- Lola -
Oh…
Ich schlucke und spüre, wie sich mein Magen ein wenig zusammenzieht, während die Worte meiner Mutter immer noch in meinem Kopf nachhallen und ich beginne, mehr und mehr auf meiner Unterlippe herumzukauen.
Zwar habe ich schon damit gerechnet, dass es nicht einfach werden würde, meiner Mutter zu verkünden, dass Nico und ich tatsächlich Halbgeschwister sind, aber sie nun bereits jetzt schon so derart am Boden zu sehen, lässt mich stark daran zweifeln, ob es wirklich so eine gute Idee ist, ihr von diesem positiven Testergebnis zu erzählen.
Was ist, wenn ich dadurch alles nur noch schlimmer mache?
Ich meine, sie hat Recht, wenn sie sagt, dass es ihr vor Nicos Auftauchen besser ging.
Im Allgemeinen hat sie in den letzten beiden Jahren unheimliche Fortschritte gemacht.
Sie hat aufgehört zu trinken, geht regelmäßig zu ihrer Therapie, kümmert sich gut um Danny, hat einen Job und dort auch Christoph kennengelernt, der sie wirklich zu mögen scheint.
Aber waren es wirklich Fortschritte, wenn Nicos Auftauchen sie so dermaßen aus der Bahn werfen kann?
Wobei…andererseits hat sie lediglich aufgehört, sich mit Christoph zu treffen…
Ihre anderen gemachten Fortschritte behält sie nach wie vor bei.
Zumindest für den Moment…
Denn wiederum weiß sie ja auch nichts von dem positiven Halbgeschwistertest, bei dem sie
ohnehin eher widerwillig mitgemacht hat.
Was ist, wenn dieses Testergebnis der entscheidende Stoß ist, der noch fehlt, um sie endgültig wieder in dieses tiefe Loch zu stürzen, in welchem sie all die Jahre gesteckt hat?
Schließlich weiß sie jetzt schon nicht, wie sie mit der Möglichkeit eines positiven Ergebnisses umgehen soll. Wie soll es dann erst werden, wenn ich ihr sage, dass es sich dabei nicht um eine Möglichkeit, sondern um einen nachweisbaren Fakt handelt?
Dass Nico und ich Halbgeschwister sind…dass Nico der Sohn meines Vaters ist…wie soll meine Mutter damit umgehen können, wenn sie den Tod meines Vaters auch nach all den
Jahren immer noch nicht vollständig verarbeitet hat?
Habe ich überhaupt das Recht dazu, das Leben meiner Mutter mit dieser Nachricht so derart auf den Kopf zu stellen, wenn ich doch weiß, dass ich ihr damit endgültig den Boden unter
den Füßen wegziehen werde?
Aber hat meine Mutter nicht andererseits auch ein Recht auf die Wahrheit?
Egal wie schwer oder belastend es im ersten Moment auch erscheinen mag…niemand hat es verdient angelogen zu werden…zumal die Wahrheit am Ende sowieso immer ans Licht kommt…nur tut es dann meistens noch mehr weh…
Und abgesehen davon wäre es auch Nico gegenüber mehr als ungerecht, wenn ich ihn gegenüber meiner Mutter verleugne.
Schließlich haben wir beide uns unglaublich über dieses Ergebnis gefreut und ich glaube auch, dass es Nico ein bisschen Halt gibt, insbesondere weil seit dem Tod seiner Mutter im Prinzip alleine ist…
Aber wie soll ich das machen?
Wie soll ich meiner Mutter von diesem Testergebnis erzählen?
Soll ich sie langsam darauf vorbereiten?
Oder es ihr einfach gerade heraus sagen?
Immerhin hat mein Plan, als ich ihr damals eigentlich möglichst schonend von Nico erzählen wollte, auch nicht funktioniert…
„Wie auch immer…“
Obwohl die Worte kaum zu hören waren, lassen sie mich zurück zu meiner Mutter schauen, die mit einem tiefen Seufzer ihre Schultern strafft und sich anschließend mit einem angedeuteten Lächeln zu mir dreht.
„Bist du schon wegen morgen aufgeregt?“
„Ähh…“ Zu meiner immer noch gerunzelten Stirn gesellt sich ein verwirrtes Blinzeln über den abrupten Themenwechsel. „Wegen…wegen morgen?“
„Ja.“ Meine Mutter nickt und sie versucht ihr Lächeln mit einem schwachen Lachen aufrecht zu erhalten. „Du weißt schon…wegen der Kleideranprobe.“
„Ach so, das meinst du.“
„Ja, natürlich“, erwidert meine Mutter, die nun an meiner Stelle verwirrt blinzelt, wohingegen ich mich mit einem amüsierten Kichern etwas mehr auf der Parkbank zurücklehne, „was hast du denn gedacht, wovon ich spreche?“
„Na ja“, ich zucke mit den Schultern, „von dem Junggesellinnenabschied.“
„Junggesellinnenabschied?“
„Frag nicht.“ Ich verdrehe die Augen und mache eine wegwerfende Handbewegung. „Eine der vielen Schnapsideen von unseren Trauzeugen. Wobei man in Direktorin Bergers Fall wohl eher von einer Weinidee sprechen müsste.“
Meine Mundwinkel heben sich zu einem vielsagenden Schmunzeln, während meine Mutter mich weiterhin verwirrt blinzelnd ansieht.
„Und dieser Junggesellinnenabschied ist auch morgen?“
Ich nicke. „Ja, morgen Abend. Aber es wird wohl zum Glück keine rauschende Party mit irgendwelchen komischen Aktionen oder peinlichen Aufgaben, die Zoe oder ich machen
müssen, sondern eher ein gemütliches Zusammensein. Also, Zoe zusammen mit Direktorin Berger und Romy und ich zusammen mit den Jungs, Rebecca und Xenia.“
„Das klingt doch schön.“ Das Lächeln auf den Lippen meiner Mutter nimmt deutlichere Züge an, ehe es im nächsten Moment auch schon wieder zu verblassen scheint. „Und dieser…dieser Nico…kommt der auch zu deinem Junggesellinnenabschied?“
„Ähm…nein, ich denke nicht“, erwidere ich und schüttle den Kopf, wobei sich gleichzeitig wieder ein schweres Gefühl aufgrund des missbilligenden Blickes in mir breit macht, „ich…also…ich habe ihm zumindest nicht Bescheid gesagt oder so.“
„Gut. Das ist gut“, murmelt meine Mutter kaum hörbar und strafft mit einem dezenten Nicken ihre Schultern, während das schwere Gefühl in mir immer beklemmender und erdrückender wird.
„Mama, ich…also…wegen Nico…äh…“
„Bitte nicht, Lola“, unterbricht meine Mutter mich und ich muss schlucken, als ich das uncharakteristische Zittern in ihrer Stimme höre, „ich…ich möchte jetzt nicht über diesen…diesen Jungen sprechen.“
Die in der Mimik meiner Mutter mitschwingende Ablehnung lässt mich ein weiteres Mal schlucken, bevor ich tief Luft hole und langsam nicke.
In diesem Zustand macht es ohnehin keinen Sinn mit ihr über das Testergebnis zu sprechen.
Ich muss warten…warten, bis sich ein besserer Zeitpunkt anbietet.
Vielleicht ein Zeitpunkt, in dem sie möglichst glücklich oder unbeschwert ist.
Aber eines ist sicher, ich werde meiner Mutter die Wahrheit sagen…nur eben nicht jetzt…- Zoe -
Das Geräusch näher kommender Schritte lässt mich von meinem Buch aufsehen und ich muss lächeln, als ich Marie und Constantin in dem Türrahmen zum Schlafzimmer stehen sehe.
Arm in Arm und ebenfalls lächelnd.
„Ich schätze, ihr habt euch ausgesprochen?“, frage ich und klappe das Buch in meinen Händen zu, ehe ich meine Beine über den Rand des Bettes schwinge und aufstehe.
„Ja, das kann man wohl sagen“, erwidert Marie und schmiegt sich, wie um ihre Aussage zusätzlich zu unterstreichen, noch etwas dichter an Constantin, welcher ihr wiederum einen sanften Kuss aufs Haar drückt, „und das haben wir ganz allein dir zu verdanken, Zouzou.“
„Jetzt übertreib mal nicht, Marie“, entgegne ich und stemme eine Hand in die Hüfte, während ich die beiden immer noch lächelnd betrachte.
„Elle a raison, Zoe“, sagt Constantin, der mich mit festem Blick ansieht, „ohne dich hätten wir vermutlich immer noch…äh…wie sagt man noch…parallel geredet?“
„Aneinander vorbeigeredet“, helfe ich Constantin mit einem leichten Lachen auf die Sprünge und seufze anschließend tief, „na gut, ganz wie ihr meint. Aber das Wichtigste ist doch, dass ihr euch endlich versöhnt habt.“
„Das stimmt.“ Marie seufzt ebenfalls und nickt langsam, bevor sich ein verschwörerisches Lächeln auf ihren Lippen ausbreitet. „Und deshalb werden Amélie, Thibault und ich auch heute Abend zu Constantin ins Hotel ziehen. Immerhin haben wir deine Lola und dich schon lange genug um eure…Privatsphäre…gebracht.“
„Marie!“, stöhne ich auf und spüre, wie meine Wangen schlagartig wärmer werden, als Marie mir vielsagend zuzwinkert und Constantin amüsiert vor sich hingrinst. „Du…du bist unmöglich, weißt du das?!“
„Tut mir Leid, Zouzou. Aber ich konnte einfach nicht widerstehen.“ Maries Lächeln wird etwas weicher, während sie sich von Constantin löst und auf mich zutritt, nur um ein paar
Sekunden später ihre beiden Hände auf meine Schultern zu legen und mich aufmerksam aus ihren grünen Augen anzusehen. „Pass auf, was hältst du davon, wenn wir heute Abend alle zusammen essen gehen? Oder vielleicht doch lieber selber ein großes Abendessen veranstalten? Zur Feier des Tages sozusagen?“
Immer noch etwas peinlich berührt über Maries vorherige Bemerkung mustere ich meine Schwester für einen Moment lang streng, bevor ich tief Luft hole und langsam nicke.
„Ja, das klingt gut“, sage ich und versuche, meine immer noch glühenden Wangen mit einem Räuspern zu überspielen, wobei ich jedoch gleichzeitig nicht verhindern kann, dass meine Gedanken in freudiger Erwartung bereits zu dem Ende des heutigen Abends wandern…
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Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)
Romance- Fortsetzung zu „Liebe Auf Französisch" und „Weihnachten Auf Französisch" - Man sagt, dass die Hochzeit der schönste Tag des Lebens ist. Was einem jedoch niemand sagt, ist die Tatsache, dass bis zu diesem besagten schönsten Tag des Lebens eine Me...