise und fixierte mich mit seinen dunklen Augen. "Ich wollte dir nur das hier vorbeibringen." Er hob einen kleinen braunen Briefumschlag in die Luft, um ihn mir zu zeigen.

"Das ist nett.", sagte ich mit vor Nervosität hoher Stimme, obwohl ich keine Ahnung hatte, was in dem Umschlag war. "Komm doch rein, du wirst ja ganz nass."

Ich schloss die Tür auf und trat zur Seite, um Milan reinzulassen. Er musterte mich finster, doch ich behielt einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck bei. Ich warf einen letzten Blick auf Yoongi, der mit ernster Miene regungslos im Auto saß, und schloss leise die Tür.

"Es sind die Schlüssel zu allen wichtigen Türen im Klub, dann kannst du aufschließen, wenn ich nicht da sein sollte.", Milan reichte mir den Briefumschlag, den ich in der Stille des Hauses auch klimpern hörte.

"Danke, Milan.", sagte ich und meinte es auch so. Soweit ich wusste, hatte niemand außer ihm Schlüssel zum Taylor's...und jetzt offenbar auch mir.

"Wo warst du denn? Ich dachte, du hättest dir freigenommen, um dich auszuruhen.", fragte Milan bedrohlich leise, in seinen Augen blitzte etwas auf.

Meine Miene verhärtete sich.

"Yoongi war mit mir am Flughafen und hat mich jetzt nach Hause gefahren.", log ich schnell.

Langsam lenkte Milan den Kopf schief und kniff die Augen zusammen.

"Ich weiß, dass der Flug deines Bruders schon heute Morgen gegangen ist, Hope.", erwiderte er mit samtig weicher Stimme.

Milan und ich musterten uns schweigend, versuchten abzuwägen, wie der andere reagieren würde. Als die Stille nach einigen Sekunden erdrückend wurde, drehte ich mich um und ging in die Küche. Hinter mir hörte ich das Klacken seiner Designerschuhe auf dem Parkett. Er folgte mir.

"Wir müssen noch die ganzen Einladungen durchgehen, die über die Feiertage gekommen sind.", informierte ich ihn, obwohl das auch nicht eines meiner Lieblingsthemen war. Als Inhaber des Klubs wurde Milan zu unzähligen Veranstaltungen und Galas eingeladen und natürlich brauchte er immer eine Begleitung, deren Job nur ich im Moment erfüllen konnte. Es war allerdings immer noch besser darüber zu reden als über Yoongi.

Milan aber nickte nur, sagte nichts.

"Danke nochmal für die Schlüssel.", deutlicher konnte ich gar nicht mehr werden in dem Versuch, ihn rauszuschmeißen.

Doch er nickte nur weiter. Ich seufzte, lehnte mich an den Tresen und verschränkte die Arme vor der Brust.

Er schien wohl zu spüren, dass ich den Versuch, ihn abzulenken, aufgegeben hatte.

"Also? Willst du mir jetzt sagen, wo du warst?", wiederholte er seine Frage. Obwohl sie nett formuliert war, konnte ich die Warnung darin hören und spüren. Er meinte es jetzt todernst und würde auch nicht mehr lockerlassen.

"An einem Ort, an dem uns niemand gesehen hat, okay? Dein Ruf wird kein Schaden nehmen.", gereizt warf ich die Hände in die Luft und beschäftigte mich damit, meinen Mantel und die Mütze auszuziehen und über meinen Arm zu legen. Langsam wurde es mir in der Wohnung zu warm.

"Oh, da bin ich aber beruhigt.", erwiderte Milan sarkastisch und verdrehte die Augen. Er schien nicht allzu besänftigt zu sein, aber immerhin wiederholte er nicht noch einmal seine Frage oder starrte mich mit seinem Todesblick an. Stattdessen ließ er mich widerstandslos passieren, als ich zurück in den Flur lief, um den Mantel da aufzuhängen und meine Schuhe auszuziehen.

My best friend's sister - m.yg.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt