# 35

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- Lola -

„Ich…ich kann es immer noch nicht glauben…“
„Und dabei hältst du das Ergebnis sogar Schwarz auf Weiß in deinen Händen.“
„Sehr witzig“, schmunzelnd stoße ich Nico neben mir mit dem Ellenbogen gegen den Arm, der mich schief grinsend von der Seite ansieht, „jetzt tu mal nicht so, als würdest du das
einfach so wegstecken können.“
„Kann ich auch nicht“, entgegnet Nico schulterzuckend und nimmt einen langen Zug von seiner fast aufgerauchten Zigarette, als wollte er seine Aussage dadurch zusätzlich unterstreichen, „aber dieses Ergebnis ist mir eindeutig lieber als das andere, was hätte herauskommen können.“
„Ach, tatsächlich?“ Ich begegne Nico Zwinkern mit einer spielerisch hochgezogenen Augenbraue. „Auch wenn das bedeutet, dass du ab heute nicht nur eine kleine nervige Schwester, sondern auch noch einen kleinen Bruder bekommen hast?“
„Kleinen Bruder?“
Mit gerunzelter Stirn nimmt Nico einen weiteren Zug von seiner Zigarette, während ich bekräftigend nicke.
„Ja. Danny ist zwar nicht der Sohn meines…unseres…Vaters, aber er ist der Sohn meiner Mutter und…na ja…dadurch bist du ja auch irgendwie mit ihm verwandt.“
„Stimmt.“ Betont langsam atmet Nico den Zigarettenrauch wieder aus und betrachtet mich mit einem Ausdruck, den ich nicht ganz deuten kann, ehe er mit dem Kopf zur Seite auf sein
Motorrad deutet, welches einige Schritte von uns entfernt steht. „Apropos verwandt…als meine kleine Schwester darfst du natürlich auch mal fahren, wenn du möchtest. Und Danny auch…auch wenn ich denke, dass wir da besser noch ein paar Jahre warten sollten.“
Währen Nico amüsiert auflacht und einen letzten Zug von seiner Zigarette nimmt, betrachte ich sein Motorrad mit nachdenklicher Miene.
„Du weiß aber schon, dass ich überhaupt nicht fahren kann, oder?“
„Wenn du magst, bringe ich es dir bei. Also, so ein bisschen zumindest.“ Mein ungläubiger Blick lässt Nico erneut auflachen, als er die aufgerauchte Zigarette auf dem Boden austritt und dessen Stummel im Anschluss in seiner leeren Zigarettenschachtel verschwinden lässt. „Jetzt schau doch nicht so. So schwer ist das echt nicht.“
„Ja, kann schon sein“, murmle ich und beiße mir auf die Unterlippe, während ich unschlüssig von einem Fuß auf den anderen trete, „aber…na ja…“
„Was, aber?“, Nico stopft die leere Schachtel in seine hintere Hosentasche und vergräbt seine Hände in den beiden vorderen, „traust du dir das etwa nicht zu?“
„Doch…das schon…“
Der Biss auf meine Unterlippe wird etwas fester, während mir gleichzeitig die Worte meiner Mutter im Kopf herumschwirren, als sie erfahren hat, dass ich zusammen mit Nico Motorrad gefahren bin.
Sie wird ohnehin schon damit zu kämpfen haben, dass Nico Papas Sohn ist…sie konnte ihn ja kaum ansehen, als die beiden zum ersten Mal aufeinander getroffen sind…zumal diese Begegnung im Allgemeinen alles andere als herzlich gewesen ist…
Und wenn ich jetzt auch noch anfange Motorrad zu fahren und sie erfährt, dass Nico mich dazu gebracht hat, wird sie ihn mit Sicherheit nicht akzeptieren…geschweige denn mögen…
Aber andererseits…wie sollte sie davon erfahren?
Ich werde es ihr bestimmt nicht sagen…und Nico auch nicht…
Ich würde ja auch nicht permanent damit fahren, immerhin gehört Nico das Motorrad…
Und ich würde lügen, wenn ich sage, dass mir das gemeinsame Fahren mit ihm und dieses damit verbundene Gefühl von Freiheit nicht gefallen hat…
„Hey, alles gut“, ich spüre, wie Nico mir eine Hand auf die Schulter legt, „ich dachte nur, du hättest vielleicht Spaß daran. Aber wenn du nicht willst, ist das echt kein Problem. Es war nur ein Vorschlag…ein Angebot deines neuen großen Bruders. Immerhin liegt uns das Motorradfahren ja irgendwie im Blut stimmt’s?“
Nicos vielsagendes Zwinkern lässt mich tief Luft holen und ich senke für einen Moment meinen Blick, ehe ich nach einem kurzen Schulterstraffen wieder aufschaue.
„Ich…würde es aber gerne ausprobieren.“

- Zoe -

Gedankenverloren lehne ich mich auf der Parkbank zurück und schlage die Beine übereinander, während ich gleichzeitig weiter Amélie und Thibault beobachte, die auf dem
angrenzenden Spielplatz gerade damit beschäftigt sind zu überprüfen, wer von ihnen höher schaukeln kann.
Dabei kichern die Zwillinge um die Wette und es scheint fast so, als hätten sie die vorherigen Spannungen zwischen ihren Eltern vollkommen vergessen.
Zumindest für einen Moment…
Ich seufze leise und zwinge mich zu einem Lächeln, als Amélie und Thibault lachend zu mir schauen und mir etwas Unverständliches zurufen, woraufhin ich nur nicke.
Hoffentlich können Marie und Constantin endlich dieses Missverständnis aus der Welt schaffen, allein schon wegen ihrer Kinder…und sofern es sich auch wirklich um ein Missverständnis handelt…
Grübelnd lege ich die Stirn in Falten, bis ich schließlich, wenn auch mehr für mich selbst, den Kopf schüttle.
Nein, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Constantin Marie betrogen hat.
Das passt einfach nicht zu ihm, zumal er im Lügen mindestens so schlecht ist wie ich…
Aber wie sind dann dieser Brief und vor allen Dingen der Slip in seinen Koffer gekommen?
Dafür muss es doch eine Erklärung geben…auch wenn ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wie diese aussehen könnte…
Ich horche auf, als erneut lautes Rufen ertönt und sehe, wie Amélie und Thibault von ihren jeweiligen Schaukeln herunter gesprungen sind und nun kichernd auf den Eingang des Parks zustürmen, wo Constantin erschienen ist.
Mit einem Lächeln, welches selbst aus dieser Entfernung erschöpft wirkt, hockt er sich zu den Zwillingen hinunter und wechselt ein paar Worte mit ihnen, ehe er wieder aufsteht und
Amélie und Thibault mit einem zustimmenden Nicken wieder zurück zu ihren Schaukeln laufen.
Was soll das denn jetzt?
Verwirrt schaue ich zwischen den Zwillingen und Constantin, der nun mit gemächlichen Schritten auf mich zukommt, hin und her, bis er sich schließlich mit einem schweren Seufzen neben mich auf die Parkbank fallen lässt.
„Ich habe den Kindern gesagt, dass ich noch etwas mit dir zu besprechen hätte“, erklärt er ohne eine Frage meinerseits abzuwarten, „und dass ich hier in der Stadt noch geschäftlich zu tun hätte und deshalb in den nächsten Tagen im Hotel übernachten müsste.“
„Verstehe“, sage ich und nicke langsam, während sich gleichzeitig eine gewisse Ahnung in mir breit macht, „dann schätze ich mal, dass das Gespräch zwischen Marie und dir nicht so gut gelaufen ist?“
Mit einem spöttischen Lachen dreht Constantin seinen Kopf zu mir.
„Überrascht dich das wirklich?“, fragt er, wobei eine ordentliche Portion Sarkasmus in seiner Stimme mitschwingt, ehe er erneut tief aufseufzt und sich nach vorne beugt, um seinen Kopf in beiden Händen zu vergraben. „Je suis desolé…es tut mir Leid, Zoe. Ich…ich bin einfach nur…wie sagt man…rastlos?“
„Ratlos“, murmle ich und lege Constantin mitfühlend eine Hand auf die Schulter, „ist…ist es denn wirklich so schlecht gelaufen? Ich meine, du kennst doch Marie. Sie kann manchmal ein ziemlicher Sturkopf sein und steigert sich in gewisse Dinge…“
„Sie hat mich nicht einmal zu Wort kommen lassen“, unterbricht Constantin mich und richtet sich wieder auf, um mich direkt anzusehen, „Marie…sie war so…furieuse…so…wütend. Sie hat mich angeschrien und mir Dinge unterstellt…und…und dann hat sie angefangen zu weinen. Es hat mir das Herz zerrissen sie so zu sehen…und ich wollte sie trösten…ich wollte ihr alles erklären…aber sie…sie hat mich sofort wieder angeschrien und rausgeschmissen. Ich…ich weiß nicht mehr, was ich noch machen soll…ich bin…ratlos.“
Constantins stockende Erzählung und sein erneut kraftloses Seufzen am Ende machen mehr als deutlich, wie schwer es ihm fällt darüber zu reden, weshalb ich ihm ein weiteres Mal über die Schulter streiche.
„Vielleicht…vielleicht war Marie durch dein überraschendes Auftauchen einfach nur mit der Situation überfordert und hat deshalb so heftig reagiert“, versuche ich das Verhalten meiner Schwester zu erklären, was Constantin jedoch nur mit dem Kopf schütteln lässt.
„Non, ich denke nicht, dass das ein…différence…einen Unterschied gemacht hätte“, sagt er und schaut nach kurzem Schlucken wieder zu mir, „du glaubst mir auch nicht, n’est-ce pas?“
An seinem Tonfall erkenne ich, dass seine Frage rein rhetorischer Natur ist, obwohl in seinen Augen so etwas wie ein leichter Hoffnungsschimmer mitschwingt, welcher noch größer wird, als ich langsam nicke.
„Doch, ich…ich glaube dir, Constantin. Und deshalb…werde ich nochmal mit Marie reden…“

Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt