2. Kapitel

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Schnellen Schrittes eilten wir die Treppen zum Haupteingang hinauf.
Ich keuchte leise. Zaarah schien die Anstrengung deutlich weniger auszumachen.
Neidisch schielte ich zu ihr hinüber und dann die Treppen empor.
Niemand zu sehen.
Eigentlich kein Wunder. Der Zwischenfall mit dem Adelssohn hatte uns ordentlich Zeit gekostet. Ganz besonders deshalb, weil wir hinter versucht hatten, unsere Uniformen am Brunnen vor dem Tempel notdürftig zu reinigen.
Die meisten Lehrer und ganz besonders der Hausmeister sahen es nicht gerne, wenn Schüler Schlammspuren auf Stühlen und dem Teppichboden hinterließen.
Wer auf die Idee kommt Schulen mit einem Teppichbodens auszustatten?
Fragt mich nicht. Ich habe diese Schule nicht geplant.
Nichts desto trotz habe ich schon oft genug erlebt, dass schmutzige Schüler länger bleiben mussten, um den Boden zu putzen oder Stühle und Tische zu schrubben. Oder raus in den Regen stehen, bis sie wieder sauber waren.
Das ist der Mist, wenn man noch nicht komplett erwachsen ist. Immer wird erwartet, dass man tut, was andere einem vorschreiben, die eigene Meinung wird maximal wohlwollend belächelt und im Grunde interessiert sich keiner für deine Probleme.
Gerd aus meiner Klasse vertrat ja offen die Meinung, dass das alles nur Schikane sei, weil das Geld, das die Stadt der Schule bereitstellte geradeso ausreichte, um den Lehrern ein dürftiges Gehalt zu zahlen und für Reinigungskräfte nichts mehr übrigblieb.

Mittlerweile hatten wir die Eingangshalle, die man eigentlich kaum so nennen konnte durchquert und hasteten die stillstehende Rolltreppe in den ersten Stock hinauf.
Früher war unsere Schule ein Kaufhaus gewesen, in das man nun nachträglich dicht an dicht zahlreiche Klassenzimmer gebaut hatte.
Alles war ungewöhnlich still und keine Schüler mehr auf den Gängen zu sehen.
Der Unterricht musste längst begonnen haben.
Wir hielten vor unserem Klassenzimmer inne, um zu Atem zu kommen.
„Sag mal, findest du es nicht ungewöhnlich ruhig?"
Überrascht blickte ich Zaarah an.
„Zumindest ein paar Klogängern und lauten Klassen hätten wir doch über den Weg laufen müssen," sagte sie nachdenklich.
Ich zuckte mit den Schultern. Mich interessierte eher, ob die Lehrerin uns glauben würde, oder die Geschichte mit dem Adeligen als dreiste Lüge schimpfen und uns beide ins Klassenbuch eintragen.
Ich fasste mir ein Herz, und drückte energisch gegen die Tür.
Aber die bewegte sich keinen Zentimeter. Ich rüttelte fester. Abgeschlossen.
Moment mal. Aus dem Türspalt drangen weder Licht noch Stimmengemurmel wie sonst üblich.
Was ging hier vor sich?

Plötzlich ertönten klackernde Schritte vom anderen Ende des Ganges. Es war Frau Krueger, unsere Erdkundelehrerin. Ihr Blick war in weite Ferne gerichtet und sie wirkte seltsam in sich gekehrt. Langsam schritt sie den Gang entlang. Sie schien uns gar nicht wirklich zu bemerken.

„Frau Krüger," fragte Zaarah fast ein bisschen schüchtern, „wissen Sie wo unsere Chemieklasse ist?"
Frau Krüger wirbelte herum und starrte uns aus großen Augen an.
"Mia, Zaarah!
Was macht ihr denn hier? Wieso seid ihr nicht bei der Versammlung?"

"Welche Versammlung?" fragte Zaarah leicht irritiert.

"Oh, soll das heißen ihr wisst es noch gar nicht? Heute früh hat der werte Herr Direktor eine Vollversammlung von äußerster Wichtigkeit einberufen. Auch die Schüler sind ausdrücklich erwünscht. Ich äh... würde euch ja gerne hinbegleiten, aber...äh ...nun ja ...es ist nun einmal so, dass ich im Moment ... sehr beschäftigt bin.
Ihr findet die anderen unten im Versammlungsraum. "

Mit diesen Worten drehte sie sich abrupt um und eilte in Richtung Ausgang. Es sah ein wenig so aus als wolle sie vor etwas fliehen.

"Was sollte denn das?" fragte Zaarah, " und vor allem, wieso ist sie nicht bei der Versammlung, wenn da doch alle teilnehmen sollen?"

Der sogenannte Versammlungsraum, war eigentlich der Keller unserer Schule. Er wurde nur äußerst selten genutzt und ich wusste zwar wo er lag, hatte ihn aber noch nie zuvor betreten. Schon der düstere Gang, der hinabführte sah mit seinen grob behauenen Wänden aus wie der Eingang zur Hölle und konnte nicht verhindern, dass mir ein Schauder den Rücken hinunterrann als ihn kurze Zeit später entlangeilten. Früher was das einen notdürftige Lagerhalle gewesen. Anscheinend hatte man sich nicht einmal die Mühe gemacht, die Wände ordentlich zu verputzen.
Schließlich erreichten wir das große, zweiflügelige Eichenportal. Es wirkte seltsam fehl am Platz.
Hoffentlich erwartet uns dahinter nicht der Teufel, dachte ich. Ich weiß nicht so ganz warum ich in diesem Moment an den Teufel dachte, aber so ganz Unrecht hatte ich damit nicht. Vielleicht war es eine Art Vorahnung.

Im Zeichen des Raben Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt