FÜNF

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Vor einem Jahr

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Vor einem Jahr

Das Kuvert glitt durch meine Finger. Mit meinem Zeigefinger malte ich Kreise über das Papier, dann drehte ich es zur Öffnung um.

Oben an der Aufmach-Lasche stand: MEINE GEDANKEN SIND LAUT; ABER IHR BLEIBT LEISE.

Schlagartig musste ich in mich hinein grinsen. So Etwas hätte ich auch mein verzweifeltes 14-Jähriges-Ich schreiben können. Den Hang zur Dramatik entdeckte ich früh und bis heute hatte er sich nicht gelegt.

Jedoch beschlich mich das Gefühl, dass es nicht die Lösungen für die Französisch-Klausuren waren. Es musste etwas anderes sein und so persönlich, dass es unter ein paar Akten versteckt werden musste. Ein Lächeln huschte über meine Lippen.

Ich steckte mitten in einem Geheimnis, das ich lösen musste. Die Lösung des Rätsels wird mich bestimmt zu dem verzweifelten Mädchen oder Jungen führen, der sich ungerecht behandelt fühlte. Dann wenn ich ihn oder sie gefunden hatte, konnte ich ihnen sagen, dass diese Phase ein Ende finden wird.

Das Kuvert hätte ich bereits im Lehrerzimmer öffnen sollen, dann wäre mir dieses Missgeschick nicht passieren können. Jetzt hatte ich kaum noch Zeit mich dorthin zu schmuggeln. Denn im Auswendiglernen war ich viel schneller als im eigentlichen Lernen. Und in den kommenden zwei Tagen hätte ich die dreiseitige Lösung in meinem Kopf. Aber noch eine weitere Nacht an einen Einbruch zu verschwenden? Mir fehlte die Zeit dafür!

Doch die Neugier vor dem, was kommen wird, besiegte mich schließlich doch. Wenn es eine Person ist, die wirklich in Gefahr schwebt und ich ihr verweigere zu helfen, nur weil ich nicht die Lösungen hatte, war falsch.

Mein Blick fiel wieder auf das recycle-braune Papier. Der Text wurde mit tiefschwarzer Tinte geschrieben, die zu flüssig war und hinunterlief, bis sie sich am Rande der Öffnung sammelte.

Mein beringter Zeigefinger fuhr seitlich durch das Papier, bis ich bereits so viel aufgerissen hatte, dass ich in das Kuvert hineinschauen konnte.

In dem Umschlag befanden sich sechs Papier Heftchen, die jeweils mit einer Büroklammer zusammengehalten wurden. Ich lugte weiter hinein, aber ich sah nichts weiter.

Den vordersten Stapel zog ich heraus. Auf dem Deckblatt klebte ein neon gelbes Post-It, worauf eine dicke rote eins eingekreist war.

Anscheinend hatte ich alles richtig gemacht und den korrekten Stapel gewählt. Trotzdem war mir das alles etwas zu suspekt für einen verzweifelten Teenager. Wer sich die Mühe machte für jeden Stapel ein Deckblatt zu drucken meinte es ernst.

Es sah überhaupt nicht so aus, als würde es Mrs. Murphy gehören. Vielleicht benutzte jemand gerne dieselben Umschläge wie sie. Ausschließen durfte man nichts. Soweit ich wusste, hatte Mrs. Murphy eine Tochter, aber ich hatte keine Ahnung wie alt sie war. Womöglich hatte sie schon ihren Abschluss und studiert irgendwas Nichtssagendes, um in ein paar Jahren in das Internat zu kommen und die nächste elitäre Generation zu unterrichten.

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