- Lola -
„Du…du heiratest?“
„Ja.“ Der ungläubige und mehrfach blinzelnde Blick meines Vaters lässt mich auflachen, während ich mich schräg gegen das Geländer der Brücke lehne, „in etwa einer Woche ist es soweit. Da geben Zoe und ich uns das Ja-Wort. Und ich kann es kaum erwarten, von da an den Rest meines Lebens mit ihr zu verbringen.“
„Ja…verstehe...“
Nanu?
Das Zögern in der Stimme meines Vaters lässt mich fragend die Stirn runzeln, wohingegen er mit einem kaum merklichen Zucken seiner Mundwinkel zur Seite und über den Hafen vor uns schaut, an dessen Horizont die untergehende Sonne mehr und mehr verschwindet.
Fast so, als wäre er tief in seinen Gedanken versunken…
So eine Reaktion hatte er bis jetzt noch gar nicht gehabt.
Nicht einmal, als ich ihm erzählt habe, wie sehr sein Tod Mama belastet hat…
Oder von unserem jahrelangen angespannten Verhältnis zueinander…
Oder von der Tatsache, dass in der Zwischenzeit nicht nur Mama Danny bekommen hat, sondern dass er auch noch obendrein der Vater von Nico ist, wovon er auch absolut keine
Ahnung hatte…
Warum also reagiert er jetzt plötzlich so komisch?
So…in sich gekehrt?
Habe ich vielleicht etwas Falsches gesagt?
Etwas, was ihn eventuell verletzt haben könnte?
Aber was sollte das denn sein?
Oder denkt er, dass ich für eine Hochzeit noch zu jung bin?
Dass ich dadurch vielleicht einen Fehler mache und es später bereuen könnte?
Aber warum sollte er das denken?
Auch wenn er anfangs etwas überrascht gewesen ist, dass Zoe und ich Lehrerin und Schülerin waren, als wir uns kennengelernt haben, hat er unsere Beziehung doch ganz gut aufgenommen.
Was also beschäftigt ihn so sehr?
„Alles…alles in Ordnung, Papa?“, frage ich vorsichtig nach einer weiteren kleinen Ewigkeit des Schweigens, woraufhin mein Vater erneut mehrmals blinzelt und nach ein paar Momenten des Innehaltens zu mir sieht.
„Ja, alles in Ordnung, Kleines“, sagt er und schenkt mir ein zuversichtliches Lächeln, in welchem jedoch nicht die übliche Freude und Sorglosigkeit mitschwingt, wie es sonst der Fall
ist.
Die Falten auf meiner Stirn vertiefen sich und ich kneife prüfend die Augen ein Stück zusammen.
„Das glaube ich dir nicht“, entgegne ich und verschränke die Arme vor der Brust, „dich beschäftigt irgendetwas. Das sehe ich dir an. Also, was ist los?“
„Diese Beobachtungsgabe hast du eindeutig von deiner Mutter.“
„Jetzt lenk nicht ab“, entgegne ich und kann dabei den leicht verärgerten Tonfall in meiner Stimme nicht verbergen, wodurch das nun präsente und eigentlich recht belustigte Schmunzeln meines Vaters ein wenig auf seinen Lippen verrutscht, „hast du etwas gegen Zoes und meine Hochzeit?“
„Ach, quatsch“, entgegnet mein Vater kopfschüttelnd und verzieht das Gesicht, „warum sollte ich denn etwas dagegen haben?“
„Und was beschäftigt dich dann?“, frage ich hartnäckig weiter und richte mich ein Stück auf, als mein Vater mit einem tiefen Seufzer durch seine dunklen Locken fährt und im Anschluss daran meinem Blick ausweicht, um zur Seite zu schauen.
„Na ja, es…es ist nur so, dass…dass ich eigentlich gehofft hatte, dass ich dich nun fortan wieder bei mir haben werde.“
W-Was?
Verwirrt blinzelnd lege ich den Kopf schief und trete nach kurzem Zögern einen Schritt auf meinen Vater zu, der meinem Blick immer noch ausweicht.
„Wie…wie meinst du das?“, frage ich langsam und muss schlucken, als seine dunklen Augen wieder zurück zu mir wandern und er ein weiteres Mal tief aufseufzt.
„Wo, glaubst du, befindest du dich gerade, Lola?“
„Ich…ähm…“
Ich stocke und schaue mich um.
Ich bin am Hafen.
So viel steht fest.
Aber da Papa auch hier ist, kann es auch nicht der echte Hafen sein, zumal die Tageszeit ja auch nicht stimmen kann…
Vielleicht ist es ein Traum?
Aber das kann auch nicht sein….
Ich war doch bis gerade eben noch auf dem Weg zu Zoe und als dann das Auto…
Ich erstarre.
Nein.
Nein!
Das…das kann nicht sein!
Panik breitet sich in meinem Brustkorb aus…
…schnürt mir den Hals zu…
…nimmt mir die Luft zum Atmen…
…bis mein Vater mich fest mit beiden Händen an den Schultern umfasst.
„Ganz ruhig, Kleines“, sagt er und schaut mich fest aus seinen dunklen Augen an, „mach dir keine Sorgen, okay? Du hast noch Zeit, um zurückzugehen.“
„Z-Zurückgehen?“, presse ich um Ruhe bemüht fragend hervor und folge seinem Blick, als dieser wieder über den Hafen zur untergehenden Sonne wandert.
Untergehende Sonne…natürlich…jetzt ergibt auch die falsche Tageszeit endlich einen Sinn!
Ich schlucke und drehe meinen Kopf zurück zu meinem Vater, dessen Griff um meine Schultern sich inzwischen gelöst hat und er mich für einige Augenblicke lang mit einem wehmütigen Lächeln betrachtet, bevor er schließlich einen Schritt von mir zurücktritt.
„Geh schon.“
„Aber, Papa…“
„Nein, Lola“, sagt er und tritt einen weiteren Schritt zurück, als ich wieder auf ihn zutreten will, „geh. Bitte geh. Glaub mir, ich hätte damals alles dafür gegeben, diese Möglichkeit zu haben. Zurückzugehen, dich aufwachsen zu sehen und ein Teil von deinem und dem Leben deiner Mutter zu sein. Ihr wart damals alles für mich und seid es immer noch. Aber ich hatte diese Möglichkeit nunmal nicht. Und was wäre ich für ein Vater, wenn ich dich um diese Möglichkeit bringen würde? Es war ohnehin schon egoistisch genug von mir, dich so lange hier bei mir zu behalten und im Unwissen über die momentane Situation zu lassen. Ich…ich wollte einfach nur wissen, wie es dir in den letzten Jahren ergangen ist…ohne dass ich für dich da sein konnte. Ich wollte wissen, ob es dir gut geht…und ob du glücklich bist. Aber das bist du. Das spüre ich einfach. Und es macht mich wiederum auch sehr glücklich. Und ich möchte nicht, dass dir so wie mir damals das Glück so früh genommen wird. Und deshalb…deshalb musst du jetzt wirklich gehen…und ich muss endlich aufhören zu reden und dich noch länger vom Gehen abzuhalten.“
Obwohl mir und meinem nun erneut zugeschnürten Hals eigentlich nicht danach ist, bringt mich die letzte Bemerkung meines Vaters kurz zum Auflachen, während sein schwerer
werdendes Lächeln ebenfalls etwas breiter wird.
Ach, Papa…
Bevor er erneut zurückweichen kann, trete ich mit ein paar schnellen Schritten auf ihn zu und drücke mich fest an ihn.
„Ich hab dich lieb, Papa.“
„Ich hab dich auch lieb, Kleines“, höre ich ihn leise flüstern und spüre, wie er mir einen leichten Kuss auf den Scheitel drückt, ehe er mich sanft aber bestimmt wieder von sich wegschiebt, „und sag deiner Mutter, dass ich mir wünsche, dass sie auch endlich wieder glücklich wird. Genauso wie du.“
„Das mache ich, Papa. Versprochen“, sage ich und nicke kurz, während mein Herz immer schwerer und der Hafen und die Umgebung um mich herum gleichzeitig mit einem Mal wieder etwas heller werden.
Dieselbe Helligkeit von vorhin, als ich hier am Hafen angekommen bin …
„Danke, Kleines.“ Mit einem Lächeln tritt mein Vater noch ein paar zusätzliche Schritte von mir zurück, bis er auch mehr und mehr von Helligkeit umhüllt wird. „Und mach dir keine Sorgen, Lola. Es wird alles gut werden. Das verspreche ich dir…“
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Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)
Romance- Fortsetzung zu „Liebe Auf Französisch" und „Weihnachten Auf Französisch" - Man sagt, dass die Hochzeit der schönste Tag des Lebens ist. Was einem jedoch niemand sagt, ist die Tatsache, dass bis zu diesem besagten schönsten Tag des Lebens eine Me...