- Lola -
Vogelgezwitscher vor dem Fenster lässt mich mit einem leisen Seufzer die Augen öffnen, als ich auch schon im nächsten Moment Zoes Körper auf mir spüre, die sich in der Nacht schräg über mich gelegt hat und deren Atem sanft meinen Hals kitzelt.
Liebevoll streiche ich ihr eine verirrte blonde Strähne aus dem Gesicht und sehe das leichte Lächeln, welches sich im Schlaf über ihre Lippen zieht.
Wie gerne würde ich wissen, was sie träumt…
Von uns?
Von unserer Hochzeit?
Oder von etwas ganz anderem?
Von…jemand anderem…
Eine plötzliche Schwere legt sich über meinen Brustkorb und lässt mich tief Luft holen.
Ich würde lügen, wenn ich sage, dass mich Zoes Bemerkung von gestern Abend nicht ein wenig verletzt hat…
Dass sie sich vermutlich nicht auf mich eingelassen hätte, wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch mit ihrem Ex zusammen gewesen wäre…
Natürlich ist das auch irgendwie nachvollziehbar, schließlich wären die beiden dann auch noch verheiratet gewesen…aber trotzdem…so etwas so direkt aus Zoes Mund zu hören tut trotzdem weh…mehr als es wahrscheinlich wehtun sollte…
Ich meine, wer weiß…vielleicht würde sie sich ja wieder für ihren Ex entscheiden, wenn sie die Wahl hätte…
Ich atme erneut tief durch und schließe für einen Moment die Augen, bevor ich leicht mit dem Kopf schüttle.
So ein Unsinn.
Zoe liebt mich.
Sie hat mir einen Antrag gemacht.
Sie will mich heiraten.
Sie will mit mir eine gemeinsame Zukunft aufbauen.
Das ist alles, worauf ich mich konzentrieren sollte und nicht aus irgendwelche Hirngespinste…
Der sanfte Atem an meinem Hals wandelt sich in ein tiefes zufriedenes Seufzen und im nächsten Moment spüre ich, wie Zoes braune Augen aufflattern.
„Bonjour, chérie“, haucht sie mir lächelnd und mit noch vom Schlaf rauer Stimme ins Ohr und kuschelt sich noch etwas enger an mich, „tu as bien dormi?“
„Ja, hab ich“, erwidere ich und bemühe mich, das Lächeln auf Zoes Lippen auf meinen zu spiegeln, und du? Hast du auch gut geschlafen?“
„Oui“, seufzt Zoe und ich spüre ihr Lächeln an meinem Hals, als sie beginnt, diesen langsam zu küssen, „j’ai revé de toi, chérie…“
„Ach, wirklich?“, mein Lächeln wird etwas breiter und sicherer, „und was genau hast du von mir geträumt?“
Anstatt mir zu antworten unterbricht Zoe ihre Küsse und hebt stattdessen ihren Kopf, wodurch ich dieses besondere Funkeln in ihren dunklen Augen bemerke und kurz darauf ihren Mund auf meinem spüre.
Gierig streichen ihre Lippen über meine und werden dabei von ihrer Zunge begleitet, während ihre Hände langsam in meine Haare wandern.
Oh, Zoe…
„Bonjour!“
Ich weiß nicht, was mich mehr zusammenzucken lässt.
Das Scheppern unserer Tür, die beim Aufstoßen gegen die Kommode daneben knallt.
Der laute und erneut sehr synchrone Ruf von Amélie und Thibault.
Oder der kreischende Schrei von Zoe, die sich mit einer parcoursverdächtigen Drehung zur Seite und damit wieder von mir wegdreht.
Doch bevor ich darüber ein Urteil fällen kann, keuche ich auch schon dumpf auf, als die Zwillinge mit einem Satz auf unser Bett springen und dabei halb auf Zoe und mir landen.
„Wir sind das Weckkommando“, sagt Amélie feierlich und kicherte anschließend, während Thibault neben ihr schief grinst und mit wichtiger Miene nickt.
„Jaaa, es ist schon total spät.“
„Spät?“, fragt Zoe und stöhnt nach einer kurzen Kopfdrehung in Richtung Wecker halb genervt, halb kraftlos auf, „es ist gerade mal acht.“
„Aber wir haben Hunger“, quengelt Amélie, während ihr Bruder diese Aussage mit einem erneuten Nicken unterstreicht.
„Genau, und deshalb müsst ihr aufstehen! Sonst verhungern wir!“
„Das wage ich ehrlich gesagt stark zu bezweifeln“, entgegne ich und hebe prüfend eine Augenbraue, woraufhin Thibault noch doller nickt.
„Doch, ganz ehrlich. Wir haben auch schon versucht Maman zu wecken, aber die hat sich unter ihrer Decke versteckt und will auch nicht aufstehen.“
„Ja, genau. Sie ignoriert uns und schläft einfach weiter. Das ist voll gemein“, murrt Amélie und verschränkt mit vorgeschobener Unterlippe die Arme vor der Brust, während Zoe und ich einen kurzen Blick austauschen.
Die beiden können ja nicht wissen, dass es einen guten Grund für das passive Verhalten ihrer Mama gibt…
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Zoe nervös auf ihrer Unterlippe kaut und ihren Blick suchend durchs Zimmer gleiten lässt, so als würde eine ausweichende Erklärung dafür irgendwo an der Wand stehen.
Wie gut, dass in solchen Fällen auch Ablenkung hilft…
„Na gut, ihr zwei“, sage ich und setze mich mit einer schwungvollen Bewegung auf, welche Amélie und Thibault überrascht aufkichern lässt, „dann zieht euch mal rasch an. Dann können wir gemeinsam zum Bäcker nebenan gehen und frische Brötchen holen.“
„Gute Idee“, stimmt Zoe mir schnell mit einem Lächeln und einem dankbaren Blick in meine Richtung zu, während sie sich ebenfalls aufsetzt, "und derweil werden eure Mutter und ich das restliche Frühstück vorbereiten."
„Glaubst du denn, dass du Maman wach bekommst?“, fragt Thibault mit schief gelegtem Kopf, während ich zusammen mit Amélie aus unserem Bett krabble.
„Aber natürlich. Schließlich bin ich ihre Schwester und kenne alle geheimen Möglichkeiten, um sie zu wecken“, entgegnet Zoe und zwinkert den beiden verschwörerisch zu, was die Zwillinge breit strahlen lässt.
„Oh, toll“, ruft Amélie und klatscht begeistert in die Hände, „sagst du uns auch die geheimen Möglichkeiten?“
„Tut mir Leid, ihr zwei. Aber das kann ich nicht. Geschwistergeheimnis“, entgegnet Zoe und steht mit einem Schulterzucken ebenfalls aus dem Bett auf, „ihr habt doch bestimmt auch Geheimnisse, die ihr eurer Mutter niemals sagen würdet, oder?“
Amélie und Thibault wechseln einen kurzen Blick, bevor sie gleichzeitig tief aufseufzen.
„Okay“, sagt Thibault und verschränkt ein wenig unzufrieden die Arme vor der Brust, „du hast gewonnen…“
„Na, dann wäre das ja geklärt“, sage ich, woraufhin die Köpfe der Zwillinge sofort wieder zu mir schnellen. „Dann würde ich vorschlagen, dass ihr beiden euch jetzt fertig macht und wenn wir Glück haben, hat der Bäcker seine Brötchen gerade frisch aufgefüllt und sie sind noch warm.“
Während ich den beiden grinsend zuzwinkere, breitet sich das vorherige Strahlen auf den Gesichtern der zwei aus.
„Okay, wir beeilen uns“, rufen sie zeitgleich und rennen sich fast gegenseitig um, als sie aus dem Zimmer stürmen.
Parallel sehe ich, wie Zoe den Zwillingen lachend und kopfschüttelnd zugleich nachsieht,
bevor sie sich wieder zu mir dreht und mit einem süffisanten Lächeln auf mich zu schreitet.
„Ganz schön clever, die beiden mit frischen Brötchen zu bestechen“, sagt sie und packt mich mit beiden Händen an den Hüften, um mich zu ihr zu ziehen.
„Das ist kein Bestechen, sondern eine taktische Verhandlungsweise“, entgegne ich zwinkernd, was Zoe auflachen lässt.
„Ach ja, natürlich. Wie konnte ich das nur verwechseln?“, fragt sie mit gespielter Verwunderung, bevor eine ihrer Hände sich von meinen Hüften löst und stattdessen beginnt, mir sanft durchs Haar zu streichen, „was würde ich nur machen, wenn ich dich nicht hätte, chérie?“
Trotz des von Zoe lieb gemeinten Satzes spüre ich, wie sich mein Hals zusammenzieht, sodass ich meine Antwort darauf zum Glück nicht aussprechen kann.
Dann hättest du jemand anderen…- Zoe -
Ich warte noch, bis mir das Geräusch der ins Schloss fallenden Tür verrät, dass Lola und die Zwillinge die Wohnung verlassen haben und damit auf dem Weg zum Bäcker sind, bevor ich mich mit einer gefüllten Kaffeetasse in der Hand und eingehüllt in meinen Morgenmantel auf den Weg von der von der Küche ins Wohnzimmer mache.
Da sich im Gästezimmer lediglich ein Bett befindet, hat Marie beschlossen, dass Amélie und Thibault darin schlafen sollen, während sie es sich auf dem Sofa im Wohnzimmer gemütlich gemacht hat.
Nun, sofern ein Sofa als alternativer Schlafplatz gemütlich sein kann…
Bedacht darauf beim Gehen nichts von dem schwarzen Glück in der Tasse zu verschütten, durchschreite ich den Raum und stelle die Kaffeetasse auf dem kleinen Wohnzimmertisch ab, bevor ich mich vor das Sofa knie und vorsichtig an der Decke zupfe, unter der sich meine ältere Schwester verkrochen und welche sie bis über ihren Kopf gezogen hat.
„Marie“, sage ich leise und zupfe weiter an der Decke, bis sie so weit zurückgerutscht ist, dass ein Teil von Maries blondem Schopf zum Vorschein kommt, „willst du nicht aufstehen?“
„Nein“, dröhnt die halb forsche, halb schluchzende Antwort dumpf unter der Decke hervor, welche mich leicht aufseufzen und Marie behutsam übers Haar streichen lässt.
„Ach, Marie…“
„Ich meine es ernst, Zouzou“, sagt meine Schwester und zieht die Nase hoch, „lass mich einfach in Ruhe, okay?“
„Das kann ich leider nicht tun, Schwesterherz“, entgegne ich, während ich Marie weiter übers Haar streiche, „erstens ist es nicht gut für dich, wenn du den ganzen Tag auf dem Sofa verbringst…“
„Ist mir egal…“
„…und zweitens“, fahre ich ungerührt fort, „habe ich Lola und deinen Kindern gesagt, dass wir uns um das Frühstück kümmern werden, während sie die Brötchen beim Bäcker holen.“
„Hab keinen Hunger…“
„Ach komm schon, Marie. Steh auf“, ich höre auf mit meiner Hand über ihr Haar zu streichen und greife stattdessen nach der Tasse auf dem Wohnzimmertisch neben mir, „sonst muss ich den Kaffee hier ganz alleine trinken.“
Eine Weile lang bleibt es still, bis sich die Decke beginnt ein Stück zu bewegen und schließlich Maries Kopf darunter hervorschaut.
Ihre Augen sind gerötet und von dunklen Rändern umgeben, ihr Gesicht blass und ihre dichten blonden Haare ungewöhnlich glanzlos und zerzaust.
Trotzdem ist ihr müder Blick geradezu auf die Tasse in meiner Hand fixiert, bevor sie langsam eine Augenbraue hochzieht und mich sowohl prüfend als auch ein wenig amüsiert mustert.
„Das hast du absichtlich gesagt, Zouzou.“
„Es war lediglich eine Feststellung“, entgegne ich schulterzuckend und reiche meiner Schwester mit einem leichten Lächeln die Tasse, die diese mit einem dankbaren Blick annimmt und anschließend einen großen Schluck davon trinkt, „besser?“
„Ein bisschen“, murmelt Marie und nimmt einen weiteren Schluck, nur um sich einen Moment später mit einem tiefen Seufzer aufzusetzen, „was habe ich nur falsch gemacht,
Zouzou?“
„Gar nichts“, erwidere ich und schüttle energisch den Kopf, während ich Maries freie Hand mit meinen beiden Händen anfasse, „du hast überhaupt nichts falsch gemacht, Marie.“
„Aber warum sollte Constantin sonst so etwas machen?“, entgegnet Marie und ich höre, wie ihre Stimme wieder zu zittern beginnt, „ich…ich lag die halbe Nacht wach und habe mir genau darüber Gedanken gemacht. Er…er weiß doch, dass er damit unsere Familie aufs Spiel setzt…und das würde er nicht einfach so tun…also muss es an mir liegen...vielleicht habe ich irgendetwas gemacht…vielleicht bin ich ihm nicht mehr genug…vielleicht liebt er mich einfach nicht mehr…“
„So ein Unsinn!“, unterbreche ich Maries Gedankengang und umfasse ihre Hand etwas fester, während ich sie eindringlich ansehe, „Constantin liebt dich, Marie. Nur dich.“
„Ach ja?! Und warum hat er dann mit dieser Schlampe geschlafen?!“ Maries Stimme schrillt, als ihr Ruf durchs Wohnzimmer hallt, während sie schroff ihre Hand aus meinen Händen zieht, um sich damit die Tränen von ihren Wangen zu wischen, bevor sie nach schwerem Schlucken den Kopf hängen lässt. „Ich…ich fühle mich einfach so verraten…“
„Ich weiß“, sage ich leise und stehe auf, um mich neben Marie aufs Sofa zu setzen und sie in den Arm zu nehmen, woraufhin sie ihren Kopf in meiner Schulter vergräbt.
In diesem Zustand kann ich auf keinen Fall mit ihr über die Zweifel an dem Betrug sprechen, die Mona und Lola geäußert haben…
Das würde Marie sicher komplett falsch verstehen und sich dann auch noch von mir verraten fühlen…
Nein, dafür ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt…
Ich werde mit ihr später darüber sprechen…in einem ruhigen Moment...und jetzt sollte ich erst einmal zusehen, dass ich sie wieder ein wenig aufbaue…
„Okay, pass auf“, sage ich sanft, woraufhin Marie mit einem Schluchzer ihren Kopf von meiner Schulter hebt und mich durch ihre tränennassen Wimpern ansieht, „wir stehen jetzt auf. Du machst dich ein wenig im Bad frisch und ich bereite derweil das Frühstück für uns alle vor. Und wenn die drei zurück sind, werde ich Lola fragen, ob sie sich heute ein wenig um Amélie und Thibault kümmern kann, damit wir beide uns einen schönen Schwestern-Tag machen können. Was hältst du davon?“
Marie schluchzt erneut, doch zu meiner Freude sehe ich, wie sich ein leichtes Lächeln über ihre Lippen zieht.
„Ja…das wäre schön.“
DU LIEST GERADE
Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)
Romance- Fortsetzung zu „Liebe Auf Französisch" und „Weihnachten Auf Französisch" - Man sagt, dass die Hochzeit der schönste Tag des Lebens ist. Was einem jedoch niemand sagt, ist die Tatsache, dass bis zu diesem besagten schönsten Tag des Lebens eine Me...