# 45

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- Lola -

„Verdammt“, fluche ich lautstark bei dem monotonen Klang des Piepsgeräuschs und nehme mein Handy wieder vom Ohr, um aufzulegen und mir anschließend mit einer Hand durch meine mittlerweile vollkommen zerzausten Haare zu fahren.
Acht Mal!
Ganze acht Mal habe ich jetzt schon versucht, Zoes Ex zurückzurufen und dieser gottverdammte Feigling geht einfach nicht dran!
Dieser elende, erbärmliche…ach, das bringt doch alles nichts!
Ich hole mehrmals tief Luft, in der Hoffnung, meinen hämmernden Herzschlag zumindest ein bisschen zu beruhigen, während ich zeitgleich mein Handy in meine Hosentasche schiebe.
Ruhig bleiben.
Ich muss ruhig bleiben und darf nicht die Nerven verlieren.
Egal ob dieser Vollpfosten nun drangeht oder nicht…die Tatsache, dass er im Besitz von Zoes Handy ist, bedeutet, dass Zoe bei ihm ist.
Nur dass das wahrscheinlich nicht auf einer freiwilligen Basis ihrerseits beruht…
Aber wie kann das überhaupt sein?
Zoe war doch mit Romy und Direktorin Berger in dieser komischen Nobelbar verabredet.
Und die beiden wären doch mit Sicherheit stutzig geworden, wenn Zoe nicht in der Bar aufgetaucht wäre…
Oder hat Robert ihr das Handy geklaut?
Ist er dort in der Bar aufgekreuzt und hat Zoe ohne ihr Wissen das Handy abgenommen?
Aber wie hätte er das machen sollen? Und außerdem müsste sie das auch eigentlich gemerkt haben…
Und wenn Robert doch Zoe bei sich hat?
Wenn er sie vielleicht sogar bedroht…ach, scheiße!
Ich schnaufe und widerstehe nur mit allergrößter Mühe dem Drang, laut vor mich hinzufluchen.
So geht das nicht!
Ich kann nicht noch länger hier stehen bleiben und ein Horrorszenario nach dem anderen in meinen Gedanken kreieren!
Ich muss wissen, was mit Zoe ist, wo sie ist und ob es ihr gut geht!
Vorher habe ich keine Ruhe!
Und das bedeutet, dass ich irgendwie zu dieser Bar kommen muss…
Selbst wenn Zoe dort nicht gewesen sein sollte, wird sich einer der Angestellten bestimmt an Direktorin Berger oder Romy erinnern können.
Denn wenn Zoe wirklich nicht in der Bar aufgetaucht sein sollte, werden sich die zwei nach ihr erkundigt haben.
Gerade Direktorin Berger wird in der Hinsicht mit Sicherheit einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben…
Und wenn Zoe doch zusammen mit den anderen in der Bar ist, können die drei vielleicht wenigstens erklären, wie Zoes schmieriger  Exmann an ihr Handy gekommen ist.
Ja.
Ich muss zu dieser Bar.
Und das am besten so schnell wie möglich!
Aber wie?
Bus oder Bahn dauert zu lange.
Ein Taxi ist zu teuer.
Und die Autowerkstatt von Yusuf mit den ganzen parkenden Autos ist viel zu weit weg, zumal Habib oder Nico getrunken haben und mich sowieso nicht fahren könnten...
Moment mal!
Nico!
Natürlich!
Ruckartig drehe ich meinen Kopf und lasse meinen Blick in Richtung des abgestellten Motorrads meines Halbbruders gleiten.
Das ist es!
Das ist die Lösung!
Verdammt, warum bin ich nicht früher darauf gekommen?!
Trotzdem breitet sich ein grummelndes Gefühl in meinem Magen aus und lässt mich innehalten, als ich einen Schritt auf das Motorrad zutreten will.
Ob ich…
Soll ich…
Und kann ich überhaupt…
Ach, scheiß drauf!
Ich werde das schon irgendwie hinbekommen!
Beim letzten Mal auf dem Vorplatz vor Yusufs Autowerkstatt hat es doch auch geklappt!
Und Nico meinte auch, dass ich Talent hätte!
Ja, das wird schon!
Ich kriege das hin!
Und außerdem habe ich jetzt auch wirklich keine Zeit für irgendwelche Zweifel!
Ich muss in diese Bar!
Ich muss zu Zoe!
Jetzt!
Sofort!
Und um jeden Preis!

- Zoe -

„Hergott, wie lange soll das denn noch dauern?!“, stoße ich hervor und rutsche unter dem sich spannenden Druck des Anschnallgurtes an den Rand der Rückbank des Taxis vor, um zwischen dem Fahrer- und Beifahrersitz, auf welchem Mona sitzt, hindurch und auf die überfüllte Straße vor uns zu sehen, „wir stehen jetzt schon seit über zehn Minuten
hier!“
„Und der Stau vor uns wird sich sicherlich nicht dadurch auflösen, dass du mir ins Ohr schreist, Süße“, entgegnet Mona trocken und bedenkt mich mit einem Blick, der mich frustriert aufschnaufen und zurück in die Rückbank sitzen lässt.
Das kann doch alles nicht wahr sein!
Warum jetzt?!
Warum ausgerechnet jetzt?!
Jede Sekunde, die ich mit Warten in diesem verfluchten Taxi verschwende, ist eine Sekunde
zu viel!
Ich muss zu Lola!
Lola…verdammt!
Ich hole tief Luft und massiere mit zwei Fingern meine pulsierende Schläfe, ehe ich meinen Blick wieder nach vorne richte.
„Können Sie denn nicht irgendwo anders lang fahren? In eine Nebenstraße oder so?“
„Vor ein paar Straßen hätte ich es noch gekonnt. Aber jetzt leider nicht mehr, gute Frau“, sagt der ältere Taxifahrer und wirft mir einen entschuldigenden Blick im Rückspiegel zu, während Romy neben mir meine Hand nimmt und beruhigend mit ihrem Daumen über meinen Handrücken streicht.
„Willst du vielleicht noch einmal versuchen, Lola über mein Handy zu erreichen?“
„Wozu?“, entgegne ich schroffer, als ich es eigentlich beabsichtigt habe, und ziehe meine Hand aus ihrer, um mir stattdessen einmal damit übers Gesicht zu fahren, „bei den letzten
Malen ist sie auch nicht drangegangen. Das…das bringt doch alles nichts!“
„Es ist aber immer noch besser als hier tatenlos herumzusitzen und uns anzufahren. Wir können schließlich am wenigsten etwas dafür“, erwidert Mona ruhig, deren grüne Augen mich im Rückspiegel geradezu fixiert haben, „und im Übrigen hättest du uns auch früher sagen können, dass dieser missratene Schleimbolzen dein Handy zerstört und dich zuvor im Waschraum eingesperrt hat.“
„Ach ja?!“, ich schnaube verächtlich und erwidere Monas Blick fest, „und was hätte das deiner Meinung nach gebracht, hm? Vielleicht eine Anzeige wegen Beleidigung seitens Robert  gegen dich?“
„Im Moment wärst du in dieser Hinsicht wohl mehr gefährdet als ich“, sagt Mona unbeeindruckt, doch ich erkenne an ihrer sich leicht kräuselnden Nase ihren wachsenden Ärger über meine Worte, „zumal es zu dieser Situation auch gar nicht erst gekommen wäre, wenn du…“
„Ja, ich weiß!“, fauche ich und sehe aus den Augenwinkeln, wie sowohl Romy als auch der Taxifahrer über die Schärfe in meiner Stimme zusammenzucken, „wenn ich auf dich gehört und nicht alleine mit Robert gesprochen hätte! Du hattest Recht und ich hatte Unrecht! Ist es das, was du hören willst, Mona?! Bist du jetzt zufrieden?!“
„Ich wäre schon zufrieden, wenn du in einem angemessenen Ton mit mir sprechen würdest!“, zischt Mona zurück und ihre Kiefermuskeln zucken gefährlich, als sie sich von dem Beifahrersitz zu mir umdreht und mich wütend aus ihren mittlerweile schmal geformten Augen anfunkelt, bis Romy sich vorlehnt und uns beiden jeweils eine Hand auf die Schulter legt.
„Leute, bitte“, sagt sie und schaut uns dabei abwechselnd eindringlich an, „wir haben uns alle den Abend anders vorgestellt. Aber denkt ihr nicht, dass es sinnvoller wäre, wenn wir uns jetzt darauf konzentrieren, so schnell wie möglich zu Lola und den anderen zu kommen, anstatt darüber zu diskutieren, wie es zu dieser Situation gekommen ist und wer daran Schuld hat?“
„Das klingt doch nach einem sehr vernünftigen Vorschlag.“
Das zustimmende Nicken seitens des Taxifahrers stockt, als Mona, Romy und ich langsam und mit irritierten Mienen unsere Köpfe in seine Richtung drehen, und er beginnt, sich peinlich berührt am Kopf zu kratzen.
„Na ja, ähm…ich meine ja nur“, brummt er und schaut mit einem kurzen Räuspern wieder zurück auf die mit Autos übersäte Straße, während Mona tief aufseufzt.
„Okay, verschieben wir diese Diskussion auf ein anderes Mal“, sagt sie und richtet ihren Blick von dem Taxifahrer über Romy zurück auf mich, „willst du wirklich nicht nochmal versuchen, Lola über Romys Handy zu erreichen? Vielleicht geht sie ja dieses Mal ran.“
Ich schlucke schwer und schüttle langsam den Kopf. „Glaub ich nicht. Und je nachdem, was Robert zu ihr gesagt hat…“
Meine Stimme versagt durch das plötzliche Gefühl der Enge in meinem Hals und ich atme mehrmals tief durch.
Stau hin oder her.
Ich muss zu Lola!
Ich darf sie nicht verlieren!
Nicht wegen Robert!
Nein, erst recht nicht wegen Robert!
Ich muss zu ihr!
Irgendwie!
„Bist du verrückt geworden, Süße?“, fährt Mona mich an, als ich an dem Griff der Autotür ziehe, um diese zu öffnen, „du willst doch jetzt nicht ernsthaft aussteigen, oder?“
„Wir fahren doch sowieso nicht“, entgegne ich knapp und drücke die Tür des Taxis vorsichtig auf, um das Auto auf der benachbarten Spur nicht zu beschädigen, als eine Hand auf meiner Schulter mich wieder zurückzieht.
„Du weißt aber schon, dass es noch ein gutes Stück bis zu Xenias Kneipe ist, oder?“, fragt Romy und mustert mich derart prüfend aus ihren blauen Augen, als wolle sie feststellen, ob ich meinen Verstand nun völlig verloren hätte, was ich auch bald tun würde, wenn wir nicht bald vorankommen würden.
„Natürlich weiß ich das. Aber wenn ich hier weiter so tatenlos rumsitze und nicht irgendetwas unternehme, drehe ich noch durch. Ich…ich muss einfach zu Lola. Jetzt.“
Mit diesen Worten schiebe ich Romys Hand von meiner Schulter und steige unter Monas weiteren Protestrufen aus dem Taxi aus.
Geschickt und begleitet von vereinzeltem Gehupe verärgerter Autofahrer schlängle ich mich zwischen ein paar der vor sich hin brummenden Autos hindurch, bis ich schließlich auf dem Bürgersteig angekommen bin und so schnell, wie es mir die Absätze meiner Schuhe erlauben, darüber hinweg eile.
Dabei gleitet mein Blick über die Autos, die sich dicht an dicht über die Hauptstraße hinweg und weiter bis um die Ecke reihen.
Meine Güte, wie lang geht denn dieser Stau noch?
Ich meine, ein Stau in der Stadtmitte an sich ist ja schon etwas ungewöhnlich, aber dann gleich so ein langer…
Kopfschüttelnd trete ich um die Ecke herum und kneife überrascht meine Augen über die prägnant blendenden blauen Lichter eines Krankenwagens zusammen.
Oh…das erklärt natürlich den aufgekommenen Stau.
Ich bleibe stehen betrachte unschlüssig die sich vor mir abspielende Szenerie.
Ein paar weiter sich aneinanderreihende Autos, die vor der improvisierten Absperrung aus ein paar notdürftig nebeneinander stehenden Warndreiecken halten.
Der Krankenwagen mit weit geöffneten Hintertüren und Sanitätern, die geschäftig umhereilen und sich scheinbar um eine am Boden liegende Person kümmern.
Und ein Motorrad, das in einiger Entfernung und erheblich beschädigt am Boden liegt.
Oh nein…
Ich schlucke schwer.
Vielleicht sollte ich doch besser einen anderen Weg zu Xenias Kneipe nehmen.
Irgendwo hier muss doch eine Nebenstraße abgehen, die…
„Das ist mir egal! Ich fahre mit!“
Erschrocken über den plötzlichen Ausruf zucke ich zusammen und drehe meinen Kopf instinktiv zurück zu dem Unfallgeschehen.
Aber das…das ist doch…!
Meine Augen weiten sich, als ich Nico sehe, der mit entschlossener Miene auf einen der Sanitäter einredet, während die anderen beiden Sanitäter damit beschäftigt sind, die am Boden liegende Person vorsichtig auf die Trage zu hieven.
Was…was macht Nico hier?
Ist das etwa sein Motorrad dort hinten?!
Hatte...hatte er diesen Unfall?!
Aber wieso ist er dann vollkommen unverletzt?
Hatte er einfach nur riesiges Glück?
Einen großen Schutzengel?
Oder…?
In diesem Moment fällt mein Blick wieder auf die Trage und meine Gedanken erstarren.
Nein…
Nein!
Lola!

Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt