Eine Utopie von Demokratie

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Meine Füße tragen mich wie von selbst zu dem Gemälde zurück. Zuerst will ich wieder umkehren doch dann fällt mein Blick auf das- wie ich mir inzwischen sicher sein kann- revolutionäre Ölgemälde.
Die Freiheit führt das Volk hat Aleksander es genannt.

In dieser Situation kommt mir diese Vorstellung geradezu lächerlich kindisch vor. Ja, das Volk ist frei, aber nur in gewissen Maßen. Es herrscht noch immer Monarchie. Jeder der etwas anders behauptet lebt in einer Utopie, einer schönen Illusion. Der einzelne Bürger kann allein keine allzu großen, für das Land folgenschweren Entscheidungen treffen. Das dachte ich zumindest immer.

Wenn sich jedoch eine große Anzahl gleichgesinnter- einzeln eigentlich.. unbedeutender- Menschen zusammenschließt, ist mit ihrer Größe auch ihre Reichweite gewachsen. Sicherlich ist bereits das ganze Land von dem Vorfall in Kenntnis gesetzt worden.
Ob mein Vater sich Sorgen um seine Schwester macht?
Vielleicht sind sie ja doch dazu fähig, sich um das Wohl anderer Personen zu sorgen.
"Miss Fernsby", eine tadelnde, angespannte Stimme lässt mich abrupt aufsehen.
Gleich darauf verziehe ich das Gesicht. Nur eine Person schafft es, diese zwei Worte tadelnd klingen zu lassen.

Neben mir, näher als erwartet, steht Aleksander und blickt auf mich herab. Das kann er echt gut. Auf andere Leute herabsehen.
Anlässlich meiner ohne Zweifel säuerlichen Miene neigt er leicht den Kopf und lehnt sich mit der Schulter gegen die Wand.
"Wieso sind Sie hier?", frage ich zögernd. "Müssten Sie nicht eher irgendwelche Pflichten erledigen? Vor Allem nach dem...dem Anschlag?"

"Ich war gerade auf dem Weg zu einem unserer Berater. Henry und Jasper fragen sich bestimmt schon wieso ich so lange brauche", seine Stimme ist glatt wie immer, genauso wie der schwarze Anzug der sich um seine Schultern spannt.
Als das Schweigen unangenehm zu werden droht, richte ich meinen Blick auf das Bild.
"Irgendwie bin ich hier gelandet."
Aleksander dreht den Kopf und wir betrachten das Bild.
"Es kommt einem fast schon grotesk vor, finden Sie nicht?"
"Wie bitte?"
Er deutet mit einer eleganten Handbewegung auf das Bild.
Ich nicke nur.

"Hatten Sie Bekanntschaften in Bomshare?"
Die Frage trifft mich unvorbereitet und so muss ich erst den Klos in meinem Hals herunterschlucken bevor ich antworten kann. "Meine Tante", meine Stimme ist so leise das ich nicht weiß ob er mich verstanden hat, also nicke ich sicherheitshalber.
Er nimmt die Hände aus den Hosentaschen und beginnt den Ring an seinem Finger hin und her zu drehen.

"Ich werde sehen was ich tun kann", überrascht schnellen meine Augen zu ihm, doch bevor ich fragen kann was er damit meint, hat er sich bereits wieder abgewandt und geht mit zielsicheren Schritten in die entgegengesetzte Richtung davon. Ich starre ihm, verwirrt von seinem Verhalten, nach. Dann atme tief ein und aus, bevor auch ich mich auf den Weg zurück mache.
-
Entgegen meiner Erwartungen führt uns Cordelia nicht etwa in den prunkvollen Thronsaal der vor überschwänglicher Dekadenz geradezu platzt, sondern in einen schlichteren, dennoch wunderschönen und großen Raum. Der Boden ist mit riesigen, orientalischen Teppichen übersät.
An der Wand hängen tatsächlich mehrere Gemälde und ich muss mich tatsächlich zusammenreißen um nicht wie ein Kleinkind vor Entzücken auf und ab zu hüpfen als ich das Bild mit dem Titel Frauen im Garten von Claude Monet entdecke.
Auf der anderen Seite des Zimmers führen zwei deckenhohe Glastüren auf einen Balkon. Die Wände sind aus hellem Marmor, hier und da bahnen sich schlichte goldene Ornamente gleich Adern, durch den Marmor oder schmiegen sich als Verzierung an einen Knauf oder ein Bein der kleinen Beistelltische, die neben den gepolsterten Stühlen stehen.

Die Königin sitzt auf einem elegant aussehenden Stuhl dessen Rückenlehne höher ist als die der anderen Stühle, natürlich mit Ausnahme von dem des Königs direkt neben ihr.
Es folgt eine überraschend warmherzige Begrüßung- natürlich von Seiten der Königin, währenddessen sieht der König aus als wolle er jeden Moment aus dem Raum stürmen. Er kann kaum still sitzen, ändert dauernd die Position und ist so unruhig, dass meine Augen immer wieder zu ihm zurück gleiten. Die Königin erklärt, dass sie gerne mit jedem von uns ein Gespräch führen wolle, ebenso wie ihr Mann.

Ziellos schweift mein Blick durch den Raum während sich eine Kandidatin nach der anderen um das Königspaar versammelt um somit eine größere Chance zu haben, als erste um ein Gespräch gebeten zu werden. Überraschenderweise bleibt auch Falleen zurückgezogen. Sie betrachtet das Geschehen mit einem stoischen Gesichtsausdruck. Als sie meinen Blick bemerkt zuckt sie unentschlossen mit den Schultern und wendet sich ab.

Ich runzle die Stirn, drehe mich jedoch gleich darauf zum anderen Ende des Zimmers und mustere mit wachsendem Interesse das Gemälde das mir am nächsten ist. Direkt daneben steht praktischer Weise ein Stuhl und so setze ich mich auf diesen und blicke zu dem Bild hoch.
Meine Augen gleiten über eine dunkelgraue, moosbewachsene Felswand, deren Spalten und Kerben vereinzelt von weißen Blumen durchdrungen werden.
Es wirkt gleichzeitig idyllisch und geheimnisvoll.

Da meine ganze Aufmerksamkeit auf der Darstellung dieses wundervollen Ortes liegt, bemerke ich die Person erst als sie schon neben mir steht. "Mir ist zu bereits Ohren gekommen, dass Sie sich für Kunst zu interessieren scheinen", dringt die Stimme der Königin zu mir und lässt mich überrascht aufspringen.
"Eure Majestät", sage ich hastig und fahre dabei so unauffällig wie möglich über mein Kleid.. "Ich habe Euch nicht kommen sehen."
"Das ist okay", erwidert sie lediglich und lächelt mich an.

Zu behaupten, Königin Sieratheen wäre hübsch, wäre wie das Meer ein bisschen nass zu nennen. Sie ist atemberaubend. Geradezu verzaubernd mit ihren dichten, dunklen Locken und der alabasterfarbenen Haut. Ihr smaragdgrünes Kleid bildet auf dem Boden einen kleinen Kranz um sie.

"Wie denken Sie über die momentane Lage?"
Eine gefährliche Frage. "Es war ein Schock, für jeden von uns. Das dieses Land zu so etwas fähig ist..es ist wahrhaftig grausam."

Die Königin nickt während ich, ein Abbild von Nervosität, an meinen Haaren herumfummele. Natürlich stoppe ich mich sofort selbst dabei.

Hinter uns, in der Mitte des Raumes sitzt der König nach wie vor auf dem Stuhl. Doch er hat die Hände im Schoß gefaltet und ist nach vorne gelehnt während er ausgerechnet Abelyns Worten aufmerksam lauscht. Offenbar scheint ihm zu gefallen was sie sagt denn er nickt zufrieden und erwidert etwas.

Ich sehe wie Falleen etwas äußert und sich gleich darauf versteift als Abelyn sie einfach ignoriert.
Ich kräusle meine Lippen und widerstehe der Versuchung den Raum zu durchqueren um zu hören worum es bei dem Gespräch geht und Falleen beizustehen.

"Mir ist durchaus bewusst das Sie erst eine kurze Zeit im Schloss verbracht haben, aber dürfte ich Sie fragen wie sie über die Prinzen denken?"

Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf die Königin. Ein wachsamer Ausdruck liegt in ihren Augen.

Natürlich. Sie ist eine Mutter. Eine Mutter die sich Sorgen um die Zukunft ihres Sohnes- ihres Landes macht. Instinktiv frage ich mich wie der Wettbewerb wohl für sie sein muss. Am Rand- wenn auch immer eine gewisse Präsenz besitzend.
Aber dennoch, sie muss ihrem Sohn vertrauen die richtige Wahl zu treffen, ihn entscheiden lassen, bis zu einem gewissen Grad vermute ich.

"Ich kann mit Sicherheit sagen, dass alle drei Prinzen sehr unterschiedlich sind", die Königin nickt wissend.

"Während meines Aufenthalts hier hatte ich die Ehre Aleksander und Jasper näher kennenzulernen."

Ha ha. Die Ehre.
Ich hatte wohl eher die Ehre ihre Rivalität und ihre Stimmungsschwankungen kennenzulernen.

Ich freue mich immer über Feedback!

𝐭𝐡𝐞 𝐟𝐢𝐫𝐞 𝐲𝐨𝐮 𝐬𝐭𝐚𝐫𝐭𝐞𝐝 - 𝐞𝐫𝐰ä𝐡𝐥𝐭 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt