Einzelgespräche I

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"Meine Damen", erklingt Cordelias laute Stimme als wir gerade das Frühstück beendet haben. Unwillkürlich frage ich mich ob man uns beobachtet, ob es hier ein Überwachungssystem, in Form von Kameras oder dergleichen gibt.
Wie von selbst suchen meine Augen die Decke und ihre Ecken ab. Nichts. Einmal abgesehen von den Verzierungen aus weißem Stuck.
"Sie werden jetzt nach einander ein Einzelgespräch mit jedem Hochwohlgeborenen ablegen. Ich möchte Sie nochmals darum bitten ein tadelloses Benehmen an den Tag zu legen und sich einer Dame würdig zu verhalten."

Ich spitze die Lippen. Das heißt dann wohl für mich das ich besser schnell lernen soll, meine Gedanken für mich zu behalten. Doch leichter gesagt als getan.
Aus irgendeinem Grund kann ich bei den drei Männern nicht das machen, was ich sonst mache. Ich bin nicht in der Lage zu schauspielern, ihnen etwas vorzuspielen, obgleich dies eigentlich zu einer, meiner hart erlernten Fähigkeiten zählt.

Ich kann nicht verstehen weshalb ich bei ihnen bis jetzt fast nie meine Gedanken versteckten konnte. Es kommt mir vor als würden sie alles was in mir vorgeht sehen, als wäre ich für sie ein offenes Buch, wobei ich bei ihnen auf Verwirrung stoße.
Wir verlassen den Speisesaal und gehen den breiten, hellen, von Vitrinen gesäumten Gang entlang. Dieses Mal betrachte ich die Glaskasten, welche teils auch in die Wand eingelassen sind, genauer.
Ich erkenne allerlei seltsame Gegenstände.

Eine breite Tasse mit abgebrochenem Henkel, ein farbenfroh besticktes Kissen mit Fransen, die in alle Himmelsrichtungen abstehen, eine Halskette, über und über mit Diamanten besetzt.
Ich bin versucht stehen zu bleiben und mir die restlichen Gegenstände anzusehen, doch Cordelia stolziert schnellen Schrittes an den Glaskästen vorbei und keine der anderen Kandidatinnen würdigen die Vitrinen eines Blickes.

Wir kommen vor einer großen Tür zum stehen und ich zupfe ungeduldig an meinem Kleid. Als alle angekommen sind, öffnet eine der zwei Wachen die Tür und kehrt dann an ihren Ursprünglichen Platz auf der Seite zurück.
"Folgen Sie mir bitte", mit diesen Worten tritt sie in den Raum und wir folgen ihr.

Das Zimmer besitzt, wie alle bisherigen auch, hohe Decken und elegante Möbel.
Eine zweite Tür liegt uns gegenüber an der andern Seite des Raumes. Aus dieser treten einen Augenblick später die drei jungen Männer auf uns zu.
Sofort kehrt Stille ein und alle beobachten sie.
Ich starre auf einen Punkt hinter ihnen.
"Guten Morgen die Damen, wir hoffen sie konnten sich etwas erholen und sind nun bereit, sich etwas persönlicher mit jedem von uns zu unterhalten", es ist Aleksander der redet und ich stöhne innerlich auf. Das sind glanzvolle Aussichten für die nächsten Stunden. Selbst wenn jedes Gespräch lediglich zwei Minuten dauern würde, wären wir nicht vor Mittag damit fertig.
"Wir fangen am besten gleich damit an", meint Henry und nickt kurz, während er den Namen eines Mädchens aufruft und gleich darauf mit ihr hinter der Tür verschwindet. Ich kann nichts dagegen machen, dass ich allmählich denke, dass es sich bei dem Prinzen um Henry handeln könnte.
Ich bin zu der Ansicht gekommen das er bis jetzt von den dreien den akzeptabelsten Prinzen abgeben würde.
Jasper lässt seinen Blick über uns schweifen und sagt dann: "Würden Sie mir die Ehre eines Gesprächs gewähren, Lady Avery?"
Ich schlucke, nicke dann aber sofort und setze eine Maske entspannten Entzückens auf. Mir entgeht dabei fast Aleksanders minimal verkrampfte Haltung. Ich runzle die Stirn und spähe zu dem schwarzhaarigen Mann. Sein Blick ist jedoch auf Jasper gerichtet und wenn ich mich nicht täusche liegt darin eine Drohung.
Vermutlich gibt er Jasper gerade zu verstehen, dass sie mich einfach so schnell wie möglich aus diesem Casting werfen sollten.
Ich halte meinen Blick starr auf die Tür gerichtet, die Jasper jetzt öffnet und folge ihm hindurch.

𝐭𝐡𝐞 𝐟𝐢𝐫𝐞 𝐲𝐨𝐮 𝐬𝐭𝐚𝐫𝐭𝐞𝐝 - 𝐞𝐫𝐰ä𝐡𝐥𝐭 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt