32. Kapitel - Aufs Haus

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Zaarah saß jetzt schon seit gefühlt zehn Minuten auf dem alten Barhocker an Zacharys Tresen und wartete darauf, dass der Wirt ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. Oder sonst irgendwer von den anderen.
Sie zog ihre Kapuze noch ein wenig tiefer über die Augen und musterte verstohlen den Raum. Sie wusste nicht, wer genau von den Rebellen sie erwarten würde, aber der einzige, der anwesend zu sein schien war Zachary. Was freilich nichts heißen musste.
Verstohlen musterte sie den Vorhang, der die Treppe verbarg, die zu ihrem heimlichen Treffpunkt im Obergeschoss führte. Ob dort oben jemand auf sie wartete?
Möglichst unauffällig blickte sie sich in der dämmrigen Schenke um. Es war kaum einer anwesend. Eigentlich nicht weiter verwunderlich. Es war schließlich erst später Nachmittag. Aber die, die da waren wirkten viel zu aufmerksam. Sie würden bestimmt bemerken, wenn sie sich unerlaubterweise nach oben schlich. Und außerdem würde Zachary das gar nicht gerne sehen. Es waren schließlich seine Räumlichkeiten. Wenn die Gruppe aufflog, wäre Zachary definitiv derjenige, der am meisten Mühe hätte, zu erklären, dass er damit nichts am Hut gehabt hatte. Ungeduldig trommelte sie mit den Fingern auf den Tresen. Sie hätte sich definitiv nicht so beeilen müssen.
Zaarah drehte den Kopf noch ein wenig weiter und seufzte innerlich auf, als sie Zachary sah, der herzhaft über irgendeinen Witz von dem grauhaarigen Kunden lachte, mit dem er sich schon unterhalten hatte als sie vor einigen Minuten eingetreten war. Fast wirkte es als wollte er sie absichtlich ärgern. Aber sie wusste, dass es nicht so war. Es ging um Diskretion.
Und die stand an allererster Stelle. Noch vor Timing.
Sie hörte auf mit den Fingern auf den Tisch zu trommeln und versuchte stattdessen völlig entspannt zu wirken. Sie war lediglich eine ganz gewöhnliche Kundin, die noch schnell etwas zu trinken bestellen wollte, ehe sie sich auf den Weg zur Live-Übertragung der Championvorstellung machte. Sie schloss die Augen und versuchte sich ganz auf ihre Rolle zu konzentrieren. Ihre Schultern waren zu verkrampft und sie saß zu aufrecht. So würde niemand sitzen, der ernstlich arbeiten musste. Sie senkte ihren Kopf ein wenig und starrte möglichst teilnahmslos auf die Tischplatte.  Sie war eine Arbeiterin. Sie war aus der Fabrik. Maschienenreinigungsfachkraft zum Beispiel. Müde und völlig am Ende ihrer Kräfte. Eine von tausenden.
Sie versuchte sich das in Erinnerung zu rufen, was Mia ihr über ihren Bruder und ihren Vater erzählt hatte, wenn sie von ihrer Schicht in der Fabrik heimkehren. Oder die Leute, die sie auf der Straße gesehen -

"Madam, was darf's sein?" schnorrte eine raue Stimme und ein Schatten fiel auf sie.
Erschreckt zuckte Zaarah zusammen und blickte auf.
Zachary. Endlich. Sie schluckte.
Sie mochte den Typ nicht sonderlich.
Und sie fürchtete sich ein wenig vor dem was, man dieses Mal von ihr verlangen würde.
Aber sie würde sich lieber die Zunge abbeißen, als das zuzugeben.

"Was für Getränke sind denn im Angebot?" fragte sie und sah Zachary unverwandt an.
Der grinste und rieb sich eifrig die Hände. "Das hier ist unsere Menuliste. Ich habe leider nur noch eine special Edition, da stehen die Getränke in der Mitte."
Mit einer kleinen Verbeugung legte er einen abgegriffenen Zettel vor ihr auf den Tisch. Er war gefaltet und mit einem winzigen Stückchen Tesafilm verschlossen. Eine Botschaft? Sie hob fragend beide Augenbrauen. Zachary nickte.

Als sie Anstalten machte den Tesafilm zu lösen zischte Zachary kaum hörbar: "Finger weg, der ist nicht für dich!" Dann musterte er sie abwartend. "Also, was darf es heute sein?"

"Ähm, ... was würden Sie mir denn empfehlen?"

"Och, da gibt es Verschiedenes," meinte Zachary. "Du erinnerst dich doch bestimmt an den Typen, der letztes Mal neben dir saß? Groß, kräftig, blond? Der, der so einen Wirbel verursacht hat?" Er blickte sie fragend an

Mark. Natürlich. Sie nickte.

Zachary sah ihr für einen Moment in die Augen und starrte dann kurz auf den mit Tesa verschlossenen Zettel.
"Nun ja, es war ein gewisser jemand dafür, dass wir ein neues Getränk in unsere Karte aufnehmen. Die Entscheidung war knapp. Sehr knapp. Du weißt das."

Im Zeichen des Raben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt