Ich merkte einen Arm, der sich um meinen Körper legte, ganz sachte, doch ich wollte ihn trotzdem nicht spüren. Ich wollte zischen 'Lass deine Finger von mir.', doch ich konnte nicht sprechen. Im Hintergrund schrie meine Mutter auf, aber irgendwie konnte ich plötzlich kein Stück Mitleid mit ihr fühlen. Natürlich muss es schwer sein, ein krankes Kind zu haben, doch irgendwo sind die Betroffenen schlimmer betroffen, als manche Angehörige. Sie hat sich doch zurückgezogen, sie hat sich von mir abgewandt, sie war niemals für mich da... ich, ganz allein ich kochte das Essen, putzte das Haus bevor Besuch kam, weil ich mich schämte, brachte Einkäufe nach Hause. Ich war es, die ihr half und was machte sie nun? Mich einfach wie einen Wanderpokal von einer Klapse zur nächsten weiterreichen, herzlichen Dank auch.
Die Arme schlossen sich um meine Beine und Schultern und ich wurde angehoben. Ganz vorsichtig, ganz sachte. Ich wollte mich dagegen wehren, gegen diese Menschen ankämpfen, doch ich konnte keinen meiner Muskeln bewegen. Kein einziger Teil meines Körpers gehorchte mehr mir. Es war, wie wenn jemand bei einer Marionette die Fäden durchschnitt.
Ich wurde vom Parkplatz weg, in die Eingangshalle getragen, wo ich einen Schriftzug entdeckte. 'Psychatrische Klinik mit Schwerpunkt psychotische Erkrankungen'
Ich spürte, wie mein Kopf ratterte, doch ich konnte mir keinen Reim darauf machen: Was genau sollte ich bitte in einer solchen Klinik?
Plötzlich wurde ich von einem weiteren Schaudern gepackt: Sie denken Kyra existiert überhaupt nicht, sie denken, das alles geschieht allein in meinem Kopf?!
Der Schweiß rann mir über die Haut, ich fröstelte.Geschieht das wirklich alles allein in meinem Kopf? Kann es sein, dass nichts davon echt ist? Ist Kyra nur eine Illusion, eine Stimme meines eigenen selbsts, welche mich versucht zu töten? Tränen rannen aus meinen Augen, ich bekam plötzlich keine Luft mehr: Ich atmete und atmete und doch konnte ich keine Luft schnappen. Es war, wie wenn ich in einem Gewässer wäre und jemand mich mit aller Gewalt unten halten würde. Eine Hand auf meinem Kopf, welche verhindert auftauchen zu können. Zuerst strampelt man vergeblich, man kämpft gegen die Fluten an, doch irgendwann wir der Körper schwach, die Angst verschwindet, es ist, wie wenn man schlafen würde. Doch nur, dass man in Wahrheit nie wieder aufwachen wird.
*einige Stunden später*
Ich spürte ein Kribbeln in meinem rechten Arm. Meine Augenlieder begannen sich zu bewegen und ich sah den Raum, in welchem ich lag. Weiße Wände, weiße Fließen, Bett mit Rollen, ein Wandschrank und neben mir ein Infusionsständer. Jetz ließ sich auch das Gefühl in meinem Arm von vorhin deuten: Als ich meinen Arm betrachtete, fiel mir neben meinen Narben ein Zugang auf, welcher mir vermutlich kurz zuvor gelegt worden war.
Ich verfolgte den Schlauch mit meinen Augen nach oben, dort hingen einige Päckchen, wessen Inhalt durch den Schlauch in meinen Körper gelangte. Angeekelt wandte ich mich davon ab und sah zur anderen Seite des Zimmers, dort war eine Tür. Eine Tür, welche einen Spalt weit offen stand, vermutlich um mich besser überwachen zu können. Zusätzlich hörte ich nun auch Stimmen, welche sich vermutlich direkt vor der Tür unterhielten.
"Was soll das denn jetzt bedeuten?", hörte ich meine aufgebrachte Mutter nachhaken.
"Ihre Tochter ist in einem kritischen Zustand, bereits die Kollegin des anderen Krankenhauses vermutete, dass sie manchmal mit nicht existenten Personen spricht oder anderweitig interagiert. Beispielsweise sah sie vor einer Zeit immer ihren verstorbenen Bruder in Spiegeln, sie lebt teilweise in einer eigens kreierten Welt, in welcher durchaus Personen vorkommen können, welche überhaupt nicht real sind. Aber genauso gut möglich ist es, dass sie Person, welche sie zum Beispiel aus der Schule kennt ebenfalls als Vorlage dazu nimmt, mit jener Person zu kommunizieren oder sie mehr oder weniger neu zu interpretieren."
Kyra, wie ich sie kenne gibt es nicht? Sie ist nur ein Produkt meines eigenen Verstandes, verwirrt und noch etwas benebelt von den Medikamenten achte ich über seine Worte nach. Ich hatte mir die Klassenkameradin nur weiter vorgestellt und meine Kration hatte nichts mit der Kyra im Tanzkurs oder in der Schule zu tun?Nein! Er hatte Unrecht! Kyra existiert und sie lauert mir dort, dort draußen irgendwo auf und wird mich versuchen zu töten.
"Und deshalb bildet sie sich auch Situationen ein, die so niemals abgelaufen sind. Doch Ihre Tochter ist durchaus ein sehr intelligenter Mensch, denn alle ihre Vorstellungen sind für ihren Zustand relativ logisch aufeinander aufgebaut und selbst einige Kollegen dachten bis vor kurzer Zeit, dass ihre Aussagen durchaus wahr sein könnten.", erklärte der Mann, welcher mich vermutlich in mein Zimmer gebracht hatte weiter.
"Aber das sind sie nicht oder? Wer sollte unsere Familie denn bedrohen wollen?"
"Anhand des jetzigen Standes lässt sich diese Aussage nicht wirklich belegen, aber ebenso wenig ausschließen. Jedoch sprechen wirklich viele Indizien dafür, dass ihre Tochter an der psychischen Krankheit Schizophrenie leidet, welche derartige Wahrnvorstellungen impliziert."
Ich hörte Schritte und auch die Stimmen entfernten sich wieder aus meiner Hörweite. Doch gerade ließen sich keine meiner Gedanken in irgendeiner Weise ordnen. Bilde ich mir das alles wirklich nur ein? Nein, nein, plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ich hatte doch einen Beweis, dass meine Aussagen wahr waren, Sheelas Brief.Panisch versuchte ich auszumachen, wo ich diesen Brief denn eingesteckt hatte. Meine Reisetasche stand neben dem Bett. In der Mitte, bei meinen Anziehsachen, nein zu auffällig. In einer der Seitentaschen, nein auch nicht. Doch dann fiel mir der kleine Reisverschluss an einer der Seitentaschen auf, darin musste er doch sein.
Ich lehnte mich seitlich aus dem Bett heraus, da ich die Infusionen nicht aus meinem Arm reißen wollte und fasste mit der Hand hinein. Doch hier fühlte ich nichts, da war nichts. Kein Umschlag, kein Brief, noch nicht einmal ein Zettelchen.
Ich erschauderte: Was war nun bitte real von dem was ich erlebte und was dachte sich mein Kopf denn nur aus?Heiße Tänen begannen über meine Wangen zu fließen und in meinen Schoß zu tropfen. Wer um alles in der Welt bin ich? Warum bilde ich mit so etwas nur ein? War ich nun wirklich verrückt?
Ich blickte aus dem Fenster, es war bereits ziemlich dunkel draußen geworden. Vermutlich hatte ich den ganzen Nachmittag verschlafen. Alles draußen wirkte friedlich, die Vögel sangen im Einklang mit den sanften Autogeräuschen, welche von der Hauptstraße kamen.
Es hatte sogar begonnen zu regnen und am Fenster zeichneten sich Schlieren jener Regentropfen ab. Es war, wie wenn die Welt in Ordnung wäre, doch dann klopfte es an meiner Tür.
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When I fall apart || ABGESCHLOSSEN
Teen FictionMias Leben war noch nie wirklich leicht für sie auf dieser Welt gewesen: Aufgrund ihrer stetigen Verträumtheit, ihrer Kreativität und dem frühen Tod eines ihrer Familienmitglieder, wurde sie bereits in Kindesjahren extrem gemobbt, was dann auch Spur...