Teil 10 (Band 2)

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Der Junge tollte über die Lichtung. Sein krauses Haar, flatterte im Wind.
Ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Es war, als liefe er vor mir Weg. Doch nicht aus Angst. Er wollte ein Spiel spielen. Der Junge kam mir bekannt vor, so als hätte ich mein ganzes Leben mit ihm verbracht. Er hatte dreckige Klamotten an, war klein und aus irgendeinem Grund so verdammt aufgeregt. Ich fühlte mich sicher.
Dann fiel es mir ein. Ich erinnerte mich an ihn.
Das war Chuck!
Ich konnte es nicht fassen. Chuck lebte. Er rannte weiter über die mir so vertraute Lichtung. Die Bäume sahen auf uns herab und die Blätter wurden hin und wieder von einem Windstoß angeschubst.
Zu meiner Rechten, sah ich die Küche. Es war Frypans Küche, doch er war nirgends zu sehen.
Ein paar Fuß weiter, erstreckte sich ein kleiner Fluss, der sich schnörkelig wandte und schließlich im dichten Wald verschwand, durch den man das Wasser an ein paar Stellen noch schimmern sah.
Unendlichhohe Steinmauern, zäunten das Gebiet ein und der Efeu kletterte an ihnen herauf.
Das war mein Zuhause.
Ich blickte zu Chuck.
Er war der Öffnung mittlerweile näher gekommen.
'Er darf nicht ins Labyrinth', erinnerte ich mich.
Ich lief Chuck augenblicklich hinterher.
Erst langsam und ruhig, dann schneller, bis ich am Sprinten war.
Ich erreichte den Jungen noch rechtzeitig, als er ungefähr zehn Meter von der Öffnung entfernt war.
Zwischen mir und ihm ließ ich auch Abstand, um meinen besten Freund nach all der Zeit, besser betrachten zu können.
"Chuck?", fragte ich vorsichtig.
Nichts geschah.
Er stand wie angewurzelt stehen und ich konnte ihm immer noch nicht ins Gesicht schauen.
Verwundert sah ich mich um.
Die Lichtung war menschenleer.
Dort wo die Gärtner früher gearbeitet hatten, verkümmerten die Pflanzen nun.
Die Hütten waren zusammengebrochen und es roch nach Blut.
Was war nur geschehen?
Es war so angsteinflößend, dass ich kaum wagte zu atmen.
Doch ich konnte nun nicht wegrennen.
Endlich waren Chuck und ich wieder vereint.
"Chuck." Ich musste mit ihm reden.
Dann bewegte sich der Junge plötzlich.
Er drehte sich langsam um, bis er mir direkt in die Augen sah.
"Y/n!"
Eine Freudenträne lief meine Wange hinunter, als er meinen Namen aussprach. Er sagte ihn anders als jeder andere. Irgendwie so kindlich, so unschuldig, so verständnisvoll.
Für eine Zeit lang sahen wir uns nur an.
"Warum bist du gegangen, y/n?", fragte Chuck mich aufeinmal.
"Was meinst du?"
"Warum hast du mich zurückgelassen?"
"Ich weiß nicht wovon du sprichst, Chuck.", sagte ich und ein Schauer lief mir über den Rücken.
Chucks Ausdruck veränderte sich.
Der kleine Junge blickte nun traurig drein und seine Augen starrten zu Boden.
Ich versuchte auf ihn zuzugehen. Ich wollte ihn umarmen, ihn trösten, ihm sagen, dass ich da sein werde, für immer, doch ich konnte nicht.
Ich wollte, doch ich konnte es einfach nicht tun.
Mein Körper schien mir nicht mehr zu gehorchen.
Ich stand da wie eine Spielfigur.
Nur mein Kopf ließ sich bewegen.
Ängstlich schaute ich gen Himmel.
Er war blau und hier und da zogen ein paar Wolken vorbei.
Es war wunderschön und doch hatte ich Todesangst.
Plötzlich hörte ich laute Stimmen.
Sie kamen nicht aus der Lichtung. Sie kamen von oben. Die Stimmen hörten sich nicht normal an, sondern Schallend und bösartig.
Nun hatte ich auch die Kontrolle über meinen Kopf verloren, der nun wie versteinert nach oben sah.
Und dann geschah etwas Unfassbares. Plötzlich erschien über der Mauer eine gigantische Hand.
Sie griff in Richtung Lichtung, als wäre sie ein Puppenhaus.
Ich versuchte zu schreien, doch kein Ton ging über meine Lippen.
Die Hand kam immer näher, direkt auf mich und Chuck zu.
Sie trug einen weißen Plastikhandschuh. Der Arm war mit einem weißen Doktorkittel bedeckt.
Am Beginn des Ärmels stand: W.C.K.E.D.
Die Versteinerung löste sich und ich fiel zu Boden.
Ich sah Chuck an, den das Ganze kein Bisschen zu beunruhigen schien.
Schnell rappelte ich mich auf, lief die paar Schritte zu ihm, packte ihn am Arm und dann liefen wir was das Zeug hielt.
Ich wagte es, mich umzudrehen.
Die Riesenhand von WCKED verfolgte uns immer noch.
Wir erreichten ein Stück Wald.
Ohne zu zögern rannte ich hinein und zog Chuck mit mir mit.
Wir liefen und liefen.
Die Äste peitschten unsere Beine und unser Gesicht, doch ich wollte nur, dass wir überlebten.

Newt und y/nWo Geschichten leben. Entdecke jetzt