Es war eine dunkle, kalte Nacht für diese Jahreszeit. Das frostige Licht der Sterne schimmerte hier und da durch die dicken Rauchschwaden, die tagein tagaus über der Stadt schwebten. Wo Mia jetzt wohl war?
Schaute auch sie zu den Sternen auf?
Ging es ihr gut?
Und wenn ja, wie lange würde das noch der Fall sein?Fragen über Fragen. Und keine Antworten.
Mit einem langen Seufzer ballte Mark die Hand zur Faust. Doch er empfand keine Wut mehr. Schon seit Stunden saß er am Fernster und starrte grübelnd in die Nacht hinaus. Er wollte wütend sein. Seine Wut glich einem inneren Feuer. Sie trieb ihn an. Doch nun war sie verflogen und hatte eine seltsame Leere hinterlassen. Wie ausgebrannt.Als er den ersten Schock überwunden hatte, war seine anfängliche Teilnahmslosigkeit einer unbändigen Wut gewichen. Er hatte sich zusammenreißen müssen seine Eltern nicht anzuschreien, als sie von ihm verlangten in die Fabrik zu gehen, den Alltag wieder aufzunehmen, so zu tun als wäre nichts gewesen. Und das obwohl die Raben Mia fortgenommen hatten! Obwohl er gerade eben noch im Gefängnis gewesen war!
Seine Fingernägel gruben sich tiefer in seinen Handballen, doch er merkte es nicht einmal. In der Fabrik hatten ihn alle wie einen Helden gefeiert. Und wofür? Weil der Gefängniswärter ihm die die Türe aufgeschlossen hatte. Dass er auf eigenen Füßen herausspaziert war, war alles, was er sich auf die Fahnen schreiben konnte. Er lachte trocken. Doch es war ein freudloses, verzweifeltes Geräusch.
Am tiefsten jedoch, hatte ihn die Reaktion seiner Mutter getroffen als Benjamin sich heute Abend darüber gewundert hatte, dass Mia noch nicht von dem Wettlauf zurückgekehrt war. Mit tonloser Stimme hatte sie ihm weismachen wollen, dass Mia nun ein neues, besseres Leben bei den Adeligen beginnen würde und er lieber aufhören sollte so viel nachzufragen.
Das war der Augenblick gewesen, in dem ihm klar geworden war, dass er hier nicht auf Unterstützung würde hoffen können. Das ungezügelte Feuer der Wut war zu langsam schwelenden Hass geworden. Hass auf die Adeligen, seine Kollegen in der Fabrik, seine dämlichen Eltern, die nichtsnutzigen Götter und nicht zu Letzt auf sich selbst.
Auch wenn er es besser wusste, so kam er nicht umhin sich selbst die Hauptschuld für das zu geben, was geschehen war.
Er selbst war mit Mia zusammen in einer Wolke aus Schnäbeln und Federn eingeschlossen gewesen. Dass sich der Rabe auf ihre Schulter gesetzt hatte, konnten nur die Umstehenden gesehen haben. Was wenn er an ihrer Stelle nach vorne gegangen wäre? Was wenn...
Er stieß einen langen, unartikulierten Seufzer aus. Es war müßig sich über derartige Dinge Gedanken zu machen.
Aber trotzdem, ...
Seine Chancen zu siegen standen vermutlich um ein Vielfaches höher als Mias.
Was wenn sie nicht zurückkehrte? Was wenn sie beim Wettlauf starb?
Wäre er schuld an ihrem Tod? Hätte er es verhindern können?
Hatte er seine Schwester umgebracht?Draußen hallte der tiefe Glockenschlag des Rabentempels dumpf durch die Gassen. Drei Uhr nachts. Er sollte ins Bett gehen. Aber das hieße Mia aufzugeben.
Er musste sie da rausholen. Es war sein Schicksal.
Wenn es stimmte, was die Priester sagten, dann geschah nichts ohne Grund.
Dass er heute Morgen aus dem Gefängnis entlassen worden war, war also ganz bestimmt ein Zeichen der Göttin.
Er sollte Mia retten!
Er musste es tun. Das war seine Bestimmung.
Und er würde es schaffen. Auch das wusste er.
Die Priester hatten Recht. Sie mussten einfach Recht haben. Nichts geschah ohne Grund.
Und deshalb würde er es auch schaffen seine Schwester zu retten. Die Göttin war auf seiner Seite.Die Frage war bloß wie.
Wie sollte er das Problem angehen? Was konnte er allein schon ausrichten?
Mark rieb sich die Augen und gähnte herzhaft. Er war so müde.
Aber er durfte nicht einschlafen. Noch nicht.
Mia war irgendwo da draußen. Sie war auf seine Hilfe angewiesen. Und er würde sie retten. Alles was er brauchte war nur ein genialer Plan.
Aber der würde ihm schon noch einfallen, wenn er nur lange genug nachdachte.
DU LIEST GERADE
Im Zeichen des Raben
Khoa học viễn tưởngIn ferner Zukunft. Kriege, Klimawandel und Umweltverschmutzung haben ihren Tribut gefordert. Unsere heutige Zivilisation wurde vom Erdboden getilgt. Aus ihren Ruinen sind neue Hochkulturen entstanden. Neue Königreiche regieren nun die Welt. Für viel...