Kap. 23

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Dienstag, 29. Dezember 2020

Sanft ließ Yoongi seine Fingerspitzen über meinen Hals gleiten, bewegte sie weiter runter über meine Brust und schließlich federleicht über meine Rippen. Obwohl meine Auseinandersetzung mit Milan schon mehrere Tage zurücklag, zuckte ich dennoch zusammen, als Yoongis Fingerkuppen die tiefblaue Prellung erreichten. Sein missbilligender Blick erweckte in mir den Wunsch, meinen Körper vor ihm zu verbergen, damit er keine der vielen weiteren Wunden sah, die Milan sichtbar auf meiner blassen Haut hinterlassen hatte.

"Ich verstehe es wirklich nicht. Wieso lässt du das zu?", fragte Yoongi leise und hob seinen Blick, um mir in die Augen zu sehen. Ich seufzte leise und schloss erschöpft die Augen.

"Yoongi, bitte, ich will wirklich nicht darüber reden, okay?", bat ich resigniert. Schon bei der ersten Gelegenheit, als er sich ein Bild über den Gesamtschaden hatte machen können, drängte mich Yoongi immer wieder dazu, ihm meine Beweggründe zu erklären. Er hatte auch schon versucht zu raten und war der Wahrheit dabei öfter gefährlich nahe gekommen, doch sagen würde ich es ihm nicht.

Als ich ihn erneut ansah, wirkte er noch missgelaunter als zuvor. Seine Augenbrauen waren gerunzelt und seine Lippen verkniffen. Ich unterdrückte ein erneutes Seufzen und fuhr ihm möglichst beruhigend durch die Haare. Sie waren noch immer so weich und seidig wie früher.

Sofort hob er den Blick erneut und bemühte sich, seine Gesichtszüge unter Kontrolle zu bringen. Mittlerweile hatte er zumindest erkannt, wann es besser war, nachzugeben. Etwas, was ich nie gedacht hätte, bei ihm zu sehen.

"Wo ist eigentlich Tae?", fragte er schließlich. Offensichtlich wollte er das Thema wechseln und ich sah ihm an, dass er viel lieber nachgehakt hätte, was Milan betraf. Diesen Wunsch ignorierte ich gekonnt und ging erleichtert auf seine Frage ein. Eine weitere Diskussion hätte mich nur noch mehr ausgelaugt.

"Bei Fina. Seitdem sie gelandet ist, ist er ihr nicht mehr von der Seite gewichen.", antwortete ich, ohne mir dabei den bedauernden Tonfall verkneifen zu können. Ich hatte mich so darauf gefreut, meinen Bruder wiederzusehen, nur um dann feststellen zu müssen, dass er auch hier keine Zeit für mich hatte. Es war einfach nur eines der vielen Dinge, die in meinem Leben gerade nicht so rosig aussahen.

"Du solltest mit ihm reden. Sag ihm, dass du mehr Zeit mit ihm verbringen willst.", schlug Yoongi vor, indem er meinen Tonfall richtig interpretierte. Er kannte mich einfach viel zu gut und es fiel mir unheimlich schwer, auch jetzt noch Dinge vor ihm zu verheimlichen oder mich zu verstellen.

"Ich weiß nicht, ob das so viel bringt. Im Moment ist es vielleicht besser, wenn er nicht so genau darauf achtet, was in meinem Leben so vor sich geht.", erwiderte ich wahrheitsgemäß und erntete einen weiteren verkniffenen Blick von Yoongis Seite. Dabei hatte ich eigentlich versucht, genau dieses Thema zu vermeiden, aber irgendwie kamen wir immer wieder darauf zurück.

"Hope-", fing er an und richtete sich etwas auf, wie um ein ernsteres Gespräch zu führen. Sofort lehnte ich mich vor, vergrub meine Finger in seinen Haaren und zog ihn näher, um seine Lippen mit meinen verschließen zu können. Überrascht sog er die Luft ein, bevor er versuchte, mich sanft wegzuschieben.

"Du kannst mir nicht für immer-", sagte er schnell, bevor ich mich aufsetzte und erneut meine Lippen auf seine drückte. Dieses Mal dauerte es etwas länger, bis er die Willenskraft fand, sich von mir zu lösen.

"Hope!", rief er verärgert und dieses Mal kletterte ich kurzerhand auf seinen Schoß und verband unsere Lippen erneut. Das Fehlen unserer Kleidung war wohl der Hauptauslöser, der es Yoongi unmöglich machte, mich erneut abzuweisen. Nach kurzem Zögern erwiderte er den Kuss wie selbstverständlich und schlang seine Arme um meine Taille, um mich noch näher an sich zu ziehen. Ich wusste, dass ich dem Gespräch nicht entgehen konnte, doch für den Moment hatte ich mir wenigstens mehr Zeit verschafft, um mir überlegen zu können, was ich ihm denn überhaupt sagen konnte. Diese Gedankengänge gingen allerdings nicht sehr weit. Schon bald war ich mir seiner Haut viel zu bewusst, wo sie meine eigene berührte. Es brannte beinahe und schickte die Wärme direkt in meinen Unterleib. Meine Lippen waren schon seit Stunden geschwollen und doch dachte ich nicht im Traum daran, den Kuss zu unterbrechen. Genüsslich schloss ich die Augen und ließ mich in den gewohnten Rhythmus fallen. Das hier war etwas, das wir nicht verlernt hatten, trotz der vielen Zeit, die ohne Kontakt vergangen war.

My best friend's sister - m.yg.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt