1 -Finally-

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"Once you choose hope, anything's possible."
― Christopher Reeve

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„Endlich" sagte Mae und stieg zwischen der Menschenmasse aus dem Zug. Ihr Blick ging von rechts nach links und überprüfte ihre Umgebung. Sie war schon immer sehr vorsichtig gewesen und vor allem jetzt, hier in einer Großstadt, wo sie noch nie war, meldeten sich ihre Instinkte, wie noch nie zuvor, obwohl sie die doch zu gerne ablegen würde. Ihre Angst. Ihre Angst vor dem Ungewissen. Aber sie wusste was sie hier wollte und hatte ein Ziel Ende dieses Sommers. Ihre faszinierenden giftgrünen Augen gingen von einem Kopf zum nächsten, aber es waren deutlich zu viel Menschen, um sich von jedem ein Bild zu machen. Ihre Ohren nahmen alles auf, das Geschrei der drei kleinen Kinder die von einer viel zu überforderten Mutter zurecht gewiesen wurden, das schwachsinnige Gerede von betrunkenen die auf einigen Bänken saßen und wahrscheinlich nicht nur eine Droge zu sich genommen hatten, das klackern der High Heels einer anmutigen Geschäftsfrau mit Aktentasche in der Hand, ein alter Opa der vollkommen aus der Welt gerissen war und so verloren in der Masse wirkte wie ein einziges Boot auf dem weiten offenem Meer, ein junges Mädchen, vielleicht zwei, drei Jahre jünger als sie selber, welche lautstark, in einer sehr ausgefallen Sprache am Handy mit einer vermeintlichen Freundin diskutierte und viele mehr. Mit einer schweren Reisetasche, die sie sich über die Schultern geworfen hatte, drückte sie sich aus der Menschenmasse heraus und suchte sich einen etwas ruhigeren Ort. Mit einem Schnauben ließ Mae, die bis zum Anschlag vollgestopfte Tasche, von ihrer Schulter runterrutschen und ließ sich auf eine der Eisenbänke fallen. Ihre Beine wurden von den kühlen Eisenstäben gekühlt und sie zuckte kurz zusammen. Es war genau so heiß hier wie in ihrem Heimat Dorf, aus dem sie geflüchtet war, geflüchtet vor ihrer Familie und ihrem Alltag, vor ihren Problemen und ihren Sorgen, vor ihrer Trauer und dieser Ungewissheit, die doch so eine Angst in ihr hervor ruf. Aber sie würde hier und jetzt ihre Ungewissheit ablegen und einen Sommer erleben, den sie so noch nie erlebt hat. Mae wollte diesen Sommer lang im Moment leben, sich einen Dreck um die Zukunft schären, auf zu wachen und nicht zu wissen was der Tag bringt, die Zeit zu genießen und alles um sich herum zu vergessen. Und genau hier fängt es schon an.

Im Zug hatte sie sich nach ein paar Pensionen umgeguckt, aber für die meisten hatte sie nicht das nötige Geld zur Verfügung. Keine Ahnung wo sie heute unterkommen würde. Alle ihre Instinkte werten sich dagegen. Fahr zurück, das ist doch dämlich was du machst! Noch kannst du zurück! Zurück und in die Sicherheit! Mae riss sich aber zusammen und holte ihr Handy, auf dem sie ihre Eltern und alle ihre Freunde blockiert hatte, aus ihrer Hosentasche raus. 15:34 Uhr zeigte ihr das schwach beleuchtete Display an und auf ihrem Sperrbildschirm sah man sie und ihre einjährige ältere Schwester. Ruby. Der Streit mit ihr ging Mae einfach nicht mehr aus dem Kopf und jetzt war sie hier, in Köln, der absoluten Lieblingsstadt von ihrer Schwester. Ruby hasste ihr Dorf und war froh sobald sie daraus konnte. Ein Lächeln kam Mae über die Lippen. Sie vermisste ihre Schwester und hoffte sie könne sich bald wieder entschuldigen und sie in die Arme nehmen. Mae vermisste sie. Sehr. Und eigentlich sollte Ruby jetzt an ihrer Seite sitzen.

Entschlossen, packte Mae ihr Handy wieder weg, warf sich ihre Reisetasche wieder über die Schulter und stand auf. Sie steuerte die nächste Rolltreppe an, die sie wieder ans Tageslicht führen würde. Die seitlichen Blicke einiger Männer auf ihren Rock, spürte sie förmlich auf ihrer nackten Haut. Unbehaglich zog sie ihren Rock ein bisschen nach unten und strich ihn glatt. Wie Mae sowas hasste. Diese widerlichen Blicke und als wäre das alles nicht schon genug pfiff ihr jemand hinterher. Sie spannte sich noch mehr an, als sie nicht ohne hin schon war und beschleunigte ihre Schritte. Als sie schließlich auf einer der Stufen der Rolltreppe stand, drehte sie sich nochmal um und blickte zurück auf den Bahnstieg. Die Menschenmasse hatte sich aufgelöst und jeder ging nun seinen eigenen Weg, mit seinem eigenem Leben, seinen eigenen Gedanken, seinen eigenen Sorgen und Problemen. Der Gedanke daran, dass jeder Mensch eine eigene Geschichte hat, was mit immer anderen Mind-Sets verbunden ist, faszinierte Mae absolut. Wie laut es wohl hier wäre wenn jeder seine Gedanken aussprechen würde? Man würde sich selber nicht mehr verstehen und es würde einen riesen Lärm geben. All diese Gedanken auf einem Haufen. Mae schüttelte sich einmal kurz und kam in die „reale" Welt zurück. Sie blickte nach vorne und sah langsam das grelle Tageslicht auf sie zukommen.

Als Mae aus dem Bahnhof herauskam, dreht sie sich einmal im Kreis und hielt sich an ihrer Reisetasche fest. Wow. Sie war zwar öfters in Berlin unterwegs aber trotzdem: die vielen Menschen, Gebäude, Schilder und Autos ließen sie sehr schnell, sehr klein fühlen. Die Unsicherheit stieg wieder in ihr hervor und gewann bei nahe die Überhand. Mae machte schnell ein paar Schritte vorwärts und rempelte ausversehen einen Mann an. Verärgert blickte er zu ihr und ließ einen abfälligen Kommentar von sich. Schnell blickte Mae weg und suchte nach einem Schild. Sie hielt sich die Hand über die Augen und ihr Blick ging über die verschiedenen Pfeile, welche in verschiedene Richtungen zeigten- und da war es Innenstadt. Konnte doch nicht schaden sich sein erstes kleines Ziel zu setzten. Sie guckte in die Richtung wo hin der Pfeil zeigte und machte sich auf den Weg. Die Sonne brannte auf ihrer Haut und schnell entschied sie sich dazu aus dem vorderem Fach ihrer Reisetasche, ihre schwarze Sonnenbrille hervor zu holen und auf zusetzten. Zum Glück musste sie jetzt nicht mehr ihre Augen zusammenkneifen und konnte sich vernünftig umsehen. Diese vielen Menschen war sie gar nicht gewohnt und überhaupt alles hier. Mae hatte den Sommer über auf jeden Fall genug zu tun. Ihr Blick weitete sich als sie den Rhein sah. Ruby hatte ihr ständig davon erzählt wie schön die Abende gewesen waren, die sie mit ihren Freunden am Ufer vom Rhein erlebt hatte. Ihre Augen funkelten und strahlten immer wie der hellste Stern am Nachthimmel, wenn sie darüber sprach. Mae lief die Brücke entlang und ein leichter Windstoß, der an diesem heißen Tag extrem gut tat, kam ihr entgegen. Sie blieb stehen und guckte auf den Fluss hinunter. Die Sonne ließ das Wasser glitzern und in einem hellen Blau erstrahlen. Der Wind wehte ihr die dunkelbraunen brustlangen Haare nach hinten und ließ Mae lächeln.

Dieser Sommer sollte unvergesslich werden.

Her Name Was Mae - An Unforgettable SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt