Die Schönen und Einflussreichen dieser Welt

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Als wir den Raum verlassen und um die erste Ecke biegen, fällt all die falsche Sanftheit von meiner Mutter ab und sie mustert mich kühl, so als überlege sie noch, ob es sich überhaupt lohnen würde, ihre Worte an mich zu verschwenden und stellt dann in nachdenklichem Ton fest: "Dir gefällt es hier."

Fast wäre ich stehengeblieben. Doch ich zwinge meine Beine weiterzugehen, während ich die Augenbrauen hochziehe und den Kopf in ihre Richtung drehe.

Verzweifelt versuche ich mich an einem abwertenden Gesichtsausdruck. "Wohl eher kaum", ich versuche entsetzt zu klingen, so als wäre die Vorstellung, das ich es hier auch nur im entferntesten angenehm finden würde, unvorstellbar.

Die Lippen meiner Mutter verziehen sich zu einem schmallippigen Lächeln als ihr herablassender Blick mein Gesicht studiert.

Sie will gerade zu einer Erwiderung ansetzen, doch da ertönt hinter uns eine mir fremde männliche Stimme.

"Agatha, wie schön Sie zu sehen!"

Meine Mutter und ich drehen uns beide in die Richtung der Stimme. Ein blonder, großer Mann, ich schätze ihn auf etwa Mitte fünfzig, kommt mit großen Schritten auf uns zu.

Ein schmieriges Lächeln liegt auf seinen Lippen als er vor uns zum stehen kommt und die Hand meiner Mutter ergreift um einen Kuss auf ihren Handrücken zu hauchen.

Was zum Teufel.

Bei näherer Betrachtung des Mannes, regt sich etwas in meinem Hinterkopf doch mein Gehirn scheint mit der Situation überfordert zu sein, trotzdem versuche ich mich hektisch daran zu erinnern, wer er ist.

Er sieht elegant aus, trägt einen maßgeschneiderter Anzug und silberne Manschettenknöpfe. Dieser Mann stinkt förmlich nach Geld.

Meine Mutter, die gerade noch rechtzeitig ihr unfassbar glaubhaftes, für offizielle Anlasse geschaffenes Lächeln aufsetzt, begrüßt den Mann und blickt dann hinter ihn.

"Wo ist denn Blakely, Harrison?", fragt sie und zieht nach kurzem Zögern ihre Hand aus seiner.

"Oh, sie ist noch im Saal, aber sie wollten beide gleich nachkommen", berichtet der Mann, offenbar Harrison und lächelt.
Sein Lächeln jagt Schauer über meinen Rücken. Es wirkt entrückt, so als verstecke sich hinter seiner makellosen Entscheidung etwas Böses.

Dieser Mann ist gefährlich, schreit es in meinem Kopf.

In diesem Moment richtet sich sein Blick auf mich und er legt den Kopf leicht schief.
"Harrison Connery, darf ich Ihnen meine Tochter Avery vorstellen?"

Oh mein Gott.
OH MEIN GOTT!

Das hier ist Harrison James Connery! Der Herausgeber des Wellbron und außerdem alleiniger Besitzer dieser Zeitschrift und nicht zu vergessen einer der vermutlich einflussreichsten Geschäftsmänner des ganzen Reiches.

Es gibt Gerüchte er hege Sympathien gegenüber den Rebellen, obwohl dieser Klatsch für mich keinen Sinn ergibt. Wieso sollte einer der reichsten Männer, etwas für die Rebellen übrig haben?

Als die anhaltende Stille unangenehm zu werden droht sage ich: "Guten Abend, es ist mir eine Freude." Er sieht auf mich herab und erwidert: "Die Freude ist ganz meinerseits Avery."

Ich kämpfe gegen den Drang an, den Blick abzuwenden und mich hinter meiner Mutter zu verstecken.

"Harry, welch eine Überraschung Sie hier zu sehen!", die Stimme meines Vaters, er muss uns gefolgt sein, lässt mich zusammenzucken, sie klingt ganz anders als ich sie kenne- irgendwie bedrohlich.

Er taucht hinter uns auf und streicht betont lässig- so scheint es mir- seinen Anzug glatt.
"Ich wusste das ihre Tochter ebenfalls an diesem Casting teilnimmt, aber ich hatte nicht gedacht, Sie könnten es einrichten selbst zu erscheinen."

Ist das gerade ein Seitenhieb gewesen? Von meinem Vater? Was passiert hier?

Harrison's Blick lässt den meinen nur langsam los, bevor er zu meinem Vater sieht.

Gerade noch so kann ich ein erleichtertes Aufseufzen unterdrücken, als die Schwere seines Blickes weicht und sich vermutlich auf meinen Vater legt.

Doch dieser steht so aufrecht, wie ich ihn noch nie gesehen habe.

Harrison öffnet gerade den Mund als eine Frauenstimme hinter ihm ertönt. Ich erhasche einen Blick auf wunderschöne, schwarze Haare, die Frau trägt ein smaragdgrünes Trägerkleid und ein riesiges, silbernes Collier um den Hals.

Allein die Kette ist vermutlich teurer als mein gesamter Schrankinhalt.

"Agatha, Atticus, wie geht es Ihnen?"

Blakely Conery ist der Inbegriff des Schönheitsideals, makellos weiße, faltenlose, reine Porzellanhaut, schöne blaue Augen.

Ihr höfliches Lächeln entblößt eine Reihe blitzender, weißer  Zähne. Nachdem meine Mutter geantwortet hat, will auch ich sie begrüßen, um nicht wie eine komplette Idiotin dazustehen, als etwas hinter ihr meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Zufällig stehen wir in einem der Gänge mit den merkwürdigen Gegenständen. Etwas hinter Blakely, steht eine Grasvitrine. Darin befindet sich eine längliche Gesichtsmaske aus Holz. Die Seiten sind mit dicken weißen Streifen bemalt und die beiden Schlitze der Augen rot umrandet. Kleinere weiße Punkte ziehen sich über den Bereich der Stirn. Um den Rand der Maske herum, wurden wuschelige, weiße Federn angebracht.

Neben der Vitrine steht Eddie. Die beinahe weißen Haare lassen sie wie einen Geist aus einer vergangenen Zeit aussehen, vielleicht würde ihr die Maske sogar stehen.

Warte, wieso steht sie hier?

"Eddelyn Schätzchen, komm doch bitte mal zu uns." Eddelyn's Blick liegt auf mir, während sich ein höfliches Lächeln auf ihrem perfekten Gesicht ausbreitet.

Als würde ich ihr das auch nur eine Sekunde abkaufen.

Sie geht auf uns zu und wirkt wie ein Tiger, der sich an seine Beute heranschleicht. Lautlose Schritte, glänzende, wachsame Augen.

"Hallo Avery", ihr Ton könnte unschuldiger nicht sein.
Also lächele ich ebenfalls mein nettestes Lächeln und erwidere: "Eddie, schön dich wiederzusehen!"

Ihr Auge zuckt und ich weiß das ich mit meiner Vermutung, ihre Eltern würden diesen Spitznamen nicht gutheißen, richtig gelegen habe.

Ein kurzer Blick auf ihre Mutter, die ihre Lippen aufeinander presst und den Blick auf ihre Tochter richtet genügt.

Mein Lächeln wird breiter.

Ich lasse mich nicht von deinem einflussreichen Daddy verängstigen.

Kinda pround of this chapter

𝐭𝐡𝐞 𝐟𝐢𝐫𝐞 𝐲𝐨𝐮 𝐬𝐭𝐚𝐫𝐭𝐞𝐝 - 𝐞𝐫𝐰ä𝐡𝐥𝐭 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt