Kap. 9

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Dienstag, 08. Dezember 2020

Angestachelt durch die Wut auf Jimin, auf alles und jeden, hatte jeder rational denkende Teil meines Gehirns ausgesetzt. Weil ich vermutete, worauf der Abend hinauslaufen würde, und weil ich wusste, dass es Jimin und ihn provozieren würde, suchte ich nach möglichst aufreizender Kleidung in meinem Schrank. So viele Monate hatte ich nur mit Jeans und T-Shirts überlebt, dass es fast gut tat, sich so richtig schick zu machen, und das nicht, weil ich zur Arbeit musste, zumindest nicht wirklich. Das dunkelgrüne Kleid, das ich schließlich überstreifte, hatte einen tiefen Ausschnitt und diese Art von Stoff, die sich an deine Haut klebte und alles sichtbar machte. Der tiefe Rückenausschnitt machte das Tragen eines BHs praktisch unmöglich, sodass man mehr sah, als mir normalerweise lieb gewesen wäre. Doch natürlich war das in dem Moment für mein verkehrt denkendes Gehirn genau das Richtige. Zumindest fiel der Rock locker um meine Beine, wenn er auch ziemlich kurz war.

In meinem Schmuckkästchen kramte ich nach einer dieser langen Halsketten und funkelnden Ohrringen. Meine Haare schüttelte ich nur kurz aus und machte mir nicht die Mühe sie durchzukämmen. Bevor ich mich schminkte, schlüpfte ich schon einmal in meine silbernen, hohen Sandalen an, damit ich mich an die Absätze gewöhnen konnte.

Unten in der Küche zog ich meine Lederjacke über und schrieb dann einen Zettel an Jongin:

Bin bei der Arbeit. Weiß noch nicht, wann ich zurück bin.

Das neongelbe Post-it klebte ich an die Kühlschranktür und hoffte, dass Jongin es dort sehen würde. Ihm wirklich zu texten wollte ich nicht, weil ich befürchtete, dass er Fragen stellen würde, ganz uninformiert sollte er allerdings auch nicht bleiben. Sonst kam er vielleicht noch auf die hirnrissige Idee, Jimin oder gar meinen Bruder zu kontaktieren, nur weil ich nicht zu Hause war.

Ich seufzte, als ich auf die Uhr sah. Ich hatte eigentlich noch wahnsinnig viel Zeit, aber die Wut in mir machte mich rastlos. Ich musste etwas tun, in Bewegung bleiben. Und ich fürchtete, dass Jongin nach Hause kommen könnte. Lust auf noch eine Diskussion an diesem Tag hatte ich nun wirklich nicht.

Auf eine Tasche verzichtete ich und steckte mein Handy stattdessen in meine Jackentasche. Dann verließ ich das Haus und zog die Tür hinter mir zu. Die Kälte schien ich gar nicht zu spüren, auch wenn ich wirklich nicht angemessen für das Wetter gekleidet war. Im Endeffekt war das aber auch egal. Milan würde mich wohl kaum in seinem Garten empfangen...wenn er denn überhaupt einen Garten hatte oder mich wirklich zu sich eingeladen hatte. Meines Wissens konnte die Adresse auch zu einem Hotel führen. Ich hätte sie vielleicht überprüfen sollen, verdrängte den Gedanken aber schnell wieder, bevor ich anfangen konnte, an der ganzen Sache zu zweifeln. Stattdessen stellte ich mir sein wütendes Gesicht vor, wenn er mich in dem Moment hätte sehen können. Wenn es ihn überhaupt noch interessierte, was ich machte. Ich biss die Zähne zusammen und atmete tief durch. Ich musste mich irgendwie ablenken, wenn ich das wirklich durchziehen wollte.

Kurzerhand rief ich mir ein Taxi und hatte Glück, dass eines ganz in der Nähe war. Nur fünf Minuten später stieg ich in ein warmes Auto und ignorierte den komischen Blick, den mir der Fahrer zuwarf. Was hätte ich in meinem leichten Sommerkleid bei diesen Temperaturen auch erwarten sollen? Ich nannte die Adresse und beschäftigte mich dann mit meinem Handy. Jegliche Zweifel, die mein Gehirn mir regelrecht zuschrie, erstickte ich im Keim. Es gab jetzt kein Zurück mehr. Ich würde Jimin zeigen, dass ich alleine klarkam, dass ich sein Geld nicht brauchte, dass ich ihn nicht brauchte. Ich würde allen zeigen, dass ich auch alleine zurechtkam und glücklich sein konnte, ohne Männer in meinem Leben.

Ich sah irgendwann aus dem Fenster und erschrak, als ich sein Viertel erkannte. Wohnte Milan wirklich in einem der reichsten Viertel der Stadt? Aber, was hätte ich auch erwarten sollen...immer Designerkleidung und das teuerste Aftershave, dazu diese beiläufige Arroganz...ich hätte es früher merken sollen, mit wem ich es zu tun hatte. Vielleicht hatte ich es mir auch nicht eingestehen wollen, dass ich unweigerlich immer auf den gleichen Typ Mann stieß, ob ich es wollte oder nicht.

My best friend's sister - m.yg.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt