Kap. 30

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Montag, 11. Januar 2021

"Also, um wie viel Uhr musst du zum Taylor's? Denn du musst unbedingt noch bleiben, ich habe dich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen!", fragte June gerade und drückte mir die fertige Bestellung in die Hand. Es war vermutlich die letzte für heute: ein Sandwich To-Go für einen gestresst wirkenden Anzugträger.

"Ähm, ja, sehr gerne, June, aber...können wir das auf Morgen verschieben?", ich warf ihr einen zerknirschten Blick zu. "Ich bin echt müde und habe noch wahnsinnig viel zu tun. Ich will nur schnell bei Milan vorbeischauen und dann nach Hause."

Ich drehte mich mit einem Lächeln zu unserem letzten Kunden um und reichte ihm die kleine Papiertüte über die Theke.

"Das macht dann 5000 Won, bitte."

Der Mann bezahlte, bevor er gehetzt aus dem Laden eilte. Ich wandte mich wieder June zu.

"Ach komm schon, Hope! Wir haben sogar noch Kuchen übrig. Das kann ich unmöglich alleine essen! Willst du verantwortlich sein, dass wir so viel wegschmeißen müssen?", versuchte sie mir ein schlechtes Gewissen einzureden. "Du verpasst eine leckere, völlig überzuckerte und ungesunde Schokoladentorte.", sie grinste.

Ich musste lachen und verdrehte die Augen, bevor ich resigniert nickte.

"Na schön, aber nur eine halbe Stunde, ich muss wirklich gehen!", stellte ich klar.

"Danke, danke, danke!", quietschte sie und fiel mir unerwartet um den Hals. Ich unterdrückte ein Wimmern, als sie meine Rippen zu fest drückte, und erwiderte die Umarmung.

"Ich habe sowieso nicht zu Abend gegessen, da kann es genauso gut...wie hast du gesagt? Leckere, völlig überzuckerte und ungesunde Schokoladentorte?...sein.", erwiderte ich und biss mir auf die Lippe, um nicht bei den stechenden Schmerzen in meinem Brustkorb aufzuschreien.

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"Warte mal kurz, du hast einen Freund? Einen Freund Freund?", rief ich überrascht und steckte mir grinsend noch ein Löffelchen Schokoladencreme in den Mund.

"Was? Nein! Wir sind nur Freunde. Außerdem geht dich das gar nichts an!", wandte June schnell ein, musste aber selbst lachen.

"Und ob mich das etwas angeht! Ich bin deine beste Kollegin, vergessen?", protestierte ich mit vollem Mund. Gleichzeitig vibrierte mein Handy auf dem Tresen neben mir und kündigte eine neue Nachricht an.

"Du bist meistens auch meine einzige Kollegin.", erwiderte June, doch ich war schon zu abgelenkt.

"Milan hat gefragt, wo ich bleibe.", stellte ich tonlos fest und registrierte dann, dass das vermutlich nicht die passende Reaktion war, wenn man eine Nachricht von dem Mann bekam, den man angeblich liebte. Ich räusperte mich und setzte schnell ein Lächeln auf.

"Ich sollte wirklich gehen.", ich stand auf und legte den Pappteller mit den Tortenresten auf die Theke. "Das müssen wir aber bald wiederholen! So viel habe ich lange nicht mehr gelacht!"

June musterte mich kurz, bevor sie auch auf die Beine kam.

"Auf jeden Fall.", meinte sie, doch es klang irgendwie nicht ganz überzeugt.

"Ähm...kommst du alleine klar oder soll ich dir noch schnell beim Aufräumen helfen?", fragte ich mit schlechtem Gewissen und hoffte gleichzeitig, dass June mein Angebot nicht annehmen würde. Milan würde nicht sehr geduldig warten, vor allem nicht nach letzter Woche.

"Nein, schon gut. Es ist ja nicht mehr viel.", winkte June ab, doch noch immer hatte ihre Stimme einen merkwürdigen Unterton.

"Okay, danke, ich bin dir was schuldig. Wir sehen uns dann morgen, oder?", ich griff nach meiner Tasche und wandte mich zum Gehen.

My best friend's sister - m.yg.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt