ACHTUNDZWANZIG

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,,Wann hast du Imogen zuletzt gesehen? Welchen letzten Augenblick habt ihr euch geteilt?"

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,,Wann hast du Imogen zuletzt gesehen? Welchen letzten Augenblick habt ihr euch geteilt?"

Victoria war eine von den vielen Stimmen, die den Raum erhellten. Der Krach jeden Mittag war so unglaublich laut.

Ich musste mich an die Erinnerung klammern. Den letzten Atemzug, den ich mit Imogen getan hatte. Die wenigen Gedanken, die ich an damals noch aufrief.

,,Wir hörten Musik in unserem Zimmer."

Vor meinem inneren Auge lief ein Film von dem Abend ab. Wir holten uns etwas aus der Cafeteria und aßen es auf unserem Zimmer.

Danach legten wir jeweils unser Pizzabrot zur Seite und Imogen drehte die Musik ihrer Stereoanlage auf.

Wir tanzten wild und unkoordiniert. Die Melodie steuerte unsere Körper. Der Raum pulsierte. Wir hüpften zur gleichen Zeit im Takt. Der Raum minimierte sich auf das Mindeste. Imogen sprang auf ihr Bett, ließ sich in ihre weichen Kissen fallen wenige Momente später stand sie wieder auf und nahm mich bei meinen Händen.

Ihr Lachen blieb in meinen Erinnerungen. Wie sie den Kopf zurückwarf und ihre Augen glitzerten. Das Lachen einer Toten.

Victoria verzog ihr Gesicht zu einem Lächeln. ,,Ihr musstet sehr gut miteinander befreundet sein."

Ich presste meine Lippen aufeinander. Sie fühlten sich einander an wie Schleifpapier. Meine Augen fokussierten Victoria, wie sie immer weiter redete. Wut ballte sich in mir auf, die mit Neid einherging. Sie schäumte über, suchte nach mehr Stoff, den sie verschlingen konnte.

Das Blut rauschte in meinen Ohren. Es übertönte die Schreie meiner Mitschüler. Das Geräusch von klirrendem Geschirr nahm ein Ende.

Nur das Klingeln meines Neids klang über das Brummen meiner Wut.

Offensichtlich knüpfte Victoria mit Imogen einen Bund. Ich realisierte, dass die beiden sich super vertragen würden, wenn sie einander kennen würden. Ja, Victoria konnte mich genauso gut ersetzen. Imogen würde sie lieber als mich mögen. Störte mich das an Victoria? Dass sie die Freundin war, die Imogen brauchte, versetzte mir einen Stich.

Sie passten perfekt zueinander. Es gab keinen Raum für mich.

Anstatt meine Hände zu Fäusten zu ballen, knetete ich sie anstatt dessen. Sie wärmten sich durch die Bewegung auf, das Blut schoss in meine Adern.

Meine Handbewegungen wurden zu auffällig, dass ich meine Hände wieder sinken ließ. Die Versuche mich zurückzuhalten funktionierten, stattdessen schwitzten meine Hände.

Victoria ging von selbst in einen Monolog über. Sie erzählte von ihren alten Freundinnen und Freunde, die sie hatte. Anscheinend reiste sie viel in der Weltgeschichte umher. Denn ich kannte mehrere Namen, die sie nannte. Gleichaltrige, die ich auf Dinnerpartys und Rendezvous traf. Sie unterhielten sich mit mir geflissentlich oder sie beobachten unsere Eltern beim Gespräch.

Immer wieder einmal schnappte ich einen Namen auf, eine Zahl oder Klatsch, den Victoria aus erster Hand erfahren hatte.

Ansonsten schaltete ich auf Durchlauf, ließ die Worte meine Ohren passieren. Jedoch dachte ich nicht viel darüber nach, setzte ihre Aussagen nicht zusammen.

+++

,,Eloise!"

Aspens Stimme hallte durch den Gang. Ich hatte ihn bereits entdeckt, aber den Rücken zugewandt. Ihn anzusprechen hatte ich mir nicht getraut.

Schüler verrenkten ihre Köpfe, um Sicht auf das Geschehen zu haben. In diesem Trakt standen wir im Mittelpunkt. Protagonisten einer Szene.

Filmreif drehte ich mich zu Aspen um. Ich sorgte dafür, dass wie in all den Filmen, die ich gesehen hatte, meine Haare flogen. Mit einem Schwung beförderte ich zurück.

Aspen schlenderte auf mich zu. Sein Gesicht zierte ein schiefes Grinsen, schwarze Locken, die ihm ins Gesicht fielen. Er musterte mich kurz.

Ich stand in hellen Flammen. Hitze schoss in mein Gesicht. Wie sich die Wärme über meine Wangen verteilte, spürte ich meinen Fingerspitzen.

Mit jedem Schritt, den Aspen zu mir voran tat, breitete sich das Feuer weiter in mir aus. Wie Buschfeuer nahm es jede Faser in mir in Anspruch. Sekunden vergingen, in denen er das Feuer in mir mit seinen Augen zügelte.

Ich spürte den feinen Film von Schweiß, der sich unter meine Uniform zog.

Sekunden der Erwartung und Hoffnung vor dem, was kam.

,,Wir sollten reden." Er rauschte an mir vorbei.

Mit eiligen Schritten huschte ich ihm hinterher. Schulter an Schulter. Stoff auf Stoff.

Noch nie näherte ich mich ihm derart. Die direkte Berührung neben ihm befeuerte mich umso mehr.

Ich stand in Flammen. Aspen hatte mich hilflos seinem flammenden Inferno ausgesetzt.

Ich wandte mich in seinen Flammen, genoss jeden Augenblick, den er mir gab. Die Zeit verging wie in Zeitlupe.

Blicke hafteten auf uns. Neugierde lag in der Luft. Aber niemand außer uns kannte die Antworten.

Ich wollte seine Lippen auf meinen spüren. Haut auf Haut. Arm in Arm und Körper auf Körper.

,,Ich will mit dir über Vicky sprechen." Seine raue Stimme durchschnitt die Stille zwischen uns. Wie als würde er Eis auf eine aufkeimende Flamme legen.

Als hätte Aspen einen Feuerlöscher genommen und über meine brennende Seele das weiße Pulver verteilt. Es bedeckte mich, ließ mich für einen Moment nichts fühlen. Benommenheit trat zeitgleich mit Neid auf.

Das prickelnde Gefühl von Missgunst verbreitete sich wie ein Virus in mir aus. Keine Flamme, nur Asche.

Die Überreste des Feuers ließ er zurück.

Die Veränderungen meiner Gesichtszüge bemerkte er nicht oder er wollte es nicht.

Eine Welt, die ich mir aufgebaut hatte, fiel in sich zusammen. Die Erinnerungen mit der Zeit mit ihm verwelkten vor mir wie Rosen.

Die Blüte stand nur einmal in voller Pracht, dann schrumpften die Blätter ineinander, verloren den Halt. Sie fielen herab, hielten sich an nichts fest.

,,Kennst du den genauen Grund, warum Victoria hier ist?", hakte er nach.

Ich hatte keine Antwort, die ihn zufrieden stellen konnte, die ihn ein gutes Gewissen einreden konnte. Er musste sich mit weniger zufrieden stellen.

Ich zögerte. Natürlich konnte ich ihm das erzählen, wovon ich wusste. Die vielen Fakten, die ich über Victoria sammelte.

Schließlich entschied ich mich dafür, dass ich ihm keine Antwort gab. Ich schüttelte merklich den Kopf.

Gedanken rasten durch meinen Kopf, versuchten das, was mir Aspen erzählt hatte, zu verarbeiten. Die Bausteine zu einem Haus zusammenzubauen. Er erschwerte es mir, da er mir nie erklärte, warum er mich das fragte.

Er kann auch nur Victoria hinterher sein, nach ihrer Aufmerksamkeit heischen, wie Coy. Vielleicht entsprach ich Aspens Typ nicht. Wenn es so war, dann konnte ich daran auch nichts verändern.

Dunkelhaarig und sportlich. Bestimmt entsprach das dem Typ von vielen Jungen und Männern. Victoria erfüllte Schönheitsideale. Sie konnte die auserwählte für Aspen sein.

Ich täuschte mich in ihm maßlos. Warum hatte ich es erst gar nicht in Betracht gezogen, dass er gar nicht an mir interessiert war?

,,Ich habe keine Zeit dafür, mich um deine Liebesangelegenheiten mit Victoria zu kümmern."

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