# 30

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- Lola -

„Na, siehst du“, höre ich meine Mutter sagen, als ich gähnend und mit schlurfenden Schritten in die Küche stapfe, „ich habe doch gesagt, dass dir ein bisschen Schlaf gut tun wird. Du siehst schon viel besser aus als gestern Abend.“
Was aber noch lange nicht heißt, dass ich mich auch besser fühle…
So unruhig, wie ich aufgrund von Zoes und meinem Streit geschlafen und vor allen Dingen geträumt habe…
Doch anstatt diese Gedanken laut auszusprechen oder mich, wie so oft in der vergangenen Nacht, in ihnen zu verlieren, reibe ich mir nur über meine verschlafenen Augen und gähne ein weiteres Mal.
„Dir auch einen guten Morgen“, murmle ich und setze mich zu meiner Mutter an den Küchentisch, ehe ich meinen blinzelnden Blick zu dem leeren Stuhl neben mir gleiten lasse, „wo ist denn Danny?“
„Bei Timo.“
„Bei Timo?“
„Ja, genau.“
Meine Mutter erwidert meinen immer verwirrter werdenden Blick mit einem leichten Lächeln, während sie gleichzeitig ihre Hand zu mir ausstreckt und mir mitfühlend über den Arm streicht.
Wahrscheinlich sehe ich bei näherer Betrachtung im Vergleich zu gestern Abend doch nicht so viel besser aus…
„Aber…ähm…“, setze ich an und schließe für einen Moment meine Augen, in der Hoffnung mich so etwas besser konzentrieren zu können und nicht erneut mit meinen Gedanken zu Zoe abzuschweifen, „ich…ich dachte, dass Timo noch im Urlaub wäre…“
„Das war er auch. Na ja, zumindest bis gestern Abend. Da sind Timo und seine Eltern nämlich aus ihrem Urlaub zurückgekommen“, erklärt meine Mutter, die ihre Streichbewegungen über meinen Arm mittlerweile eingestellt und stattdessen ihre Hand auf meine Schulter gelegt hat. „Und da Danny unbedingt zu Timo wollte, habe ich ihn vor etwa einer Stunde passend zum Frühstück rübergebracht. Auch wenn ich ehrlich gesagt nicht davon ausgehe, dass die beiden großartig frühstücken, sondern in allererster Linie spielen werden.“
„Ja, das ist gut möglich“, murmle ich und zupfe ein paar meiner vom Schlaf zerzausten Haarsträhnen zurecht, „ich habe gar nicht mitbekommen, dass du Danny vorhin weggebracht hast.“
„Das überrascht mich nicht. So fest, wie du geschlafen hast…“
„So fest nun auch wieder nicht“, entgegne ich und verfluche mich im Stillen dafür, als ich aus den Augenwinkeln die leicht gehobene Braue meiner Mutter sehe.
„Ach, ist das so?“, fragt sie fast schon amüsiert, ehe sie mit einem Räuspern ihre Beine übereinander schlägt, „nun…dann hast du ja auch sicherlich mitbekommen, dass Zoe heute Morgen hier gewesen ist, richtig?“
Was?!
Mit einem Schlag bin ich hellwach und sitze kerzengerade auf meinem Stuhl, während ich meine Mutter gleichzeitig mit offenem Mund anstarre.
„Zoe?! Zoe war…hier?! Aber…aber wieso?! Ich dachte…ich hatte ihr doch gesagt, dass…und sie hat trotzdem…hä?“
„Ganz ruhig, Lola“, unterbricht meine Mutter mein sinnloses Gestammel mit einer erneuten Streichbewegung über meinen Arm, „hol erst einmal tief Luft. Ich erzähle dir dann alles in Ruhe, in Ordnung?“
Unfähig aufgrund meiner verwirrenden Gedanken etwas zu erwidern, nicke ich nur und atme folgsam tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus.
Zoe…
Zoe war hier…
Ich meine, ich hatte ja ohnehin vorgehabt, das Gespräch mit ihr zu suchen…
Aber warum ist sie dann einfach wieder gegangen, ohne mit mir zu reden?
Weil ich noch geschlafen habe?
Oder weil sie doch nicht mit mir sprechen wollte?
Immerhin habe ich ihr gesagt, dass ich Abstand möchte…
Hat sie vielleicht der Mut wieder verlassen?
Hat sie Angst gehabt, dass ich wütend auf sie werde, wenn ich sie hier trotz meiner Bitte nach Abstand sehe?
Oder…oder will sie das zwischen uns etwa…beenden?
Ist ihr…ist ihr etwa klar geworden, dass sie doch noch Gefühle für Robert hat?
Und will…will sie nicht mehr mit mir zusammen sein?
„Jetzt warte doch erst einmal ab, bevor du gleich das Schlimmste annimmst, Lola“,
unterbricht meine Mutter meine sich überschlagene Gedankenkette, welche man im Moment mit Sicherheit mehr als deutlich an meinem Gesicht ablesen kann, „es ist sicher nicht so, wie du denkst.“
Ohne ihre kryptischen Aussagen auch nur ansatzweise zu erklären, steht meine Mutter von ihrem Stuhl auf und durchschreitet die Küche.
„Deine Zoe war heute Morgen nur ganz kurz hier. So kurz, dass nicht einmal Danny sie gesehen hat, da er sich zu dem Zeitpunkt in seinem Zimmer angezogen hat“, sagt sie, ehe sie für einige Augenblicke nach draußen auf den Flur verschwindet und kurz darauf wieder in die Küche tritt, „und sie hat mich gebeten, dir das hier zu geben.“
Meine Augen weiten sich, als ich den weißen Umschlag in der Hand meiner Mutter sehe, auf dessen Vorderseite in Zoes Handschrift mein Name steht.
Ein…ein Brief?
Ich spüre, wie mein Hals trocken wird und sich, genauso wie mein Brustkorb, auf unangenehme Weise zusammenzieht.
„H-Hat …“, ich räuspere mich, um das kratzige Zittern in meiner Stimme verschwinden zu lassen, „hat Zoe…hat sie…noch etwas gesagt?“
Meine Mutter schüttelt den Kopf. „Nein. Sie hat mich nur gebeten, dir den Brief zu geben und ist, nachdem ich ihn angenommen hatte, wieder durch das Treppenhaus nach unten gegangen und kurz darauf durch die Haustür nach draußen verschwunden. Aber ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass sie noch schlechter ausgesehen hat, als du gestern Abend. Und es würde mich ehrlich gesagt nicht wundern, wenn sie in der vergangenen Nacht nicht geschlafen hat.“
Was nicht unbedingt etwas Gutes zu heißen hat…
Ich zögere noch einen Moment, bevor ich mit zitternden Fingern nach dem Umschlag in der Hand meiner Mutter greife und ihn an mich nehme.
Unentschlossen betrachte ich den Umschlag, drehe ihn zwischen meinen Fingern und streiche zaghaft über die geschwungenen Buchstaben meines Namens, während der Knoten in meiner Brust immer mehr zusammenzieht.
Was muss so schwer sein, dass Zoe nicht mit mir darüber reden kann und mir stattdessen lieber einen Brief schreibt?
Dafür kann es doch eigentlich nur einen Grund für geben…oder?
„Möchtest du alleine sein?“
„Nein, ist schon in Ordnung, Mama“, murmle ich abwesend und sammle noch einmal meine Gedanken und meinen letzten Rest an Fassung, ehe ich den Umschlag erneut umdrehe, um dessen eingeschobene Lasche zu öffnen und den Brief unter leichtem Papierknistern daraus hervorziehe.
Doch anstatt den Brief gleich zu öffnen, verharre ich noch für einen Moment, hole ein weiteres Mal tief Luft und beginne dann, den Brief langsam auseinanderzufalten und
anschließend zu lesen.

Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt