29. 💎

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Meine Augen fielen immer und immer wieder zu. Die erste Nacht war immer die schlimmste, vor allem war es eine ruhige Nacht. Es wurden nur ein paar Schnapsleichen eingeliefert, was die Schicht nicht grade spannender machte. Ich war grade dabei die Vitalwerte eines jungen Mannes zu dokumentieren, als schon der nächste rein gebracht wurde. Da meine Kollegen ihn übernahmen, konnte ich entspannt weiter dokumentieren. Ich hörte wie eine Unruhe sich breit machte unter meinen Kollegen, doch es interessierte mich nicht sonderlich, wenn sie mich brauchten würden sie mich rufen.
„Was haben wir?" Fragte ein Arzt mit einer erstaunlichen Ruhe und lief den Gang entlang weiter zum Eingang bei dem all meine Kollegen schon waren und den Patienten versorgten. „35 Jahre alter Mann, stark alkoholisiert mit Drogen Einfluss. Verengung der Atemwege, seine Kollegen sagten er habe COPD." schon hatte ich meine Ohren wieder auf Durchzug. Ich dokumentierte weiter bis ich alles fertig hatte und ging dann aus dem Stationszimmer um nach den anderen Patienten zu sehen. Ich lief also entspannt durch die Notaufnahme und ging zu dem ersten Patienten den wir in der Schicht aufgenommen hatten. Dieser schlief seelenruhig, weshalb ich mir notierte den Arzt zu fragen ob wir ihn verlegen könnten. Als ich aus dem Behandlungszimmer raus kam, rannte Jana plötzlich in einem Affenzahn an mir vorbei. „Hey! Alles in Ordnung bei euch?" fragte ich laut damit sie mich noch hören konnte. Sie holte irgendwas aus dem Pflegewagen und rannte wieder zurück, dabei erkannte ich wie bleich sie war. „Braucht ihr Hilfe mit dem Alki?" Jana schüttelte energisch den Kopf, „Wir schaffen das. Guck du bitte nach den anderen Patienten." sagte sie während sie an mir vorbei rannte und verschwand wieder im Behandlungszimmer. Ich zuckte mit den Schultern und lief zum nächsten Patienten, doch wirklich weit kam ich nicht, denn die Notaufnahmen wurde von zwei Bekannten Gesichtern gestürmt. „Was macht ihr denn hier?" ich musterte Marten und Hadi genau nach Verletzungen, konnte aber keine finden. „Wo ist er?" fragte Hadi völlig aufgewühlt und sah sich um. „Wer?" ich blickte verwirrt zwischen den beiden hin und her und erinnerte mich an die Beschreibung vom Neuzugang, wie bleich Jana war und wie sie mich abgewiesen hatte. „Nein, sagt mir nicht..." ich machte einen Satz und sprintete in das Behandlungszimmer in welchem Jana verschwunden war.
Da lag er, völlig geschwächt mit einer Sauerstoffmaske auf dem Gesicht. „Lyra, du solltest nicht hier sein." sagte Jana und kam auf mich zu während ein Kollege John eine Spritze in den Arm jagte. „Komm schon. Ich bin dabei und passe auf." Jana drückte mich weiter aus dem Behandlungszimmer, doch ich konnte meine Augen nicht von John lassen. „Komm, wir warten draußen." Marten hatte seine Hand auf meine Schulter gelegt. Mein Herz raste und die Angst um John stieg immer mehr. „Lyra..." sagte Marten leise und zog mich in seine Arme. Ich konnte noch einen letzten Blick zu John erhaschen bevor sie die Tür hinter sich schloss.

Wir standen draußen vor der Notaufnahme, weil wir erstmal eine Zigarette brauchten. Als ich mich allmählich gesammelt hatte, wand ich mich an Hadi. „Was ist passiert?" Er kratzte sich am Kopf, unschlüssig ob er es mir erzählen sollte oder nicht. „Ich hab schon gehört was er zu sich genommen hat, ich wusste nur nicht das er es ist. Ich will nur den Grund dafür wissen." ich sah ihm dabei in die Augen. Hadi sah zu Marten, welcher seine Mine kein einziges Mal verzogen hatte seit er die Notaufnahme betreten hatte. Tiefe Falten hatten sich auf seiner Stirn gebildet. „Er wird es ihr sowieso nicht erzählen." sagte er dann und Hadi atmete durch.
„Er hat..." er wurde unterbrochen, denn Jana kam nach draußen und lächelte. „Er hat nach dir gefragt Lyra." sagte Jana und sah mich lächelnd an. Ich wechselte kurz meinen Blick zwischen den Jungs, schnippte die Zigarette weg und lief dann direkt in den Raum in dem John lag.
Ich schlich langsam in den Raum und konnte erkennen das John ziemlich müde war, der Monitor zeigte eine Sauerstoffsättigung von 96 Prozent an. Er hatte die Augen geschlossen und atmete brav in seine Maske. Eine Infusion wurde angehängt und sein Herzsschlag wurde kontrolliert. Sie hatten wohl an alles gedacht. Abgesehen davon dass er auch Privatpatient war, wussten meine Kollegen was für ein Stress ich machen würde hätten sie irgendwas vergessen. Ich schloss leise die Tür und ging auf das Bett zu. Seine Haut war blass, er atmete schwer. Was war nur passiert?
Ich legte sanft meine Hand auf seine und wartete ab bis er reagierte. Seine Augen flatterten gleich auf und er runzelte die Stirn, das Licht blendete ihn. Er drehte den Kopf in meine Richtung und er blinzelte ein paar mal bis er realisierte wer da vor ihm stand.
„Sternchen. Da bist du ja. Hey du weinst ja." sagte er schwach und hustete gleich darauf. Ich schniefte und wischte mir über die Wangen. Tatsächlich weinte ich, war ja klar. „Mach das nie wieder!" presste ich nun hervor und boxte ihn leicht auf die Brust. „Ich hab mir fast in die Hosen gekackt als ich erfahren habe dass du eingeliefert worden bist! Hab wirklich gedacht jetzt ist es vorbei mit dir." schimpfte ich weiter und konnte durch die Wand der Tränen erkennen wie John schmunzelte. „Mir gehts doch jetzt gut. Ich bin am nüchtern werden und du bist bei mir." nuschelte er und bewegte unsere Hände an seine Wange. Ein wenig war ich ja schon verwirrt über sein liebes Verhalten. Ich hätte mehr erwartet das er durch meine etwas übertriebene Reaktion selber über reagieren würde, doch er war völlig locker. „Ich hab einfach mal wieder über die Strenge geschlagen." ich zog meine Augenbrauen zusammen. Diese Aussage machte es nicht besser in meinen Augen. „Aber warum?" ich hinterfragte es, ich wollte den Grund dafür wissen, es gab für alles einen Grund. Er schoss sich nicht einfach so ab, so war er nicht, es gab immer einen Grund wenn er es übertreiben wollte. „Einfach so, hatte mal wieder Lust darauf." ich schüttelte den Kopf auf seine Antwort. Er log mich an. Was auch immer der Grund dafür war, doch die Wahrheit war es einfach nicht. Ich musterte sein Gesicht, welches einfach nur müde wirkte. Aus Erfahrung wusste ich, er musste sich nun ausruhen und erholen um die beste Genesung zu erzielen, doch die Freundin die sich Sorgen machte wollte ihn ausquetschen und endlich erfahren was in diesen Vollidioten gefahren war. „Ich weiß das es einen Grund hat John. Bitte lüg mich nicht an." Johns Mine verrutschte und da war er wieder, der abgefuckte Bonez der sich nicht erklären wollte. „Alter, glaub mir doch einfach." er ließ meine Hand los und starrte an die Decke. Ich atmete genervt durch und schrieb seine Vitalzeichen auf um diese später dokumentieren zu können. „Hadi und Marten sind draußen, dürfen sie zu dir?" fragte ich dann und man konnte an meiner Stimme hören wie enttäuscht ich von ihm war, doch es schien ihn nicht zu stören. „Ja lass sie rein." brummte er. Ich nickte und verließ das Zimmer um gleich darauf die Jungs rein zu schicken. Sie nickten dankbar und gingen direkt rein, während ich noch einen letzten Blick in das Zimmer erhaschte bevor die Tür hinter Marten zugezogen wurde.

Es war quälend. Zu arbeiten obwohl der Freund auf der Station lag, machte einen verrückt. Mittlerweile musste in Johns Zimmer eine Party laufen, denn im laufe der Schicht kamen die Jungs nach um nach ihrem Bandenmitglied zu sehen. Ich hatte auch gar nicht mehr nach ihm gesehen, sondern ließ die anderen rein.
„Der Patient in Behandlungszimmer 3 kann verlegt werden." hörte ich den Arzt sagen, welcher gleich darauf ins Stationszimmer kam gefolgt von Jana. „Lyra, ich habe gehört der Mann ist dein Freund?" fragte er dann und stellte sich an die Kaffeemaschine während ich erneut irgendwas dokumentierte. „Ja." gab ich einfach zur Antwort und tippte weiter. Jana hatte sich an den Pc neben mich gesetzt und gab die neusten Werte von John ein. „Wie kommt man denn zu so einem?" fragte er mich dann und lehnte sich an den Tresen. „Einfach keinen sonderlich guten Eindruck hinterlassen und eine Freundin haben die mit einem seiner Freunde zusammen kommt. Dann ergibt sich das irgendwann." sagte ich und schloss das Programm und drehte mich zum Arzt. Er lachte auf und schüttelte den Kopf. „Ich hätte dich nicht so eingeschätzt." sagte er dann und nippte an seinem Kaffee. „Ob sie es glauben oder nicht Helmut, aber ich auch nicht." wieder lachte er und auch ich musste schmunzeln. „Wenn es ja hält, dann ist deine Zukunft ja gesichert." diesmal kicherte Jana als der Arzt seinen Satz beendet hatte. „Mir ist tatsächlich sein Geld gar nicht so wichtig. Er hatte Anfangs auch bedenken dass ich nur auf sein Geld aus bin, aber eigentlich war es immer sein Charakter. So anstrengend wie er auch sein mag an manchen Tagen, umso liebevoller geht er mit seiner Tochter um und ist loyal seinen Freunden gegenüber." sagte ich und mein Arzt sah mich erstaunt an. Er lächelte und nickte zufrieden. „Du bist ein guter Mensch Lyra." sagte er und auch ich fing an zu lächeln. „Jetzt alle mal still sein, ich muss ein Telefonat führen." Jana schnappte sich das Telefon um die Verlegung für John klar zu machen. „Ey Ly! Ly wo bist du?" die aufgekratzte Stimme konnte nur Alex sein. Ich sprang sofort auf und sprintete in den Flur. Meine Gedanken schalteten direkt zu John dass irgendwas passiert war. Ich malte mir binnen Sekunden mehrere Szenarien aus. Mein Puls stieg in die Höhe und mir wurde direkt übel. Doch auf dem Flur entdeckte ich einen grinsenden Alex. „Was ist? Ist was mit John?" fragte ich außer Atem als ich bei ihm angekommen war, doch er schüttelte nur entspannt den Kopf. Mit offenen Mund starrte ich ihn an. Ich ballte meine Hand zur Faust und boxte ihn gegen die Schulter. „Au!" -„Sag mal, hackts bei dir? Ich dachte es ist was passiert! Außerdem liegen hier kranke Leute, da hast du hier nicht rum zu brüllen du Idiot!" zischte ich genervt. „Ja sorry." Lx blickte entschuldigend in meine Augen. Ich atmete durch, die Jungs machten mich heute definitiv fertig. „Was gibts denn?" fragte ich nun deutlich entspannter. „Wir fahren dich später nachhause." diese Information hätte er mir nicht schreiben können. Doch ich nickte und bedankte mich bei ihm. Jana kam zu uns und begrüßte Lx mit einer Umarmung. „Wir verlegen jetzt John. Ihr Jungs könnt nachhause gehen." sagte sie mit einem Lächeln und ging vor in das Zimmer. Alex lief ihr hinterher, doch drehte sich noch einmal zu mir um. „Was ist, möchtest du nicht mit?" fragte er mich und zog neugierig die Augenbrauen in die Höhe. „Ne, ich seh später nach ihm." ich setzte ein lächeln auf damit Lx meine Antwort nicht hinterfragte, was klappte, denn er nickte und verschwand im Zimmer.
Ich seufzte, mein Freund hatte ein Geheimnis und lag in dem Krankenhaus in dem ich Arbeitete. Ich wusste nicht ob das gesund war.

Kopfgeficke. || Bonez Mc FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt