PROLOG

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Vor einem Jahr

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Vor einem Jahr

Wir waren Teenager, die sich in ihren Träumen verloren hatten. Wer hätte gedacht, dass unsere Träume uns in den Tod führten?

Die alten Gänge wurden durch den Vollmond, der durch die hohen Fenster schien, erhellt. Die antiken Büsten warfen Fratzen an die nebenliegenden Wände. Nachts durch ein unbeleuchtetes Internat zu rennen, war unheimlich. Man konnte nie wissen, was sich in den Nischen befand und wer in der nächsten Ecke wartete. Jede Sekunde konnte eine morsche Latte meine Anwesenheit verraten.

Aber über die Jahre, die ich schon am Internat war, studierte ich das Gebäude. Jeder Gang, jeder Trakt und jeder Turm war mir bekannt. Ich wusste, wohin ich treten durfte und was mich der Aufsicht verraten wird.

Die Tür zum Sekretariat war aufgeschlossen. Ich durchquerte den Raum, um in das Lehrerzimmer zu gelangen.

Mein Ziel war mir stets vor Augen. Würde ich es später bereuen? Bestimmt, aber meine Hoffnung lag an den Dokumenten, die ich suchte. Eloise war diejenige, die mir aus Verzweiflung half. Wenn sie nicht war, wäre ich in diesem Moment aufgeschmissen gewesen.

Am liebsten wäre ich auf der Stelle umgedreht, aber ich darf nicht auf mein Bauchgefühl vertrauen. Denn die Angst, die für diesen paar Sekunden anhielt, konnte vergehen. Später war sie nicht mehr spürbar, bereits dann hatte ich sie verdrängt.

Insgeheim gestand ich mir ein, dass es so typisch für mich war und, dass ich mich nie ändern werde.

Ein weiteres Mal in dieser Nacht schob ich meine Zweifel beiseite. Immer wieder redete ich mir ein, dass es sich lohnen wird. Mein späteres Ich wird mir danken, dachte ich. In meinem Kopf malte ich mir aus, wie mein zukünftiges Leben aussehen könnte. Vor meinem inneren Auge flatterte ein Film von Erfolg, Liebe und Geld vorbei.

Orientierungslos irrte ich durch das Lehrerzimmer. Nirgends konnte ich den Aktenschrank sehen, den Eloise mir ausführlich beschrieben hatte. Zu meinem Unglück durfte ich das Licht nicht brennen lassen, denn dann würde meine Deckung auffliegen. Dafür musste der mit Wolken bedeckte Mond ausreichen.

Es wäre mir einfacher gefallen, wenn die Lösungen der Klausuren direkt vor meinen Füßen liegen würden. Doch das Universum hatte sich gegen mich verschworen!

Bevor meine Gedanken meinen Geist vollkommen übernahmen, beschloss ich, dass ich alle drei Schränke durchsuchen werde.

Als ich mit dem ersten Schrank durch war, überkam mich der Frust. Tränen stiegen in meine Augen. In den Naturwissenschaften werde ich versagen und müsste dann nach Dublin zurück. Ich müsste in eine öffentliche Schule. Der Gedanke ekelte mich an mit tausenden von anderen Schülern eine Cafeteria teilen zu müssen.

Mein Blick huschte hektisch über die beiden anderen Aktenschränke. Ich ging in die Hocke, um die anderen Stapel noch weiter zu durchsuchen. Man konnte doch nicht so zerstreut sein! War es so schwer Papiere auf dem zugeteilten Schrank liegenzulassen?

Die Tränen, die ich unterdrücken versuchte, vernebelten die Sicht auf die Aktenstapel, die hoch zur Ablage des Schrankes reichten. Als ich meine Hände vom Boden nahm, verlor ich das Gleichgewicht und fiel zurück. Dabei riss ich mehrere Aktenstapel mit. Mit einem langen gedehnten Ton glitten sie den langen Boden entlang. Fuck.

Durch die dünnen Wände hörte ich, wie schnelle Schritte den Gang hinuntereilten. Ein Aufseher musste mich gehört haben.

Aus blanker Panik rappelte ich mich auf und stapelte die Akten aufeinander. Ein großes Kuvert fiel mir in die Augen. Das müssten die Lösungen sein! Schon mehrere Male habe ich Mrs. Murphy mit solchen Kuverts gesehen. Da konnte es nicht fern liegen, dass es die Lösungen für Naturwissenschaften waren.

Die Schritte kamen immer näher. Ich hörte wie die Nachtwache die Tür zum Sekretariat öffnete. In mein Blickfeld fielen die nicht zugezogenen Vorhänge. Ohne einen weiteren Gedanken an die vielen Akten, die den Boden übersäten, eilte ich zu einem der dunkelblauen Vorhängen.

Mein Rücken an die Wand gedrückt und meine Hände, die sich in den muffigen Vorhang krallten. Ich hatte Angst. Wenn ich entdeckt wurde, dann ist es mein schulisches Aus. Oxford wird ein Tagtraum sein, während ich mit Essig getränkten Salat in einer muffigen Cafeteria esse.

Der Lichtschalter geht an und meine Augen mussten sich zuerst an die Helligkeit des Raumes gewöhnen. Durch den Vorhang konnte ich vernehmen wie die Nachtwache immer weiter voranschreitet. Gleich musste er bei mir sein!

Ich höre meinen Herzschlag in den Ohren und mein Atem ist kaum überhörbar. Ich hielt die Luft an, damit man mich nicht hören konnte. Der Mond schien mir in den Rücken und ließ weiter Licht in das Lehrerzimmer fallen.

Die quietschenden Sohlen auf dem Fliesenboden entfernten sich von mir. Ein Klicken, woraufhin das Licht ausging. Ich war endlich allein. Als ich die Sekretariats-Tür zufallen hörte, konnte ich endlich wieder nach Luft schnappen.

Die Panik, die mich wenige Minuten zuvor überkommen hatte, ließ nun von mir ab. Das Einzige, was ich noch zu tun hatte, war aus dem Gebäude zu verschwinden und zurück in das Wohnhaus zu gehen. Denn es war nicht sicher eine Nacht im Schulgebäude zu verbringen.

Ängstlich schälte ich mich aus dem Vorhang. Das Lehrerzimmer und der Stapel von Akten lagen dunkel vor mir. Die Anspannung fiel von mir ab.

Jetzt stand Oxford und mir nichts im Weg.

Achtlos huschte ich an den Dokumenten, die weit über den Boden verstreut waren, vorbei. Den Briefumschlag fest umklammert in meiner Hand, ließ ich das Lehrerzimmer hinter mir.

Wenn ich gewusst hätte, was sich in dem Kuvert befindet und gewusst hätte, dass es mich den Tod kosten wird, hätte ich es verbrannt.

So ließ ich mich auf den Teufel ein, ohne zu wissen, was sich tatsächlich in dem Kuvert befand. 

MONDLICHTGEWITTERWo Geschichten leben. Entdecke jetzt