Kap. 32

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Samstag, 16. Januar 2021

Schnell schloss ich die Tür hinter mir und ließ mich an ihr auf den Boden rutschen. Ich atmete tief ein und schlang meine Arme um meine angezogenen Beine. Der laute Bass ließ den Boden unter mir vibrieren, mein Herzschlag schlug im Takt zur Musik. Meine hautenge Lederhose erzeugte ein quietschendes Geräusch, als ich noch ein Stückchen über den Boden rutschte, bis ich etwas bequemer saß. Mein Blick fiel auf meine weißen Turnschuhe, deren Spitzen in Milans Büro hineindeuteten. Wäre er hier, würde er mich vermutlich für diesen kleinen Zwischenfall strafend ansehen und umgehend zurück in den VIP-Bereich des Klubs schicken. Wäre er hier, hätte er mich in erster Linie in diesem Outfit gar nicht herkommen lassen. Doch er war nicht hier und diese Tatsache ermöglichte es mir, in seinem Büro Zuflucht zu suchen und tief durchzuatmen.

Noch immer beschäftigten mich Yoongis Worte von heute Vormittag. Obwohl ich mich eigentlich voll und ganz auf die Privatveranstaltung im Klub konzentrieren sollte, schweifte meine Aufmerksamkeit immer wieder ab. Das war auch der Grund gewesen, warum ich nur wenige Minuten zuvor mit einem der Gäste zusammengestoßen war und dafür gesorgt hatte, dass sein Drink auf meinem dunkelblauen Blazer gelandet war.

Seufzend löste ich die Umklammerung um meine Beine und schälte mich aus dem nassen Stoff. Wenigstens war mein weißes T-Shirt sauber geblieben, das allerdings wirklich nicht angemessen für einen Klub war. Doch ich hatte keine andere Wahl, als so weiterzumachen. Wechselkleidung hatte ich nicht mitgenommen und ich konnte keinesfalls schon um elf nach Hause gehen. Milans Anweisungen waren eindeutig gewesen: ich musste bis zum Ende dieser Veranstaltung hier bleiben und dafür sorgen, dass alle Gäste zufrieden waren.

Widerwillig wollte ich mich gerade aufrappeln, als mein Blick auf Milans Schreibtisch fiel. Diesen Tisch hatte ich schon so oft gesehen, doch immer nur von oben. Aus meiner jetzigen Position konnte ich allerdings durch den schmalen Spalt schauen, der zwischen Boden und Holz frei blieb. Das merkwürdige daran war, dass das dunkle Parkett nicht ebenmäßig war. Eine kleine Erhebung, die Milan sicherlich aufgefallen sein musste, stach mir sofort ins Auge. Und so wie ich meinen geliebten Boss kannte, würde er so einen Makel niemals akzeptieren. Es war mehr als auffällig.

Stirnrunzelnd rutschte ich näher. Die Privatparty war schon längst aus meinen Gedanken verschwunden, genauso wie die gedämpfte Musik zu einem irrelevanten Hintergrundgeräusch geworden war. Ich kniete mich neben den Tisch und beugte mich runter, bis meine Wange auf dem Boden ruhte und ich meinen Fund begutachten konnte. Es stimmte, eine Diele stand tatsächlich höher als die anderen.

Neugierig stand ich auf, lief um den Tisch herum und kniete mich erneut hin. Von dieser Seite war es sogar noch offensichtlicher, dass der Boden nicht gerade war und ich fragte mich, warum Milan das nicht schon bemängelt hatte.

Dann drängten sich ungewollt Yoongis Worte in mein Bewusstsein.

Vor zwei Jahren wurde er wegen Steuerhinterziehung und Verdacht auf Handel illegaler Güter angeklagt. Außerdem gibt es mehrere Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs.

Konnte da etwas dran sein? In meiner Wut und Verzweiflung hatte ich Yoongis Worte für ein bloßes Hirngespinst gehalten, eine Lüge, um mich dazu zu bringen, Milan zu verlassen.

Ich wusste, ich sollte nicht schnüffeln, schon gar nicht in Milans Büro. Wenn er davon erfuhr, war ich tot, aber allein der Gedanke, dass Yoongi recht haben könnte...ich musste es einfach wissen.

Mit zitternden Händen griff ich nach der Diele, versuchte sie anzuheben, um zu sehen, ob darunter ein Hohlraum versteckt war. Vielleicht hatte ich einfach zu viele Thriller gesehen, aber mit den Zweifeln, die Yoongi gesät hatte, konnte ich nicht anders, als diese Möglichkeit zu überprüfen. Das Brett bewegte sich etwas und ich schaffte, es so weit vom Boden zu lösen, dass ich meine Finger in den entstandenen Spalt zwängen konnte. Wenn nichts darunter war und ich Milans Boden so noch mehr beschädigt hatte, dann steckte ich wirklich in der Klemme.

My best friend's sister - m.yg.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt