Mütterliche Führsorge

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Die Wirklichkeit prasselt auf mich nieder wie ein ernüchternder Regenguss, gefolgt von der Erkenntnis, was genau ich gerade gedacht habe.
Oh Gott, was ist bloß falsch mit mir?

Mein Blick wandert tatsächlich wie von selbst zu Aleksanders Händen. Doch das einzige was ich entdecke, ist der schlichte silberne Ring an seinem Finger.
"Ich wollte Ihnen allen meinen aufrichtigen Dank aussprechen, Sie haben dafür gesorgt, das man sich mit unseren Verwandten in Bomshare in Verbindung setzt. Jetzt wissen wir mit Sicherheit, dass es ihnen gut geht."

Ich erstarre kurz. Ich hatte völlig vergessen meine Eltern nach ihnen zu fragen.
"Man hat uns gesagt der Befehl dies zu tun kam von einem von Ihnen."

Etwas wie Überraschung blitzt in Jaspers Augen auf, er öffnet den Mund, er findet jedoch keine Zeit etwas zu erwidern.
Denn Aleksander nickt einmal knapp, so als wäre es das normalste auf der Welt so etwas zu tun und ich möchte am liebsten schreien.
Meine Mutter, welcher offenbar weder Jaspers Reaktion, noch Aleksanders Bestätigung entgangen ist, lächelt in Aleksanders Richtung.

"Haben Sie vielen Dank, doch das wäre nicht notwendig gewesen. Avery kann manchmal etwas zu emotional reagieren", sagt sie in einem beinahe mitfühlenden Tonfall, so als wäre ich eine besonders hartnäckige Sorte von Fußpilz.

Hitze steigt in mir auf und die Röte kriecht ohne Frage gerade meinen Hals hinauf.
Agatha Fernsby legt, vollends auf die klischeehafte Demonstration von mütterlicher Fürsorge konzentriert, sanft eine Hand auf meine Schulter- ohne Frage soll es eine beruhigende Geste ausdrücken, aber ich weiß, dass es eine Warnung ist, mich zurückzuhalten, mitzuspielen.

Aleksanders Blick fliegt kurz zu mir.

Hoffentlich sieht er all die mühsam versteckte Panik in meinen Augen nicht.

Doch es ist Aleksander. Natürlich sieht er sie, da bin ich mir sicher. Für ihn besteht die sorgfältig errichtete Mauer um meine Gefühle praktisch aus einer hauchdünnen Schicht von Nichts. Ich fühle mich nackt wenn er mich ansieht, nicht auf erotische Weise, sondern eher von niedrigerem Wert- was angesichts seiner Stellung wahrscheinlich auch der Wahrheit entspricht. Nicht das es mich kümmern würde. Okay, es kümmert mich.. ein ganz klein wenig.

Sein Blick kehrt wieder zu meiner Mutter zurück. "Ich bin mir sicher Sie werden sich freuen zu hören, dass Avery den Test, welcher während ihrer ersten Woche im Palast geschrieben wurde, mit Bestpunktzahl bestanden hat", seine Stimme ist höflich und niemand außer mir kann in dieser Erwiderung einen Vorwurf entdecken.

Mein Mutter strahlt. "Oh wirklich, welch eine Freude! Sie müssen wissen, wir haben uns damals dazu entschieden Avery  zuhause unterrichten zu lassen. Das schien für uns ein geeigneter Weg ihr alles nötige für das Leben beizubringen."

Das hat ja wirklich sehr gut geklappt.

Aleksander nickt bedächtig, ganz so als hatte er das bereits vermutet.
Dann sehe ich aus dem Augenwinkel wie Ellory, gefolgt von ihrer Familie auf uns zukommt.

Ich überlege, wie ich Henry ein möglichst unauffälliges Zeichen geben kann, doch als ich in seine Richtung sehe, ist sein Blick bereits auf Ellory gerichtet.

Ein klitzekleines Lächeln erscheint auf meinen Lippen.

Wenigstens sie freuen sich.

Den Rest der Zeit verbringe ich damit, Ellory's Familie zuzuhören. Sie erzählen allerlei- teilweise peinliche- Geschichten über ihre Tochter und bringen damit auch mich zum Schmunzeln.

Meine Mutter hingegen verzieht, nun nicht mehr das Zentrum der Aufmerksamkeit, kurz den Mund bevor sie ein freundliches Lächeln aufsetzt und sich entschuldigt.

Mitsamt meinem Vater, der die ganze Zeit über geschwiegen und es seiner Frau überlassen hat die Fragen zu stellen, geht sie ein paar Schritte bevor sie etwas zu meinem Vater sagt. Dieser nickt gleich darauf und dreht sich zu mir um. Ich halte die Luft an. Hat sie ihm etwa aufgetragen mich zu rügen?

Die erniedrigende Vorstellung lässt mich den Kiefer anspannen während ich mich zwinge, meinem Vater in die Augen zu sehen. Seine Haltung ist aufrecht und kurz denke ich etwas wie Stolz in seinen Augen aufflackern zu sehen.

Das unerwartete Lächeln, welches er mir zeigt lässt mich den Atem anhalten. "Avery meine Liebe, deine Mutter möchte sich gerne etwas Frischmachen und sie hat gefragt ob du nicht mitkommen willst." Ich beiße mir auf die Zunge um nicht unüberlegtes zu sagen und lasse meinen Blick zu der Frau hinter ihm gleiten die sich meine Mutter nennt.
Hier kann ich nicht offen reden, denn Aleksander und Jasper befinden sich noch in Hörweite. Das ist mir klar. Also nicke ich und setze mein bestes falsches Lächeln auf, drehe mich um und knickse vor den Prinzen ohne auch nur ein mal zu ihnen zu sehen.

Dann mache ich auf dem Absatz kehrt und gehe an meinem Vater vorbei, hinüber zu meiner wartenden Mutter.

𝐭𝐡𝐞 𝐟𝐢𝐫𝐞 𝐲𝐨𝐮 𝐬𝐭𝐚𝐫𝐭𝐞𝐝 - 𝐞𝐫𝐰ä𝐡𝐥𝐭 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt