Ilija saß inzwischen schon über drei Stunden vor dem Büro des Abtes, der dieses Kloster leitete. Die Uhr an der gegenüberliegenden Wand tickte leise. Dass man ihn warten ließ, war an und für sich nichts Neues, aber so lange war es noch nie gewesen.
Ab und an lief jemand vorbei.
Die Priester bedachten ihn in der Regel mit abfälligen Blicken, während die Novizen größtenteils taten, als wäre er gar nicht da und demonstrativ in eine andere Richtung schauten, sobald sein Blick den ihren kreuzte.
Lediglich zwei hatten ihm freundlich zugenickt.
Und das hatte ihn beinahe noch mehr überrascht als die Reaktion der anderen.
Er wusste, dass er nicht sonderlich beliebt war. Aber er hatte sich bewusst für diesen Weg entschieden. Manche Dinge waren auf diese Art einfacher.
Ob seine Rede, wenn schon nicht bei den meisten Priestern, dann wenigstens beim Volk und ein paar Novizen auf fruchtbaren Boden gefallen war?
Er hatte schon länger mit sich gerungen, ob er seine Überlegungen zu den Göttern nicht mit der Außenwelt teilen sollte, aber getraut hatte er sich bisher noch nie.
Er wusste selbst nicht so ganz, was heute Morgen in ihn gefahren war, aber irgendwie hatte es sich sehr gut und sehr richtig angefühlt, endlich das zu tun, was er sich in Gedanken schon so lange ausgemalt hatte.Es quietschte leise und die helle Eichentür öffnete sich gemächlich. Der hagere, wie immer etwas müde wirkende Kopf des Abtes tauchte auf.
„Ilija", sagte er. Zu seiner Überraschung klang es nicht einmal sonderlich wütend, sondern eher enttäuscht.
Ilija atmete tief durch und erhob sich, bevor er mit mulmigem Gefühl das kleine Bürozimmer betrat. Sein Verhalten würde Konsequenzen haben, das wusste er.
Trotzdem bereute er kein Wort. Kein einziges.
Er war der Welt die Wahrheit schuldig.
Und sobald sich Gelegenheit ergab, würde er wieder zu ihnen sprechen.

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Im Zeichen des Raben
Science FictionIn ferner Zukunft. Kriege, Klimawandel und Umweltverschmutzung haben ihren Tribut gefordert. Unsere heutige Zivilisation wurde vom Erdboden getilgt. Aus ihren Ruinen sind neue Hochkulturen entstanden. Neue Königreiche regieren nun die Welt. Für viel...