- Lola -
„Und?“, fragt meine Mutter, die ihr langes blondes Haar in einen ordentlichen Seitenzopf geflochten hat und sich einmal in ihrem luftigen dunkelblauen Sommerkleid mit dem dezenten V-Ausschnitt und den leichten Rüschen an den Ärmeln um sich selbst dreht, „was sagst du?“
Prüfend lasse ich meinen Blick einmal von oben nach unten über sie gleiten, während ich mich mit vor der Brust verschränkten Armen an den Küchentisch hinter mir lehne.
„Du weißt schon, dass ich keine Expertin in Sachen Mode bin, oder?“
„Aber du hast doch sicherlich eine Meinung.“
Ich seufze tief und schaue von ihren ebenfalls dunkelblauen Sandaletten wieder zurück nach oben, um ihrem Blick zu begegnen.
„Hübsch.“
„Hübsch?“
„Ja“, ich zucke mit den Schultern, „hübsch.“
„Bist du dir sicher?“, etwas verunsichert zupft meine Mutter an ihrem Kleid, während ich innerlich die Augen verdrehe, „ich meine, ist es nicht ein bisschen zu…na ja…unpassend gewählt?“
„Mama“, ich hole tief Luft und fahre mir, bemüht ein genervtes Stöhnen zu unterdrücken, mit einer Hand durch die Haare, „draußen strahlt die Sonne so stark vom Himmel, dass man ohne Probleme die Straße als Grill für eine Grillparty zweckentfremden könnte. Warum also sollte das Kleid unpassend gewählt sein? Würdest du vielleicht eine Skijacke bevorzugen?“
„Sehr witzig, Lola.“ Ebenfalls etwas genervt verdreht meine Mutter die Augen und stemmt die Hände in die Hüften. „Ich meinte damit, für den Anlass unpassend gewählt. Schließlich besuchen Christoph und ich eine Ausstellung im Kunstpalast.“
Nur mit Mühe widerstehe ich dem Drang, meinem Würgereiz freien Lauf zu lassen und räuspere mich stattdessen.
„Also, ich bin zwar nur einmal in diesem hässlichen Betonklotz gewesen, weil einer unserer früheren Kunstlehrer meinte, uns ein paar Werke der zeitgenössischen Kunst näherzubringen, wie er sich ausdrückte, aber wenn ich mich richtig erinnere, sind die Menschen dort damals alle sehr normal gekleidet rumgelaufen. Von daher sollte das mit deinem Kleid schon passen.“
„Gut“, meine Mutter holt tief Luft und lächelt mich erleichtert an, „das beruhigt mich ein wenig. Danke, Lola.“
„Nicht dafür“, erwidere ich schulterzuckend und stoße mich vom Küchentisch ab, um ein paar Schritte auf meine Mutter zuzutreten. „Ich verstehe auch ehrlich gesagt gar nicht, warum du dich so verrückt machst. Das ist doch nicht dein erstes Date mit deinem Buchhalter.“
„Er heißt Christoph.“
„Okay, okay“, beschwichtigend hebe ich beide Hände, während meine Mutter mich streng ansieht, „dann meinetwegen Christoph. Ich meine, so peinlich überkorrekt wie der Typ ist, hätte er dir doch gesagt, wenn es so etwas wie einen Dresscode geben würde.“
„Ich finde es sehr faszinierend, dass du es schaffst, eine Aussage gleichzeitig anerkennend und abwertend klingen zu lassen.“
„Tja“, ich zucke erneut mit den Schultern, diesmal schmunzelnd, „jahrelanges Training. Frag mal Herrn Lüdenscheid.“
In diesem Moment sehe ich Dannys blonden Schopf, der erst durch den Türrahmen in die Küche linst und dann mit seinem Rucksack in den Händen in die Küche stapft.
„Ich bin fertig“, verkündet er feierlich und hält den Rucksack etwas höher, so als wäre er ein wichtiges Beweisstück, „wir können los.“
„Sehr schön, Großer“, sage ich und nehme ihm lächelnd den Rucksack aus den Händen und halte ihm dessen Schlaufen so hin, dass er ohne Probleme mit seinen Ärmchen hindurchschlüpfen und sich so den Rucksack auf den Rücken ziehen kann.
„So“, sage ich und rüttle leicht an seinem Rucksack, was Danny aufkichern lässt, „passt, wackelt und hat Luft.“
„Ja, genau!“ Mit einem vor Stolz gereckten Kinn dreht Danny sich zu mir um und strahlt mich breit an. „Was machen wir denn heute, Lola?“
„Na ja“, sage ich gedehnt und hocke mich vor meinen kleinen Bruder, sodass wir genau auf einer Augenhöhe sind, „ich dachte, wir könnten vielleicht Habib in der Autowerkstatt seines Onkels besuchen und…“
„Au ja! Ja ja ja jaaaa!“, unterbricht Dannys Jubel mich, während er voller Vorfreude auf der Stelle auf- und abhüpft wie ein kleiner Flummi.
Meine Mutter und ich tauschen ein wissendes Lächeln aus, bevor sie auf Danny zutritt und ihm sanft durch die Haare streicht.
„Dann wünsche ich euch beiden ganz viel Spaß. Und wir sehen uns dann heute Abend wieder, okay Danny?“
„Ja, bis heute Abend, Mama“, sagt Danny und nickt eifrig, während meine Mutter sich zu Danny hinabbeugt, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken.
„Also gut, Großer“, sage ich und richte mich wieder auf, „dann lass uns mal gehen.“
Doch als Danny und ich auf den Flur treten und Danny bereits zur Garderobe voraussprintet, um sich seine Schuhe anzuziehen, ertönt ein schrilles Klingeln an der Tür.
„Ich mache auf!“, ruft Danny und sprintet weiter an der Garderobe vorbei, um im nächsten Moment nach der Türklinke zu greifen und die Wohnungstür aufzuziehen.
Das braune Haar des bebrillten Mannes, der hinter der Tür erschienen ist, ist ordentlich gescheitelt und sein kurzer Bart akkurat getrimmt.
Er ist hochgewachsen und recht schlaksig, wodurch er in der schlichten Stoffhose und dem hellblauen Hemd, über dem er einen weinroten Pullunder trägt, geradezu zu versinken scheint, während er Danny mit einem verunsicherten Lächeln durch die schwarzumrandeten Gläser seiner Brille betrachtet.
„Ähm…hallo Danny“, sagt er und ich bin mir sicher, dabei ein leichtes Zittern in seiner Stimme zu hören.
„Tag“, erwidert Danny knapp, wobei von seinem vorherigen Enthusiasmus, die Tür zu öffnen, nichts mehr zu spüren ist und er sich kurz darauf zu uns umdreht, „Mama, dein komischer Bücherhalter ist da!“
Gerade noch rechtzeitig schaffe ich es, mein Lachen als lautes Räuspern zu tarnen, während meine Mutter, die neben mich auf den Flur getreten ist, tief Luft holt und die Hände in die Hüften stemmt.
„Danke Danny“, seufzt sie mit einem angedeuteten Kopfschütteln, bevor ihre Mundwinkel sich zu einem leichten Lächeln heben, „hallo Christoph.“
„Hallo Sarah.“ Das verunsicherte Lächeln des Mannes wird etwas breiter, während er sich verlegen am Hinterkopf kratzt, bevor sein Blick auf mich fällt und er seine Hand wieder senkt, um stattdessen seine Schultern zu straffen. „Und ähm…hallo Lola. Ich hoffe, es geht Ihnen gut?“
„Klar, alles bestens“, erwidere ich und nicke Christoph kurz zu, bevor ich meinen Kopf zu meiner Mutter drehe, „wir lassen euch beide dann mal alleine. Wann soll ich Danny wieder bei dir abliefern?“
„Hmm…“, die Stirn meiner Mutter legt sich in Falten, „so gegen 18 Uhr vielleicht? Wir wollten nach der Ausstellung noch eine Kleinigkeit essen gehen, aber das sollte nicht allzu lange dauern.“
„Verstehe“, sage ich und lehne mich ein Stück zu meiner Mutter vor, um ihr die nächsten Worte möglichst leise zuraunen zu können, „also bleibt der Typ nicht über Nacht?“
„Lola!“
Mit einem Schlag weiten sich die Augen meiner Mutter und sie wirft einen kurzen Blick in Christophs Richtung, bevor sie wieder zu mir sieht und ihre Stimme ebenfalls senkt.
„Du bist unmöglich!“, zischt sie mir zu, woraufhin ich nur mit den Schultern zucke.
„Also, ich finde die Frage mehr als berechtigt. Wenn Danny bei uns übernachten soll, muss ich das schließlich vorher mit Zoe abklären.“
„Nein, Danny schläft heute Nacht hier, so wie immer“, entgegnet meine Mutter immer noch leise und atmet kaum hörbar durch, „Christoph und ich…wir lassen es erst mal langsam angehen. Früher hätte ich mich Hals über Kopf in diese Beziehung gestürzt und diesen Fehler möchte ich nicht nochmal machen. Meine Therapeutin hat mir auch dazu geraten, die Dinge nicht zu überstürzen. Und Christoph…er gibt mir zum Glück die Zeit, die ich brauche…und das weiß ich sehr zu schätzen. Ich weiß, dass du nicht besonders viel von ihm hältst, aber er ist wirklich ein toller Mann…auch wenn…auch wenn er deinen Vater natürlich niemals ersetzen kann…das kann niemand und das ist auch nicht mein Anspruch an ihn. Ich möchte Christoph einfach nur eine faire Chance geben und vielleicht kann ich dann irgendwann genauso glücklich mit ihm sein wie ich es früher mit deinem Vater war.“
Ich spüre, wie sich nach und nach ein schwerer Kloß in meinem Hals formt und bin fast schon erleichtert als ich spüre, wie Danny, der sich mittlerweile die Schuhe angezogen hat, am Bund meines Shirts zupft.
„Können wir jetzt zur Autowerkstatt gehen, Lola?“, fragt er und ich sehe aus den Augenwinkeln, wie Christoph, der immer noch im Wohnungstürrahmen steht, verwundert die Augenbrauen hochzieht und seine Brille dabei etwas zurechtrückt.
Kein Wunder, er fragt sich bestimmt, was wir bei einer Autowerkstatt zu suchen haben, wo wir doch gar kein Auto besitzen…
„Na sicher, Großer“, sage ich und fahre Danny einmal durch die Haare, was ihn aufkichern lässt, bevor ich wieder zurück zu meiner Mutter schaue, „dann sehen wir uns um 18 Uhr.“
„Ähm, ja…genau…“
Meine Mutter unterstreicht ihre zögernde Aussage mit einem Nicken, während sie mich mit einem Blick ansieht, den ich nicht ganz deuten kann, aber wiederum kann ich dem Ganzen auch nicht allzu viel Beachtung schenken, da mich Danny bereits ungeduldig in Richtung Tür zieht.
„Komm schon, Lola. Wir müssen los. Tschüss Mama! Tschüss Bücherhalter!“
„Ähm…auf Wiedersehen, Danny“, erwidert Christoph etwas verblüfft und tritt zur Seite, als Danny sich unsanft an ihm vorbeischiebt und mich dabei weiter hinter sich her zur Treppe zieht…
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Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)
Romance- Fortsetzung zu „Liebe Auf Französisch" und „Weihnachten Auf Französisch" - Man sagt, dass die Hochzeit der schönste Tag des Lebens ist. Was einem jedoch niemand sagt, ist die Tatsache, dass bis zu diesem besagten schönsten Tag des Lebens eine Me...