- Lola -
„Okay…gut“, sage ich und atme tief durch, als ich mich mit klopfendem Herzen von der Wohnungstür meiner Mutter weg- und zu Nico hindrehe, der mit in den Hosentaschen
vergrabenen Händen im Treppenhaus hinter mir steht. „Dann…dann machen wir es also so wie vorhin besprochen, ja?“
„Ja, so machen wir’s“, bestätigt Nico meine Frage mit einem knappen Nicken und bemüht sich um ein aufmunterndes Lächeln, auch wenn ich ihm anmerke, dass er ebenfalls ein wenig angespannt ist, „du gehst erst mal rein und redest mit deiner Mutter und wenn ihr so weit seid, holst du mich rein.“
„Ja…genau“, murmle ich und spüre, wie durch das abrupt Zusammenziehen meines Magens eine leichte Übelkeit in mir aufsteigt.
Dämliche Nervosität.
So werde ich mich doch niemals auf die Unterhaltung mit Mama konzentrieren können…
Bemüht trotz allem möglichst entspannt zu bleiben atme ich tief durch und drehe mich zurück zur Wohnungstür, um ohne längeres Grübeln oder Zögern den Wohnungsschlüssel in meiner Hand in das Türschloss zu zwängen und einmal herumzudrehen.
Nach dem vertrauten Knacken, welches stets beim Öffnen der Tür ertönt, trete ich rasch in den Flur und schließe die Tür wieder, als mich auch schon eilig tapsende Schritte wieder herumfahren lassen.
„Lolaaa!“
Kichernd stürmt Danny vom Wohnzimmer aus quer durch den Flur zu mir hinüber, woraufhin ich mich hinhocke und ihn anschließend in eine feste Umarmung schließe.
„Hallo, Großer“, sage ich und streiche Danny ein paar blonde Haarsträhnen aus der Stirn, um auf dieser einen kurzen Kuss zu platzieren, „geht’s dir gut?“
„Jaaa“, verkündet Danny und nickt eifrig, wobei seine braunen Augen freudig aufblitzen, „und dir?“
„Ja, mir auch.“
„Bist du sicher?“ Dannys Nachfrage lässt mich verwundert die Stirn runzeln, während mein kleiner Bruder mich mit schief gelegtem Kopf betrachtet. „Du siehst irgendwie komisch aus…“
„Na, vielen Dank auch, Danny“, entgegne ich und zwinge mich zu einem Lachen, als ich ihm durch die Haare wuschele, was jedoch nichts an seinem ungewöhnlich forschenden Blick ändert, mit dem er mich immer noch mustert.
Na, super…
Ergeben hole ich tief Luft.
„Ich…es ist nichts, Danny. Wirklich nicht. Ich…ich muss nur etwas mit Mama besprechen und…“
„Mama ist einkaufen.“
„Was?“ Ich bin so verblüfft über Dannys abrupten Einwand, dass ich gar nicht anders kann, als ihn einige Momente lang mehrfach blinzelnd und mit offenem Mund anzustarren, bevor ich versuche, mich mit einem räuspernden Schulterzucken wieder ein wenig zu fassen.
„Ich…ähm…okay. Weißt du denn vielleicht, wann sie wieder zurückkommt?“
„Keine Ahnung“, erwidert Danny und zuckt ebenfalls mit seinen kleinen Schultern, aber sie ist schon eine ganze Weile weg, also kommt sie bestim-“
Dannys Worte werden von einem plötzlichen und laut scheppernden Geräusch durchschnitten, welches mit aller Gewalt durch das Treppenhaus hallt.
Oh nein…
Sofort springe ich aus meiner gehockten Position auf und öffne die Wohnungstür mit einem kräftigen Ruck, um zu sehen, wie Nico immer noch vor der Tür steht und sichtlich
erschrocken zum Fuß der Treppe hinabblickt, an dem meine Mutter steht und umgeben von lauter auf dem Boden liegenden Einkaufstaschen, deren Inhalt sich teilweise über den Treppenhausboden verteilt, zu uns hoch schaut.
Wobei schauen vermutlich nicht das richtige Wort ist, wenn man bedenkt, wie geschockt und entgeistert ihre Gesichtszüge sind.
Ganz toll…das ist ja wirklich großartig gelaufen…besser geht's nicht...
Als mein Blick wieder zurück zu Nico wandert, hebt dieser sofort beide Hände.
„Ich schwöre, ich hab nichts gemacht, Löckchen! Ich hätte gerade selber fast einen Herzinfarkt gehabt!“
„Ja, ich…ich weiß“, sage ich leise und drehe meinen Kopf wieder zurück zu meiner Mutter, als ich ihr ungewöhnlich hartes Schlucken höre.
„L-Lola…w-wer…“, stammelt sie mit stark zitternder Stimme, wobei ihr Blick immer noch auf Nico fixiert ist, „w-wer…i-ist…d-das?“- Zoe -
„Na, das nenne ich doch mal eine Auswahl.“
Ein wenig überfordert folge ich Monas Blick, die neben mir mit in den Hüften gestemmten Händen steht und wie ich über den breiten Tisch schaut, auf dem Herr Thaler, ein hagerer Mann mit grauem Haar und tief sitzender Brille, die großzügige Blumenschmuckauswahl in seinem Laden zur Anschauung für uns aufgebaut hat.
Große, üppig bestückte Gestecke und Sträuße reihen sich an filigran gesteckte Bouquets, deren
Farbspektrum von blasser Schlichtheit bis hin zu aufgewecktem Regenbogenspektakel reicht.
Von den vielen unterschiedlichen Blumensorten mal ganz zu schweigen…
Wie soll ich mich denn da bitte entscheiden?
Und dann auch noch ohne Lola…
Vielleicht hätten wir den heutigen Termin doch nochmal verschieben und zusammen hierhin gehen sollen.
Auf die paar Tage wäre es doch bestimmt auch nicht mehr angekommen…
„Nun…da Sie keine konkreten Angaben zu den Vorlieben Ihrer Blumenwahl gemacht haben, habe ich gedacht, ich gebe Ihnen einen möglichst großen Überblick über unser Sortiment und die vielen Möglichkeiten der unterschiedlichen Sträuße und Gestecke“, erklärt Herr Thaler auf mein tiefes Seufzen hin und wirft mir einen fast schon entschuldigenden Blick über den Rand seiner Brille hinweg zu, worauf Mona nur eine wegwerfende Handbewegung macht.
„Machen Sie sich mal darüber keine Gedanken, Herr Thaler. Wir werden uns schon für etwas Passendes entscheiden können. Lieber etwas zu viel Auswahl als zu wenig, nicht wahr?“
„Wenn Sie das sagen, Frau Berger“, erwidert Herr Thaler, dessen Gesicht auf Monas Zwinkern hin etwas erleichterte Züge annimmt, bevor er mit seinem knöchrigen Daumen über seine Schulter hinweg hinter sich deutet, „ich würde mich dann noch um ein paar Auftragsarbeiten in meinem Atelier kümmern. Wenn Sie noch Fragen haben sollten oder sich
für etwas Konkretes entschieden haben…“
„…kommen wir selbstverständlich auf Sie zurück“, beendet Mona Herrn Thalers Satz und nickt ihm dankend zu, der ihr Nicken erwidert und nach einem kurzen Zurechtrücken seiner dunkelgrünen Schürze mit leicht schlurfenden Schritten durch einen Türrahmen verschwindet, der hinter dem Bezahltresen liegt und in den für Kunden nicht zugänglichen Teil des kleinen Blumenladens führt.
„So, Süße“, sagt Mona und dreht sich mit einem ebenfalls tiefen Seufzen halb in meine Richtung, „und du wischst dir jetzt bitte endlich diesen fast schon verzweifelten Ausdruck von deinem hübschen Gesicht und überlegst dir stattdessen lieber, welches von diesen kleinen Kunstwerken du am liebsten auf eurer Hochzeit hättest. Und die Ausrede, dass du dich nicht entscheiden kannst, lasse ich nicht gelten.“
„Wenn es aber so ist“, entgegne ich und werfe Mona einen hilflosen Blick zu, bevor ich wieder zurück zu dem fast schon überladenen Tisch vor mir schaue, „ich meine, ich habe ja mit einer gewissen Auswahl gerechnet. Aber gleich mit so viel…ich meine, die Bouquets und der Blumenschmuck im Allgemeinen sollten ja schon irgendwie auch zu Lola und mir passen. Und zu dem Saal, den Gästen, unseren Kleidern…“
„Oh bitte, Süße“, Mona verdreht die Augen, „man kann sich da auch ein bisschen in Details verlieren, findest du nicht?“
„Das sagst ausgerechnet du?“
„Touché“, Mona zuckt mit den Schultern, ehe sie mit einer ausladenden Handbewegung über den Tisch deutet, „aber du wirst ja wohl irgendeine Präferenz haben. Der Rest deiner Familie scheint sich da zumindest nicht so schwer zu tun wie du.“
Mit vielsagender Miene deutet Mona mit dem Kopf auf die andere Seite des Tisches, wo Amélie einen großen rosa- und pinkfarbenen Strauß mit einem strahlenden Lächeln betrachtet, während Thibault neben ihr würgend das Gesicht verzieht und stattdessen auf einen Strauß deutet, der sich in kräftigen Orangetönen von den anderen Sträußen auf dem Tisch deutlich abhebt.
Mit einem schmunzelnden Kopfschütteln folge ich der darauf folgenden Diskussion der Zwillinge für eine Weile, bis mein Blick weiterwandert und an Marie hängen bleibt, die etwas abseits von ihren Kindern steht und mit einem fast schon melancholischen Gesichtsausdruck über einen recht schlichten Strauß streicht, in dessen weißen Hauptbestandteil vereinzelte
kleine blaue Blumen eingesteckt wurden.
Vergissmeinnicht.
Maries Lieblingsblumen.
Die Blumen, die damals in Maries Hochzeitsstrauß gesteckt und generell überall auf ihrer und Constantins Hochzeit zu finden waren.
Und die Blumen, die Treue symbolisieren.
Ach, Marie…warum bist du nur so stur?
Warum redest du nicht mit Constantin?
Warum machst du es dir…beziehungsweise euch…nur so schwer?
Ich seufze leise und betrachte meine Schwester, bis Monas leichter Stoß gegen meinen Oberarm mich wieder aus meinen Gedanken reißt.
„Also, Süße? Was meinst du? Oder kannst du zumindest den einen oder anderen Strauß ausschließen, wenn du schon keine konkrete Präferenz hast?“
„Ich…äh…na ja“, beginne ich und versuche durch mein anschließendes Räuspern unter Monas forschendem Blick etwas Zeit zu gewinnen, als mich das Klingeln des Glöckchens über der Eingangstür, welches das Betreten des Ladens eines Kunden signalisiert, zusammenzucken lässt.
Allerdings nicht so sehr wie die Stimme, die kurz darauf hinter mir ertönt, und einen heißen Schauer durch meinen Körper fahren lässt.
„Ach, sieh mal einer an. Das ist aber schön, dich so schnell wiederzusehen, Zoe…“
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Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)
Romance- Fortsetzung zu „Liebe Auf Französisch" und „Weihnachten Auf Französisch" - Man sagt, dass die Hochzeit der schönste Tag des Lebens ist. Was einem jedoch niemand sagt, ist die Tatsache, dass bis zu diesem besagten schönsten Tag des Lebens eine Me...