Neue Erfahrungen und alte Verhaltensmuster

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Ich versuche vergeblich, nicht an meine Eltern zu denken, während wir den Flur mit all den sonderbaren Dingen entlanggehen.
Einzig Falleen neben mir ist seltsam still, alle anderen sprühen geradezu vor kaum verhohlener Aufregung. In der Luft- über ihnen allen- liegt eine Art Vorfreude, sie dürfen nach beinahe drei Wochen ihre Eltern wiedersehen, vielleicht sogar ihre Geschwister.

Ich hingegen will das ganze einfach bloß hinter mich bringen. Es überstehen, wie ein unangenehmes aber dennoch unausweichliches Ereignis.
Es ist wie ein Damoklesschwert das gefährlich Nahe über meinem Kopf  hin und her baumelt.

Ich will es herunterreißen und damit alle meine Sorgen mit Blut besudeln.
Als würde mir das helfen...

Inzwischen sind wir vor einem der Empfangssäle mit den hohen Decken und den großen Fenstern stehengeblieben und ich schaffe es einfach nicht mein Herz zu beruhigen. Cordelia steht vor der Tür. "Bitte benehmen Sie sich angemessen. Schreien Sie nicht herum, keine überzogene Freude. Vergessen Sie nicht wo Sie sind."

Dann, ohne Vorwarnung, treten die Wachen vor und öffnen die zwei Flügeltüren, die mich noch kurz zuvor von meinen Eltern getrennt haben.
Ich stehe weit hinten, deshalb dauert es einige Zeit bis auch ich freie Sicht auf das Rauminnere habe.
Als wir den von Sonnenlicht durchfluteten Raum betreten, halte ich Ausschau nach meinen Eltern.

Sobald die anderen Kandidatinnen jedoch ihre Eltern erblicken, ist das Gesagte schnell wieder vergessen, ich glaube West ist die erste die sich aus der Gruppe löst und auf eine Frau mit den gleichen umwerfenden Haaren zurennt. Danach ist der Bann gebrochen und immer mehr Mädchen fliegen ihren Eltern in die Arme.

Ellory hat die Arme um einen kleinen Jungen geschlungen, bei ihm muss es sich wohl um ihren Bruder Finn handeln. Sie hat mir von ihm erzählt als wir uns eines Abends Bettfertig gemacht haben.
"Er ist sehr schüchtern und redet nicht gerne mit Fremden", das hatte sie gesagt.

Dann sehe ich sie.
Meine Mutter steht, in ihrer feinsten Robe, einem burgunderfarbenen und ärmellosen, herzförmig ausgeschnittenen Kleid, neben meinem hageren Vater. Es kommt mir so vor als habe er inzwischen noch schüttereres Haar als an dem Tag an dem ich ihn das letzte mal gesehen habe.

Natürlich sind beide ihrer Blicke bereits auf mich geheftet. Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen, während ich mich auf die Wand hinter ihnen konzentriere. Dort hängt ein Bild. Die Tanzklasse von Edgar Degas.

Tatsächlich ist es eines der Bilder von denen die ich kenne. Edgar Degas durfte für sein Werk hinter die Kulissen sehen- so malte er nicht etwa eine pompöse Vorführung, sondern den ungetrübten und - wenn man so will- ungeschminkten Alltag.

Das Bild enthält die spontanen, natürlichen und unwichtigsten Gesten, die Augenblicke der Rast, wenn die Konzentration nachlässt und der Körper sich nach den anstrengenden, harten Übungen entspannt.

Es geht eine Art Ruhepol von dem Bild aus, etwas routinemäßiges, etwas, das mich unerklärlicher Weise beruhigt, als ich vor meinen Eltern zum Stehen komme. Mein Vater betrachtet mich ein mal von oben bis unten, so als suche er nach Veränderungen in meiner Erscheinung, als wäre das Mädchen, dass vor ihm steht vielleicht zu einer Fremden geworden.
"Avery, mein Schatz."

Meine Mutter lächelt schmallippig und hebt die Hand um sie auf meine Wange zu legen, Ich stehe da und lasse es zu. "Wie geht es dir?" Da hebt mein Vater endlich den Blick und sieht mich direkt an.

"Mir geht es gut."

Wären sie nicht mehr so begeistert von ihrer Idee mich gegen meinen Willen für ihre eigennützigen Ziele in einen Wettbewerb zu schicken, wenn ich ihnen sagen würde, dass es mir hier entgegen aller Wahrscheinlichkeit gefällt?

"Wir haben jeden Bericht genau verfolgt und alle Artikel gelesen, du bist die Favoritin!", noch nie habe ich meine Mutter derart aufgeregt erlebt. Offensichtliche... öffentliche Freude hat sie immer abgelehnt. Sie war immer die perfekte Erscheinung einer ruhigen aber bestimmten Dame. Die Tatsache, dass sie gerade tatsächlich andere Emotionen zeigt, als ein einfaches Kopfnicken um zu bestätigen das man etwas, das ihren Wünschen entsprach gemacht hat, bestätigt mir, das sie es nicht erwartet hat. Und das tut hundert Mal mehr weh als all ihre Taten der vergangenen Jahre. Das habe ich nicht erwartet.

Doch ich halte den Kopf hoch erhoben und erwidere scheinbar entspannt: "Letztendlich ist es aber die Entscheidung des Prinzen wer-", schon wischt meine Mutter meinen Kommentar mit einer nachlässigen Handbewegung bei Seite und fährt fort: "Alle im Dorf haben gesagt wie hübsch du doch bist und ich habe gehört das manche der bereits ausgeschiedenen Kandidatinnen schon Heiratsanträge erhalten haben!" Der Blick meiner Mutter sprüht beinahe Funken, so voller Tatendrang ist sie.

Mein Vater steht bloß daneben und überlässt es seiner Frau das Gespräch zu führen.

"Wie ist es im Palast? Du weißt doch sicher bereits wer der drei der Prinz ist oder meine Liebe? Ich will mich nicht versehentlich bei dem Falschen nach dir erkundigen."

Ihre Worte treffen mich wie ein Schlag. Ich versuche gedankenlos zu bleiben, doch der Gedanke nicht zu denken ist schon gedacht.

"Feel like this chapter got kinda cheesy." That's what my friend said.
Too much drama.

𝐭𝐡𝐞 𝐟𝐢𝐫𝐞 𝐲𝐨𝐮 𝐬𝐭𝐚𝐫𝐭𝐞𝐝 - 𝐞𝐫𝐰ä𝐡𝐥𝐭 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt