Innere Unruhe

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"Ja, es ist alles wunderbar, dieser Saal ist so wunderschön. Das ganze Fest ist es", antworte ich mit einer wagen Geste die den ganzen Raum einschließen soll.

Er nickt und lächelt. "Das freut mich."
Ich lächle nicht zurück. Das scheint er zu registrieren und runzelt kaum merklich die Stirn. "Sind Sie immer so still oder nur in meiner Gegenwart?", er hält meinen Blick gefangen und ich schlucke und hebe den Kopf etwas an. "Nein, ich bin lediglich etwas müde das ist alles", weiche ich seiner Frage aus. Es ist keine Lüge. Ich bin tatsächlich erschöpft und würde eigentlich gerne etwas Schlaf nachholen. Jedoch scheint es als würde dieser Ball nicht so schnell enden.

Ich hebe das Glas an die Lippen und trinke einen kleinen Schluck der prickelnden Flüssigkeit. Mein Blick gleitet zurück zu Ellory. Sie steht neben Henry und zwei anderen Kandidatinnen. Aleksander kann ich nirgendwo ausmachen- nicht das ich nach ihm Ausschau halten würde. Vermutlich ist er auf der Tanzfläche. "Auch wenn die Nacht noch jung ist verstehe ich es durchaus, ihr Aufenthalt im Schloss ist ziemlich durchgetaktet und es ist sicherlich nicht leicht in einem anderen Bett zu schlafen."
Ich betrachte ihn eine Weile. Er verwirrt mich, genau so wie Aleksander. Ich habe gedacht die Prinzen wären weinerliche, unerfahrene Wesen, mit einem zu großen Ego. Nun, wenigstens hat sich letzteres eindeutig als richtig erwiesen.

"Mein Bett zu Hause ist nicht annähernd so weich und elegant wie das im Schloss", das ist gelogen.
"Wie ist es so in Ihrer Heimatstadt?", er sieht vollkommen entspannt aus, während ich vermutlich völlig verkrampft wirke. Ich streiche mir eine Haarsträhne hinters Ohr und suche nach einer passenden Erwiderung. "Es ist im Vergleich mit den anderen Städten eher ein Dorf als eine Stadt. Wir haben aber dennoch einen kleinen Marktplatz auf dem die Dorfbewohner frische Lebensmittel oder feine Stoffe verkaufen."

"Und Ihre Eltern? Besitzen sie auch einen Stand auf dem Platz?"

Ich will gerade einen weiteren Schluck aus dem hohen, schlanken Glas nehmen, halte dann aber mitten in der Bewegung inne.
Eine Sekunde später habe ich mich wieder gefasst und führe das Glas zum Mund.

Nachdem ich mir mehr Zeit beim trinken gelassen habe, als eigentlich notwendig, antworte ich mit gefasster Stimme: "Mein Vater ist im Stoffhandel beschäftigt, jedoch verkauft er überwiegend an Städte wie Sunnort."

Jasper schweigt eine Weile, dann sagt er: "Ihr Vater ist wohl nicht oft zu Hause wie es scheint", ich nicke scheinbar ungerührt. Meine Maske verrutscht keinen Zentimeter. In meinem Inneren jedoch, wütet ein tosender Sturm, der nicht nur meine Emotionen durcheinander wirbelt, sondern auch meine Gedanken. Wie Blätter an einem frischen Herbstrag.
Ob meine Mutter Aleksanders überraschendes...Interesse an mir zeitgleich mit angesehen hat?

Einatmen.
Ausatmen.
Ganz einfach Avery.

Nach Außen wirke ich gelassen- gefasst. Niemand bemerkt meinen inneren Aufruhr.
Ich nehme noch einen Schluck und ehe ich mich versehe habe ich das Glas geleert. Jasper bietet an, mir ein weiteres zu holen, doch ich lehne ab.
Die Musik schlägt um und ein schneller, aufbrausender Takt klingt in meinen Ohren und veranlasst mich zu noch größerer Unruhe. Mein Herz donnert gegen meine Brust und ich versuche nicht allzu auffällig nach Luft zu schnappen.
"Wir haben das Glück einer festen Einnahmequelle, doch viele der anderen Dorfbewohner überleben nur dank den wenigen reichen Familien. Die reicheren stellen manchmal die ärmsten Familien unseres Dorfes als Putz- oder Hilfskraft ein. So können sich die ärmeren Familien wenigstens etwas zu essen leisten." Die Bitterkeit in meiner Stimme kann ich nicht verstecken.

Ich erkenne tatsächlich etwas wie Mitleid auf Jaspers Antlitz und verdränge den aufkommenden Ärger, der meinen Worten geschuldet ist schnell wieder.
Unschlüssig was ich sagen soll, stehe ich vor ihm und starre auf mein leeres Glas.

Er sollte sich besser mit jemandem anderen unterhalten. Gerade als ich das denke sehe ich Falleen in meiner Nähe. Ich winke ihr zu und hoffe das sie sich zu uns gesellt damit ich unbemerkt verschwinden kann. Sie bemerkt uns und kommt auf uns zu. Jasper folgt meinem Blick und verzieht ganz leicht den Mund, eine Geste die ich nicht bemerkt hätte, hätte ich nicht in dem Moment zu ihm gesehen.

Doch dann tritt wieder das Grinsen auf sein Gesicht. Ich ziehe die Brauen zusammen und wende mich an Falleen. Diese lächelt Jasper an, offenbar ist es ihr nicht aufgefallen. Ich entschuldige mich mit dem Vorwand noch etwas essen zu wollen und wende mich in Richtung Buffet. Dort angekommen gleiten meine Augen über die überwiegend unangetasteten Speisen. Vielleicht wurden sie aber auch von dem nahezu unsichtbaren Personal nachgefüllt.
Ich entdecke Brote mit einer Scheibe Mozzarella und Tomatenwürfeln darauf.
Grinsend lade ich mir drei davon auf den Teller. Während ich eines der Brote in die Hand nehme schweifen meine Gedanken zu der morgigen Entscheidung. Trotz Aleksanders überraschenden Interesses, bin ich nach wie vor der Meinung das dies mein letzter Abend im Schloss sein wird. Es gäbe jedoch die Möglichkeit, dass Jasper der Prinz ist und er sich für mich einsetzt. Doch wenn er nicht der Thronfolger ist, wird seiner Meinung vermutlich nicht so viel Gewicht beigemessen werden, wie der des Prinzen. Und wenn nun Henry der Prinz ist?

Mein Kopf dröhnt und ich weiß nicht ob dies von dem einen Glas Alkohol oder den Überlegungen herrührt.

𝐭𝐡𝐞 𝐟𝐢𝐫𝐞 𝐲𝐨𝐮 𝐬𝐭𝐚𝐫𝐭𝐞𝐝 - 𝐞𝐫𝐰ä𝐡𝐥𝐭 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt