- Romy -
Mit eiligen Schritten steige ich die letzten Stufen der Treppe empor und stoße kurz darauf die quietschende Glastür zum menschenleeren Flur auf.
Warum musste dieser gottverdammte Aufzug auch ausgerechnet heute kaputt sein?
Das passt ja mal wieder wunderbar…
Schwer atmend stütze ich mich für einen Moment mit beiden Händen auf meine Knie und hole ein paar Mal tief Luft.
Von der Notaufnahme im Untergeschoss bis in den vierten Stock in weniger als zwei Minuten.
Sieht so aus, als hätte mein Lehrerjob an der Akademie meiner Ausdauer erfreulicherweise nicht allzu sehr geschadet.
Bleibt nur zu hoffen, dass Gabi Recht hatte und Lola tatsächlich hierhin verlegt worden ist…
„Aber Sie müssen mir doch irgendwas sagen können! Irgendwas!“
Die aufgebrachte Stimme, die mit einem Mal durch den Gang hallt, lässt mich erst erschrocken zusammenzucken und anschließend aufhorchen.
Das…das war doch gerade Nico…oder?
Doch…doch, das müsste er gewesen sein!
Immer noch ein wenig außer Atem richte ich mich auf und schaue nach rechts und links über den leeren Flur.
Vielleicht ist er ja in einem der Nachbargänge…
Unschlüssig drehe ich meinen Kopf noch ein paar Mal hin und her, bis ich mich schließlich für den angrenzenden linken Gang entscheide…und tatsächlich!
Dort steht Nico, der sich mit einer Hand durch seine inzwischen mehr als zerzausten Haare fährt und parallel auf eine Krankenschwester einredet.
Aber…das ist doch…!
„Coco?“
Verwundert über die Nennung ihres Namens dreht meine beste Freundin ihren Kopf von Nico weg und in meine Richtung, wodurch ihr gerade noch leicht genervter Gesichtsausdruck überraschte Züge bekommt.
„Rotkäppchen?“, fragt sie und hebt verwundert eine Augenbraue, „was machst du denn hier? Willst du mir bei meiner Nachtschicht Gesellschaft leisten?“
„Ehrlich gesagt, nein“, entgegne ich und schenke Coco ein entschuldigendes Lächeln, während Nico sich nun ebenfalls seinen Kopf zu mir umdreht und leicht irritiert über meine Schulter hinter mich schaut.
„Sind Sie alleine nachgekommen?“
Ich schüttle den Kopf. „Nein, Zoe und Mona warten noch unten in der Eingangshalle. Ich kenne mich nur hier aus, weil ich hier früher gearbeitet habe und…“
„Moment mal“, unterbricht Coco mich und schaut verwirrt zwischen Nico und mir hin und her, „Mona und du, ihr kennt diesen…überaus charmanten jungen Mann?“
Anhand von Cocos Tonfall und dem damit einhergehenden leicht verärgerten Kräuseln ihrer Nase erkenne ich, dass sie sich nur um meinetwegen mit ihrer Bezeichnung für Nico zurückgehalten hat.
Kein Wunder…
Nicos heftigem Ausruf von vorhin nach zu urteilen, scheint er schon eine ganze Weile lang mit ihr zu diskutieren, zumal um diese Zeit eigentlich keine Besucher oder Angehörigen auf der Station mehr gestattet sind, was Coco ihm mit Sicherheit auch gesagt haben wird.
Wahrscheinlich sogar mehrfach…
„Ja, wir kennen ihn“, sage ich und nicke knapp, während ich aus den Augenwinkeln Nicos ernsten Blick und das angespannte Zucken seiner Kiefermuskeln bemerke, „Nico ist der Halbbruder von Lola, der Verlobten von Zoe.“
„Von Zoe?“ Cocos Stirn runzelt sich noch ein Stück mehr. „Der besten Freundin von Mona?“
Ich nicke erneut. „Ja, genau. Und wir sind wie gesagt hierher gekommen, weil…“
„Weil meine Schwester einen verdammten Motorradunfall hatte und die Frau unten in der Notaufnahme zu mir meinte, dass Lola hierhin verlegt werden soll!“, schnaubt Nico und funkelt Coco voller wachsender Wut und Ungeduld an, „und ich will jetzt endlich wissen, wo
sie ist und wie es ihr geht, verdammt noch mal!“
„Ich kann verstehen, dass Sie aufgebracht sind, aber das ist noch lange kein Grund mich derart anzufahren, junger Mann“, entgegnet Coco barsch und hält Nicos geladenem Blick mühelos stand, bevor sie wieder zurück zu mir schaut, „okay, pass auf, Rotkäppchen. Ich habe zwar noch nichts von einem nächtlichen Neuzugang gehört, aber wenn ihr ein paar Minuten wartet, werde ich mich eben bei den zuständigen Kollegen informieren.“- Zoe -
„Da sind sie!“
Monas gedämpfter Ausruf und ihr sich festigender Griff um meine Schulter lassen mich aufschauen und ich halte die Luft an, als ich sehe, wie Romy und Nico in Begleitung einer
Krankenschwester durch die Eingangshalle des Krankenhauses auf uns zutreten.
Während Nicos Gesichtszüge immer noch verkrampft und stoisch sind, wechseln Romy und die Krankenschwester auf ungewöhnlich vertrauter Basis ein paar Worte.
Wahrscheinlich eine der Kolleginnen, die Romy noch aus ihrer Zeit im Krankenhaus kennt…
„Das ist Coco“, raunt Mona mir zu und nimmt ihre Hand von meiner Schulter, um sie leicht zum Gruß zu heben.
„Coco?“, frage ich ungläubig und streiche mir über meine mittlerweile tränengetrockneten Wangen, „die Freundin von deiner Cousine Ellie?“
„Ja, genau“, erwidert Mona nickend und hebt ihre Mundwinkel zu einem leichten, wenn auch aufmunternden Lächeln, „glaub mir, wenn sie sich um Lola kümmert, ist sie in den besten Händen.“
„Wenn du das sagst“, murmle ich und ziehe die Nase hoch, während ich meinen Kopf wieder zurückdrehe und die schwarzhaarige Krankenschwester mit den blauen und pinken Strähnen genauer mustere, bis diese schließlich mit einem mitfühlenden Lächeln vor mir stehen bleibt.
„Frau Jacobi, nehme ich an?“, fragt sie und schaut mich aufmerksam aus ihren grauen Augen an, woraufhin ich etwas ungeschickt mit meinen zittrigen Beinen aufstehe.
„Ähm, ja“, sage ich und nicke, „ja, ich bin Zoe Jacobi, die Verlobte von…“
„Lola Sommer“, beendet Coco meinen Satz und streckt mir immer noch lächelnd ihre Hand entgegen, „freut mich sehr Sie kennenzulernen. Ich bin Coco, die beste Freundin von Romy und…“
„…feste Freundin von Monas Cousine Ellie.“
Coco blinzelt überrascht, bevor ihr Lächeln etwas breiter wird.
„Ich sehe schon, mein Ruf eilt mir voraus“, sagt sie und wirft Mona einen vielsagenden Blick zu, bevor sie mit einem knappen Räuspern wieder zu mir zurückschaut, „nun gut, wie auch immer. Ich habe mich vorhin bei den Kollegen in der Notaufnahme über den Zustand ihrer Verlobten erkundigt und…“
„Sie wird gerade operiert.“
Nicos Stimme ist genauso leer wie sein Blick, mit dem er ziellos vor sich auf den Boden starrt, während sich mein Herz und mein Hals schmerzend zusammenziehen.
„O-Operiert“, stammle ich und greife nach Monas Arm, die ebenfalls aufgestanden ist und sich stützend neben mich gestellt hat.
„Ja.“ Coco nickt und wirft Nico für einen kurzen Moment einen verärgerten Blick zu, bevor sie sich ein weiteres Mal räuspert. „So wie es aussieht hat Ihre Verlobte sich bei dem Unfall neben diversen Schürfwunden und Hämatomen einige Prellungen und einen Schien- und Wadenbeinbruch zugezogen. Und leider gibt es da noch die Kopfverletzung, welche sich die
Ärzte auch noch genauer anschauen müssen.“
Mit jedem Wort, das Cocos Lippen verlässt, wird mein Herz schwerer und schwerer.
Schürfwunden.
Hämatome.
Prellungen.
Schien- und Wadeneinbruch.
Kopfverletzung…
„V-Verstehe“, presse ich kaum hörbar hervor und spüre, wie sich Monas Arm fest um meine Taille legt, so als wollte sie mich daran hindern, auseinanderzufallen, „und wie…wie lange dauert noch die…Operation?“
„Das ist leider schwer zu sagen. Wir müssen abwarten“, sagt Coco entschuldigend und legt mir nun ebenfalls eine Hand auf die Schulter, „aber vielleicht ist es ja ein kleiner Trost für Sie, wenn ich Ihnen sage, dass Ihre Verlobte trotz allem erhebliches Glück gehabt hat. Es gibt viele Motorradunfälle, die schwerer ausfallen und deren Verletzungen um einiges gravierender sind.“
„Ja, ich weiß“, murmle ich, während meine Gedanken für einen Moment zu Lolas Vater wandern, bevor ich langsam und tief Luft hole, „kann ich…kann ich hier warten? Also, bis die Operation vorbei ist, meine ich?“
„Selbstverständlich. Sowohl Sie, als auch die anderen“, erwidert Coco und nimmt mit einem weiteren Nicken ihre Hand wieder von meiner Schulter, „und wenn Sie noch andere Angehörige über den Unfall Ihrer Verlobten informieren möchten, dürfen Sie das natürlich auch tun.“
Ich schlucke und spüre, wie nun sämtliche Farbe aus meinem Gesicht weicht.
Oh nein…
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Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)
Romance- Fortsetzung zu „Liebe Auf Französisch" und „Weihnachten Auf Französisch" - Man sagt, dass die Hochzeit der schönste Tag des Lebens ist. Was einem jedoch niemand sagt, ist die Tatsache, dass bis zu diesem besagten schönsten Tag des Lebens eine Me...