# 26

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- Lola -

„So, bittesehr.“ Mit wichtiger Miene tritt der Juwelier mit der goldumrandeten Brille, der vor wenigen Augenblicken noch im hinteren Bereich des Geschäfts gewesen ist, zurück an den Tresen und platziert die kleine quadratische Box darauf, dessen Deckel er mit wichtiger Miene aufklappt. „Sind das die gewünschten Exemplare gewesen?“
„Ja, das sind sie“, sage ich und spüre das breite Lächeln, welches sich über meine Lippen zieht, während ich auf die Eheringe in der aufgeklappten Box schaue, die Zoe und ich vor
einigen Wochen gemeinsam ausgesucht haben.
Dieser Aussuchprozess hat uns fast einen ganzen Vormittag gekostet, da wir uns bei der riesigen Auswahl an Ringen kaum entscheiden konnten, zumal auch noch erschwerend hinzu
kam, dass Zoe die klassisch goldenen Ringe bevorzugte, wohingegen ich silberne Ringe schöner fand.
So standen wir also mehrere Stunden lang vor den unterschiedlichen Vitrinen und ließen uns immer wieder neue Modelle von den üppig bestückten Ringauslagen zeigen, bis Zoe schließlich die rettende Idee hatte und sich an die Hochzeit ihrer Cousine erinnerte, welche sich damals mit ihrem Mann für ein ineinanderverschlungenes Design der Eheringe entschieden hatte, wodurch die einzelnen Ringe so aussahen, als würden sie jeweils aus einem goldenen und einem silbernen Ring bestehen, die schräg aneinanderliegend miteinander
verbunden sind.
Ein Design, welches zudem wohl recht gerne von französischen Ehepaaren gewählt wurde.
„Und außerdem würden wir so immer einen Teil des jeweils anderen bei uns tragen, chérie“, hatte Zoe noch zusätzlich ergänzt und mich dabei so derart angestrahlt, dass ich gar nicht anders konnte, als ihr Lächeln zu erwidern und ihrer Idee zuzustimmen, zumal ich diesen Gedanken mehr als schön fand.
Ich hätte Zoe am liebsten immer bei mir.
Jeden einzelnen Moment…
„Perfekt.“ Mit einem Zwinkern in meine Richtung klappt Rohan die Box auf dem Tresen zu und steckt sie in seine Jackentasche, welche er sorgsam verschließt und anschließend leicht draufklopft. „Dann nehme ich diese guten Stücke bis zu dem großen Tag mal an mich.“
„Tun Sie das, junger Mann, tun Sie das“, erwidert der Juwelier und nickt zustimmend, bevor sein Blick amüsiert zwischen Rohan und mir hin „dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag und dem jungen Paar natürlich alles Gute für die Zukunft.“
Dem jungen Paar?
Denkt…denkt er etwa…?
Etwas befremdlich schaue ich zu Rohan, der hingegen mehrfach blinzelnd den Juwelier ansieht und sich anschließend verlegen am Kopf kratzt, als er meinen Blick aus den
Augenwinkeln bemerkt.
„Ähm…ja…danke“, murmelt er nach einer guten halben Minute peinlicher Stille und nickt dem Juwelier abschließend zu, ehe er mir mit einer Kopfbewegung in Richtung Tür zu
verstehen gibt, dass wir wohl jetzt besser gehen sollten.
Draußen angekommen greift er in die Innentasche seiner Jacke, zieht eine seiner selbstgedrehten Zigaretten hervor und zündet diese an, während ich ihn schweigend von der Seite betrachte.
Vielleicht war es doch keine gute allzu Idee von mir gewesen, ausgerechnet Rohan zu meinem Trauzeugen zu machen…
Immerhin war er mal in mich verliebt…oder…ist er es vielleicht sogar immer noch?
Grübelnd lege ich die Stirn in Falten und mustere Rohan weiter.
„Wolltest du nicht auch damit aufhören?“, frage ich schließlich und versuche, die wachsende Anspannung durch einen leichten Stoß gegen Rohans Oberarm zu durchbrechen, was Rohan jedoch nur ein gleichgültiges Schulterzucken entlockt.
„Ja, irgendwann. Vielleicht nächstes Jahr oder so. Mal sehen“, murmelt er abwesend und nimmt einen Zug von der Zigarette zwischen seinen Fingern, ehe er nach kurzem Innehalten den Rauch zur Seite und damit von mir weg pustet.
„Verstehe“, sage ich leise und kaue nachdenklich auf der Innenseite meiner Wange herum, „wie…ähm…wie war eigentlich dein Date mit…äh…Laura?“
„Lara“, verbessert Rohan mich und zuckt nach einem kurzen Seufzer erneut mit den Schultern, „na ja, ganz okay…denke ich.“
„Denkst du?“, hake ich nach und hebe eine Augenbraue, woraufhin Rohan ein weiteres Mal aufseufzt.
„Lara ist…nett…und witzig…und…na ja, so was alles. Und wir haben uns auch ganz gut verstanden. Aber sie ist nunmal nicht wie…“
Anstatt weiterzusprechen nimmt er einen weiteren, etwas tieferen Zigarettenzug und vergräbt seine andere Hand tief in seiner Hosentasche, während ich mir nun schuldbewusst auf die Unterlippe beiße.
Wusste ich’s doch…
Ach, verdammt…
„Rohan“, setze ich an und trete einen Schritt auf ihn zu, wodurch sich die braunen Augen meines besten Freundes auf mich richten, „wenn du…also…wenn du vielleicht doch nicht mein…na ja…Trauzeuge sein möchtest, dann…“
„Das möchte ich aber, Lola“, unterbricht Rohan mich, bevor ich weitersprechen kann, und schenkt mir ein ehrliches Lächeln, welches jedoch auch von einigen schmerzhaften Zügen durchzogen wird, „ich meine, klar…natürlich würde ich mir wünschen, dass es…irgendwie anders wäre…aber das ist es nunmal nicht und ich muss das früher oder später akzeptieren. Und abgesehen davon möchte ich an diesem besonderen Tag so viel wie möglich für dich da sein, also ist die Trauzeugenposition wahrscheinlich die Allerbeste dafür.“
„Ach, Rohan...“ Gerührt lächle ich meinen besten Freund an und streiche ihm mit sanft über die Schulter. „Du bist viel zu gut für diese Welt, weißt du das?“
„Ach, jetzt hör schon auf, Lola“, entgegnet Rohan kopfschüttelnd und nimmt einen letzten Zug von seiner Zigarette, ehe er diese anschließend auf dem Boden austritt, „komm, ich
bringe dich nach Hause.“

- Zoe -

„Also, ich muss schon zugeben, dass Xenia und Pierre sich echt Gedanken bezüglich des Hochzeitsmenüs gemacht haben. Auch wenn sich manche Sachen hier mehr nach einem Menü in einem Fünf-Sterne-Restaurant anhören. Das muss eindeutig von Pierre kommen. Ich meine, magst du so was wie Wildpastete oder gebackene Lammkeule? Ich würde ja etwas…na ja…mehr Alltägliches bevorzugen. Also, nicht komplett alltäglich, aber…na ja…auch nicht unbedingt so ausgefallen. Oder was meinst du, Zoe? Zoe? Zoe?“
„Was?“
Erschrocken über die Berührung an meiner Schulter zucke ich zusammen und drehe meinen Kopf zur Seite, wodurch ich Lolas azurblauen Augen begegne, die mich sowohl fragend als
auch irritiert mustern.
„Hast du mir in den letzten Minuten überhaupt zugehört?“
„Ähm“, für einen Moment lang halte ich den Augenkontakt zu Lola aufrecht, bis ich diesen mehrfach blinzelnd unterbreche und mir beschämt eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr streiche, „ja…natürlich…“
„Hat aber nicht so gewirkt“, entgegnet Lola spöttisch und ich sehe aus den Augenwinkeln, wie sie zweifelnd eine Augenbraue hochzieht, „im Allgemeinen wirkst du momentan mit
deinen Gedanken etwas abwesend.“
„Ach, Unsinn“, erwidere ich und verfluche mit für das leichte Zittern in meiner Stimme, während ich gleichzeitig versuche, durch das Straffen meiner Schultern etwas an Überzeugungskraft zu gewinnen „das…das bildest du dir nur ein, chérie. Es ist alles in Ordnung…wirklich.“
„Und warum schaust du mich dann nicht mal an, wenn du mir das sagst?“
Ich muss meinen Kopf nicht mal in Lolas Richtung drehen, um zu wissen, dass ihr Blick mittlerweile besorgte Züge angenommen hat und schließe die Augen, um tief Luft zu holen, bevor ich in nun doch in ihre Richtung schaue, wodurch ich erneut ihren azurblauen Augen begegne.
„Du…du musst dir wirklich keine Gedanken machen, chérie. Es ist…na ja…momentan einfach nur alles sehr viel mit den Hochzeitsvorbereitungen, dem Streit zwischen Marie und Constantin…“
…dem plötzlichen Auftauchen von Robert…
Ich beiße mir rechtzeitig auf die Unterlippe, bevor mir diese Worte aus dem Mund stolpern, aber Lolas Stirnrunzeln nach zu urteilen scheint sie ohnehin nicht allzu überzeugt von meiner Erklärung zu sein.
„Aber da ist doch noch etwas, was dich beschäftigt, Zoe. Das spüre ich doch“, entgegnet sie und rutscht auf unserem Bett ein Stück näher zu mir, auf welchem wir um uns herum die von Xenia und Pierre erstellten Unterlagen bezüglich unseres Hochzeitsessens ausgebreitet haben,
„bitte, Zoe. Wenn dich etwas beschäftigt oder gar belastet, möchte ich das wissen, weil ich will, dass es dir gut geht…weil du mir unendlich wichtig bist…und weil ich dich liebe.“
Lola…
Ich spüre, wie sich mein Hals zusammenschnürt und erwidere hilflos ihren Blick, bis ich schließlich meinen Kopf mit einem kraftlosen Seufzer nach vorne auf Lolas Schulter sinken lasse.
„Ich liebe dich auch, chérie. Ich liebe dich so unendlich sehr.“
Meine Stimme ist nicht mehr als ein kratziges Flüstern und ich fühle, wie ich mehr und mehr in mir zusammensinke.
Ich würde Lola so gerne von der Begegnung mit Robert erzählen…aber was mache ich, wenn sie das Ganze falsch auffasst?
Wenn sie mein vorheriges Schweigen so interpretiert, dass ich immer noch Gefühle für ihn habe und ihr deshalb nichts von ihm erzählt habe?
Dabei habe ich doch gar keine Gefühle mehr für Robert!
Zumindest keine romantischen Gefühle…aber trotzdem ist da noch immer irgendetwas in mir, was sich noch nicht von ihm gelöst hat…aus welchem Grund auch immer…
Aber das kann ich Lola doch nicht sagen!
Sie würde das sofort falsch auffassen und denken, dass ich Robert noch liebe und dementsprechend unsere Beziehung und Hochzeitspläne komplett infrage stellen.
Dabei liebe ich Robert doch gar nicht mehr!
Ich liebe Lola!
Ausschließlich Lola!
Aber wie soll ich ihr diesen komischen und komplizierten Zwiespalt in mir begreiflich machen und vor allen Dingen verständlich in Worte fassen, wenn ich ihn selbst nicht einmal richtig verstehe?
„Tut mir Leid, Zoe.“
Was?
Überrascht über Lolas geflüsterte Worte horche ich auf und erschauere einen Moment später, als sich Lolas Arme schützend um mich legen und mich näher zu ihr ziehen, bevor eine ihrer Hände in meine Haare wandert und ihre Finger sanft durch meine Strähnen streichen.
„Ich wollte dich nicht zu irgendeiner Aussage drängen. Ich meine, es kommt zurzeit ja wirklich einiges zusammen“, höre ich Lola leise sagen und zittere leicht, als ich ihren Atem an meinem Ohr spüre, „ich würde vorschlagen, dass wir für heute Schluss machen und schlafen gehen. Es war ein langer und anstrengender Tag und wir brauchen unsere Kraft für morgen, wenn wir bei Romy und ihrem Sohn bezüglich der Besprechung der Musikauswahl
sind.“
„Ja…das stimmt“, krächze ich schwach und bringe nicht mehr als ein knappes und an Lolas Schulter gedrücktes Nicken zustande, woraufhin Lola ebenfalls leicht nickt.
„Gut. Aber bitte versprich mir eines, Zoe. Bitte rede mit mir, wenn es irgendetwas gibt, was dich beschäftigt oder belastet, okay?“
Ich hole tief Luft und halte für einen Moment lang erneut inne, bis ich ein weiteres Mal knapp nicke.
„Ja, chérie…versprochen."

Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt