Unverhofft kommt oft

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Während die Königin weiter im Saal umherstreift und sich nach und nach mit jeder Kandidatin unterhält, sitzt der König einfach da, auf seinem Stuhl und lässt die Mädchen zu ihm kommen. Es ist ja nicht so als ob er sich groß anstrengen müsste um eine Gesprächspartnerin zu finden, denn jedes andere Mädchen hängt an seinen Lippen als wäre er ein Gott. Nun ja.. ich denke das ist Ansichtssache.

Gerade spricht Lenora mit der Königin, als es an der Tür klopft. Der König hebt den Blick und erlaubt mit gebieterischer Geste und einem knappen: "Herein", den Eintritt.

Die Tür öffnet sich und zwei Bedienstete in marineblau und mit ausdruckslosen Gesichtern betreten den Raum, verbeugen sich und stellen die Tabletts vollgefüllt mit Speisen auf den niedrigen Tisch auf des Königs rechter Seite. Eine Frau, vielleicht vier Jahre älter als ich, bleibt vor mir stehen. Ich starre sie an und sie knickst vor mir und streckt ihre Hand in meine Richtung aus. Das gefaltete Stück Pergament, das die Frau mit den Fingern umschlossen hält besitzt die selbe Farbe wie ihre blasse Haut.

Etwas verwirrt nehme ich es entgegen und bedanke mich so schnell wie möglich bei ihr, ich bin schließlich nicht sonderlich erpicht darauf, die Aufmerksamkeit der anderen Kandidatinnen auf mich zu ziehen.

Vielleicht ist es ein Brief von meinen Eltern, überlege ich fieberhaft während ich es auseinanderfalte.

Ihre Eltern, sowie Ihre Verwandtschaft sind wohlauf und in bester Gesundheit. Sie ließen ausrichten wie sehr sie sich freuten Sie in Bälde zu sehen und wie stolz sie auf Sie seien.

Nun, dieser Brief ist mit Sicherheit nicht von meinen Eltern.

Ich sehe auf, direkt in die Augen des Königs. Er sitzt nach wie vor auf dem Sessel, hat die schlanken Beine übereinander geschlagen und beobachtet mich. Als sein Blick zu dem Zettel in meinen Händen wandert, breitet sich ein unerwarteter Ausdruck von Ärger auf seinem Antlitz aus.
Hastig verstecke ich ihn in einer Falte meines Rocks doch da ist es bereits zu spät. Als ich wieder in seine Richtung sehe, ist er schon aufgestanden und hat den halben Raum durchquert.
Verwirrt blicke ich ihm nach als das Personal und alle, die gerade stehen sich verbeugen, die Königin folgt ihm wortlos mit hoch erhobenen Kopf.

Zum Teufel, was war das gerade?

Habe ich mir den Ausdruck auf des Königs Gesicht bloß eingebildet oder war es tatsächlich eine Reaktion auf Aleksanders Nachricht? Und wie hat Aleksander überhaupt so schnell meine Eltern kontaktieren können. Vermutlich gehört das zu den Privilegien seiner Position.

Die anderen Kandidatinnen sowie das Personal werfen sich verständnislose Blicke zu. Ich verziehe das Gesicht. Gerade erhebe ich mich um zu dem Tisch, mit den angerichteten Speisen zu gehen, da begegne ich Abelyns Blick. Die schlanke Blondine sitzt nach wie vor neben dem leeren Stuhl des Königs und betrachtet mich mit beunruhigender Intensität. Seit meines... Unfalls haben wir und so gut es eben ging ignoriert und somit nicht ein Wort miteinander gewechselt- nicht das wir davor sonderlich viele nennenswerte Gespräche gehabt hätten.

Ihre Augen scheinen Funken zu sprühen, wenn ich nicht aufpasse verbrennen sie mich vielleicht.
Ich hebe den Kopf an und kneife die Augen etwas zusammen.

Soll sie doch kommen.

Zu meiner Überraschung wendet sie das Gesicht ab und fummelt an dem Saum ihres Kleides herum.
Es wundert mich, Falleen neben ihr zu entdecken. Das wunderschöne Mädchen sitzt zurückgelehnt auf dem Stuhl und beobachtet, das Gesicht lässig in ihrer Handfläche ruhend und den Arm auf die Lehne des Stuhls gestützt, die Hand in der ich immer noch den Zettel halte.
Irgendetwas an ihrem Gesichtsausdruck kommt mir seltsam vor doch ehe ich es benennen kann, erscheint ein kleines Lächeln auf ihren Lippen. Dann dreht sie sich um und beginnt ein Gespräch mit Scarlett, die neben ihr sitzt.

Die Stirn gerunzelt, trete ich schließlich zu dem Tisch, der mit Essen bedeckt ist. An ihm steht bereits Ellory und beäugt mit unschlüssiger Miene einen der Teller, auf dem jemand goldenes Rührei neben einer Schale mit Salat aufgetürmt hat. "Hast du schon mit der Königin gesprochen?", frage ich, als ich nahe genug bei ihr stehe. Sie zuckt kurz zusammen, entspannt sich jedoch gleich wieder und nickt während sie schließlich die Hand nach dem Rührei ausstreckt.
Sie tut sich etwas davon auf den Teller.

"Und?", harke ich so beiläufig wie möglich nach.

"Sie ist so großartig! Eine starke Frau die genau weiß, welche Fragen sie stellen muss um einem auf den Zahn zu fühlen", ihre Begeisterung steht ihr offen ins Gesicht geschrieben und erhellt beinahe den Raum.

"Es ist unvorstellbar, das eine von uns in ihre Fußstapfen treten soll."
Ich nicke.

Gerade als ich mir doch etwas von dem Rührei nehmen will, betritt Cordelia den Raum.

"Die Ergebnisse Ihrer Tests stehen nun bereit, bitte folgen Sie mir. Die drei Hochwohlgeborenen werden wir vor Ort treffen."

So schnell wie sie gekommen ist, verschwindet Cordelia auch wieder und wir haben unsere Mühe, zu ihr aufzuschließen.
Irgendwie hat es Abelyn geschafft als erste an der Tür zu stehen. Vielleicht hat sie jemanden ein Bein gestellt. Der zynische Teil von mir bringt mich dazu es ernsthaft in Erwägung zu ziehen.

Ich lande neben West. Das türkise Kleid schmiegt sich perfekt an ihre Kurven und bildet einen wunderschönen Kontrast zu ihrer dunklen Haut.

"Sieht toll aus nicht? Meine Zofen wirken wahre Wunder!", verkündet sie mir mit einem kleinen Lächeln als sie meinen Blick bemerkt. Ich erwidere ihr Lächeln zögerlich. "Das glaube ich dir aufs Wort, meine Zofen sind einfach Engel", sie nickt zustimmend und streicht sich eine dunkle Locke ihrer wallenden Haare, welche eigentlich von einem passend türkisen Haarreif in Zaum gehalten werden aus dem Gesicht.
"Schöne Haare", sage ich.
"Schöne Augen", sagt sie.

Es ist ein vollkommen aufrichtiges Lächeln, das sich jetzt auf meine Lippen legt.

Letztendlich stehen wie wieder in demselben Raum in dem wir den Test geschrieben haben.

Henry, Aleksander und Jasper sitzen, wie das Mal davor auch, in der hintersten Reihe und wirken wie perfekte, griechische Götter während wir, fehlerbehaftet wie wir nun einmal sind, nicht annähernd diese Vollendung besitzen. Doch meinen Erfahrungen nach, trügt der Schein öfter als gedacht und so rede ich mir ein das ihre Vollkommenheit bloß oberflächlich ist.
Es bedeutet nicht das ihr Inneres genauso schön ist.
Das ist es selten.

I'm alive.

𝐭𝐡𝐞 𝐟𝐢𝐫𝐞 𝐲𝐨𝐮 𝐬𝐭𝐚𝐫𝐭𝐞𝐝 - 𝐞𝐫𝐰ä𝐡𝐥𝐭 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt