# 52

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- Mona -

„Pfefferminz oder Kamille?“
„Berauschende Auswahl.“
„Was erwartest du?“ Coco wirft mir einen sowohl spöttischen als auch amüsierten Blick über die Schulter zu, während sie mit beiden Händen die Griffe der geöffneten Hängeschranktüren umfasst. „Das hier ist immer noch ein Krankenhaus und kein Teeladen.“
„Ist ja gut. Du hast ja Recht“, seufze ich und lehne mich mit vor der Brust verschränkten Armen in den geöffneten Türrahmen des Schwesternzimmers, „ich weiß nur nicht, ob ich Zoe dazu bekomme, einen klassischen Krankheitstee zu trinken, wenn sie schon Kaffee ablehnt.“
„Kann ich ihr nicht verübeln. Dieses Automatenzeug ist wirklich grausig“, erwidert Coco und dreht ihren Kopf wieder zurück, um eine saubere Tasse aus dem Hängeschrank zu ziehen, „wenn du möchtest, kann ich Zoe einen meiner berühmten Nachtschicht-Spezial-Kaffees machen. Dem wird sie bestimmt nicht widerstehen können.“
„Das ist wirklich lieb von dir, Coco. Aber Zoe hat deutlich gemacht, dass sie keinen Kaffee möchte. Und abgesehen davon wirkt ein Tee ja vielleicht auch ein wenig beruhigend auf ihre mehr als überlasteten Nerven“, entgegne ich und fahre mir mit einer Hand durch die Haare, während Coco mit einem leichten Seufzer erneut in den Schrank greift und eine angebrochene Packung mit Teebeuteln herauszieht.
„Ist ja auch kein Wunder, dass Zoe so fertig ist“, sagt sie und stellt die Packung vor sich auf die Ablage, bevor sie wieder zu mir sieht. „Schließlich verbringt sie seit Lolas Einlieferung jeden Tag hier auf der Station an ihrem Krankenbett. Das würde jeden auf Dauer fertig machen. Umso besser also, dass Romy und du sie so gut unterstützen.“
„Und Marie“, ergänze ich und muss lächeln, als Coco verblüfft zu Blinzeln beginnt, während sie einen der Teebeutel aus der Packung zieht, „Marie ist Zoes Schwester. Sie ist
vorübergehend zu ihr gezogen, damit Zoe nachts nicht alleine ist. Und morgens holen entweder Romy oder ich sie von zu Hause ab und begleiten sie dann ins Krankenhaus.“
„Also, das nenne ich echt wahre Freundschaft“, entgegnet Coco mit einem anerkennenden Nicken und lässt den Teebeutel in die leere Tasse fallen, wohingegen ich nur mit den
Schultern zucke.
„Zoe ist meine beste Freundin. Sie würde dasselbe jederzeit für mich tun, genauso wie für Romy. Und Lola mit Sicherheit auch, wenn sie…na ja…“ Ich verstumme und beiße kurz auf meiner Unterlippe, bis ich mit einem leisen Schnauben meine Schultern straffe und beim Aufschauen Cocos fragendem Blick begegne. „Gibt es denn wirklich nichts, was wir tun können, um den Prozess des Aufwachens von Lola zu beschleunigen? Irgendeine Therapie
oder so etwas in der Art? Ich meine, du siehst doch, wie sehr Zoe unter dieser Situation leidet.“
„Ja, ich weiß“, Coco nickt mit bedauerndem Blick und holt tief Luft, wobei sie die Tasse zwischen ihren Händen dreht, „aber es ist leider so, wie der Professor gesagt hat. Lola muss von alleine aufwachen. Wir können ihr nicht dabei helfen.“
„Vielleicht ja doch.“
Was?
Die glockenhelle Stimme und das darauf folgende und plötzliche Kichern neben mir, lassen mich erschrocken zusammenzucken, bevor ich mit einem kopfschüttelnden  Lächeln die Augen verdrehe.
„Kein Grund sich so anzuschleichen, Cousinchen.“
„Wieso?“ Ellies himmelblaue Augen funkeln mich belustigt an und sie stupst spielerisch mit ihrer Schulter gegen meine. „Habe ich dich etwa erschreckt, Moni?“
„Nein, ich zucke leidenschaftlich gerne zum Spaß zusammen.“
Mein sarkastischer Tonfall und das erneute Augenrollen lassen Ellie ein weiteres Mal aufkichern.
„Du Scherzkeks“, lacht sie und stupst noch einmal gegen meine Schulter, ehe sie Coco mit einem langen Kuss begrüßt, die inzwischen auf uns zuzutreten.
„Hallo, Liebling“, sagt sie und streicht meiner Cousine mit einem liebevollen Lächeln eine verirrte blonde Haarsträhne aus dem Gesicht, „du weißt schon, dass ich erst in knapp einer Stunde Feierabend habe, oder?“
„Natürlich weiß ich das“, erwidert Ellie und stemmt mit einem für sie recht ungewöhnlich spöttischem Schmunzeln eine Hand in die Hüfte, „aber wer sagt denn, dass ich nur wegen dir hier bin, hm?“
„Ich…ähm…“, setzt Coco an und blinzelt überrascht, während ich Ellie einen interessierten Blick zuwerfe, der dabei zugleich über die gut gefüllte Stofftasche in ihrer Hand fährt.
Interessant…
Und dann in Kombination mit ihrer anfänglichen Bemerkung…
„Bist du etwa wegen Lola hier, Cousinchen?“
Ellies Augen wandern in meine Richtung und ihre Mundwinkel heben sich zu einem nickenden Lächeln, als sie meinen auf ihre Tasche gerichteten Blick bemerkt.
„Ganz genau, Moni“, sagt sie und hebt die Tasche ein Stück höher, sodass sich nun auch Cocos Aufmerksamkeit darauf richtet, „ich habe mir gedacht, dass man den Heilungsprozess von Lola eventuell durch die einen oder anderen Hilfsmittel zusätzlich unterstützen und vielleicht sogar noch beschleunigen kann.“
„Hilfsmittel, ja?“ Coco wirft meiner Cousine einen amüsierten Blick zu und deutet mit ihrem Kopf nun ebenfalls auf die Tasche. „Was hast du denn da drin, Liebling? Etwa deine Klangschale für Meditationen?“
„Sei nicht albern, Coco“, entgegnet Ellie und verzieht beleidigt das Gesicht, wohingegen Coco über ihre Neckerei auflachen muss, „eine Klangschale ist ja wohl mehr als unangebracht in dieser Situation.“
„Stimmt, da passen Räucherstäbchen und Kristalle eindeutig besser.“
„Ganz genau.“
„Warte…was?!“
Während Coco ihr Gesichtsausdruck schlagartig entgleitet und ich Mühe damit habe, mein sich anbahnendes Lachen hinter einer auf den Mund gepressten Hand zu verbergen, beginnt Ellie voller Überzeugung in ihrer Stofftasche zu kramen und kurz darauf eine schmale rechteckige Papppackung hervorzuziehen.
„Schau mal, das hier sind Räucherstäbchen, die ich auf meiner Reise von Indien über Nepal nach Tibet bekommen habe. Ein tibetanischer Mönch hat sie mir damals höchstpersönlich geschenkt zum Dank für…“
„Moment mal, Liebling, moment mal bitte“, bremst Coco meine Cousine in ihrem Erzählungseifer und umfasst ihre Schultern mit beiden Händen, „du weißt, wie sehr ich dich und deine spirituell angehauchte Art liebe…“
„…angehaucht im Zusammenhang mit Räucherstäbchen ist auf eine ironische Weise ziemlich passend…“, murmle ich und mein belustigtes Lächeln hinter meiner Hand wird noch etwas breiter, während Coco nach einem warnenden Blick in meine Richtung und anschließendem tiefen Luftholen wieder zurück zu Ellie schaut.
„…worauf ich hinaus möchte, ist, dass du nicht einfach so in Lolas Krankenzimmer gehen und dort Räucherstäbchen anzünden kannst.“
„Und wieso nicht?“ Mit vor Verwunderung gehobenen Augenbrauen legt Ellie den Kopf schief und blinzelt ein paar Mal. „Du hast doch gerade selbst gesagt, dass ihr nichts für Lola tun könnt.“
„Ja schon, aber…“
„Und warum darf ich dann nicht versuchen ihr zu helfen?“
„Na ja, weil…“
„Nur weil es alternative Heilmethoden sind, bedeutet das noch lange nicht, dass sie nicht einen gewissen Zweck erfüllen und Mehrwert bieten können. Immerhin hat es einen Grund, warum diese teilweise jahrhundertealte Traditionen so lange fortbestehen.“
„Aber das hier ist immer noch ein Krankenhaus, Liebling. Wenn das hier jeder tun würde…“
„…wären die Energien und Auren der Menschen in diesem Gebäude mit Sicherheit um einiges reiner und ausgeglichener“, unterbricht Ellie Coco ein weiteres Mal und mustert einen dunkelhaarigen Mann, vermutlich ein Besucher, der Ellie und mich im Vorbeigehen etwas unwirsch am Rücken angestoßen hat und ohne ein Wort der Entschuldigung weiterstapft.
Charmant…
„Ja…also, nein…keine Ahnung, kann schon sein…aber das bedeutet noch lange nicht, dass…also…“
Hilfesuchend wandern Cocos graue Augen zu mir und nach kurzem Zögern, nehme ich mit einem leisen Räuspern meine Hand von meinem Mund.
„Es ist wirklich lieb von dir, dass du dir so viele Gedanken um Lola machst, Cousinchen“, sage ich und lege Ellie eine Hand auf die Schulter, wodurch diese ihren Blick von Coco löst und stattdessen zu mir sieht, „aber Coco hat Recht. Das hier ist immer noch ein Krankenhaus und da müssen nunmal bestimmte Regeln beachtet werden. Allein schon aus hygienischen Gründen. Und abgesehen davon wird der Geruch der Räucherstäbchen bestimmt nicht in Lolas Krankenzimmer bleiben, sondern früher oder später nach draußen auf den Flur dringen.
Allein schon deshalb, weil in regelmäßigen Abständen immer wieder Krankenschwestern in ihr Zimmer kommen und nach ihr sehen. Wer weiß, vielleicht fühlt sich dann der eine oder andere Patient durch den Räucherstäbchengeruch gestört oder verträgt ihn im schlimmsten Fall sogar nicht so gut. Vielleicht wird ihm schwindelig oder unwohl davon, gerade wenn man so etwas zum ersten Mal erfährt und ohnehin schon durch den Krankenhausaufenthalt an
sich angeschlagen ist. Und eventuell könnte Lola dazugehören und diesen Geruch auch nicht so gut vertragen und möchtest du doch bestimmt nicht, oder Ellie?“
„Nein, natürlich nicht“, erwidert Ellie kopfschüttelnd und schaut für einen Moment auf die Räucherstäbchenpackung in ihren Händen, bis sie diese schließlich nach einem tiefen Atemzug wieder in ihrer Stofftasche verschwinden lässt, „na gut, vielleicht sollte ich das mit den Räucherstäbchen wirklich noch einmal überdenken. Aber ein paar Heilkristalle kann ich doch bestimmt aufstellen, oder?“
„Nun, ich denke, da spricht wiederum nichts gegen“, erwidere ich schmunzelnd und drehe meinen Kopf zurück zu Coco, die breit grinsend nickt, bevor ein plötzliches Piepsgeräusch ihre Miene mit einem Schlag ernst werden lässt.
„Scheiße“, murmelt sie und wendet sich ruckartig von uns ab, während Ellie und ich einen verwirrten Blick austauschen.
„Was ist denn, Coco?“, frage ich und schaue von meiner Cousine zurück zu Coco, die zu einer kastenförmige Anlage in einer Ecke des Schwesternzimmers eilt, an welcher eine rote Lampe in regelmäßigen Abständen aufleuchtet, „was ist das für ein Geräusch?“
„Der Schwesternnotruf“, erklärt Coco knapp und erstarrt für einen Moment, bevor sie sich wieder zu uns umdreht und aus vor Schock geweiteten Augen zu uns blickt, „der…der Ruf kommt aus Lolas Zimmer!“

Hochzeit Auf Französisch (Lola & Zoe - Band 3) (girlxgirl; wedding)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt