▪︎Kapitel 19▪︎ Silent

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PoV Mia

Allgemein könnte man sagen, dass ich meinen Geburtstag nie mehr gefeiert hatte, sondern dieser Tag genauso wie jeder gewöhnlicher Tag in meinem Leben war, bloß etwas trauriger.

"Okay, das ist echt, dann kannst du morgen gar nicht feiern.", stellte Kyra nach einer kurzen Pause fest, musterte mich und lächelte:
"Du feierst sowieso nicht oder?"
"Ne, ich mag meinen Geburtstag nicht so gerne.", antwortete ich ihr wahrheitsgemäß, aber den Part mit meinem Bruder ließ ich gezielt weg.

Ich wollte nicht mit ihr darüber sprechen, zumindest noch nicht.
Selbst Benni und Felix wussten nicht alles darüber und die beiden nannten sich seit Jahren meine besten Freunde. Also warum sollte ich gerade mit Kyra darüber sprechen.
"Also ich mag meinen auch nicht umbedingt so gerne, ich meine, dass mir eigentlich nie wirklich jemand gratuliert.", gab sie niedergeschlagen zu.

"Warum das denn?", fragte ich sie verwundert. Als ob ihr niemand zu ihrem Geburtstag gratulieren würde. Warum denn?
"Mia, ich denke du musst langsam zurück auf dein Zimmer. Sonst merkt noch jemand, dass du hier oben bist.", entgegnete sie mir ohne auch nur Notiz von meiner Frage zu nehmen.
Also führte sie mich wieder zurück und als ich mich vor meinem Zimmer nochmals nach ihr umdrehte war sie wieder verschwunden.

Nun beschloss ich aber wirklich zu schlafen, da ich ja morgen schon meine erste offizielle Therapiesitzung hatte. Vor meinem Bett angekommen, sah ich viele Kissen unter meine Decke gestopft. Als ich den Raum mit Kyra verließ waren die noch nicht hier. Lächelnd sah ich zu dem schlafenden Mädchen in meinem Zimmer hinüber und flüsterte ein leises :"Danke."

Sie war das, sie hat mir ermöglicht bei Kyra zu sein, ohne das es groß auffallen würde. Dafür war ich ihr unendlich dankbar.

Am nächsten Morgen wurde ich von einer Pflegerin geweckt, die fröhlich um Punkt sieben in unser Zimmer spazierte und die Vorhänge aufzog.
Aufstehen mochte ich eigentlich noch nie, heute hatte ich aber noch weniger Lust darauf, da ich heute meine erste Sitzung hatte. Irgendwie wollte ich nicht umbedingt hingehen, aber zugleich musste ich, damit ich hoffentlich bald wieder entlassen wurde.

Zuerst wurden wir aber zum Frühstücken geschickt. Denn dieses durften wir nicht auf unserem Zimmer sondern in der Cafeteria zu uns nehmen. Ein Pfleger kam zu mir und erklärte mir, er müsse mich beim Essen beobachten, damit ich nicht zu wenig aß. Er stellte sich beim mir als Michael vor und irgendwie fand ich ihn auf Anhieb ganz nett.

Trotzdem störte es mich eigentlich schon immer, wenn mir jemand beim Essen zusah, aber ändern konnte ich daran gar nichts.
Meine Zimmernachbarin wurde auch von einem anderen Pfleger abgeholt und wir gingen gemeinsam den Flur entlang.

Auf einmal hörte ich jemanden meinen Namen durch den Gang schreien. Erst war ich sehr verwundert wer das denn sein könnte, aber als ich mich umdrehte war es mir klar.
Lenya stand nun direkt vor mir und fragte sofort wie meine erste Nacht war und ob wir an einem Tisch sitzen konnten und noch tausend andere Sachen, an die ich mich nach wenigen Sekunden nicht mehr erinnern konnte.

Sie nahm mich bei der Hand und ging in Richtung Cafeteria. Ich fand es unnormal niedlich, wie ihre Locken bei jedem Schritt auf und ab schwangen.
Warum dieser kleine Sonnenschein wohl hier war? In einer Psychatrie? Irgendwie konnte ich mir darauf so überhaupt gar keinen Reim machen.
An einem Tisch angekommen, setzte sich mein Betreuer und wir, also Lenya und ich, gingen unser Teller befüllen.
In dem Moment, als ich die ganzen teilweise viel zu ungesunden Nahrungsmittel sah, wurde mir ganz schlecht. Ich durfte nicht so essen, um genau zu sein wollte ich gar nichts essen.

"Alles okay bei dir?", fragte mich Lenni, da ich stehenblieb und hinter mich trat mein Betreuer, der mir beruhigend eine Hand auf die Schulter legte.
"Nein. Ich, ich kann das nicht.", wisperte ich kaum hörbar und wollte auf dem Absatz kehrt machen.
Aber Michael stellte sich in meinen Weg.

"Willst du das ich dein Essen für dich hole?", fragte er mich neutral. Eigentlich war es für mich ja noch unangenehmer jemand anderen mein Essen zubereiten zu lassen, da ich dann nicht wusste was darin war, aber auf der anderen konnte ich mich der Theke keinen einzigen Schritt mehr nähern. Also nickte ich und er ging los. "Ich bleibe bei ihr.", rief Lenni ihm nach und fügte hinzu :"Für mich bitte ein Honigbrot und einen Kakao!"

Als wir uns wieder auf unseren Platz setzten, fühlte ich mich einfach nur abwertig und hatte zudem auch noch ein schlechtes Gewissen, dass Lenya ihr Gericht nicht selbst holen konnte.
"Warum bist du so lieb zu mir?", fragte ich sie, ohne wirklich darüber nachzudenken.

"Ich mag dich. Du bist nicht wie die meisten anderen. Irgendwie mag ich dich halt besonders.", erläuterte sie mir und zuckte mit den Schultern. Bei diesen Worten wurde mir ganz warm ums Herz. Ich hatte es tatsächlich geschafft, dass mich eine fremde Person gerne mochte, obwohl ich mir bei ihr nicht sicher war, ob sie jeden so mochte.

"Und wie ist sie so?", hakte ich genauer nach und nickte in Richtung meiner Zimmernachbarin.
Lenya sah sich kurz um und rückte etwas näher zu mir.
"Ich glaube sie heißt Sheela. Sie spricht mit niemanden, seitdem ihre Mutter vor ihren Augen starb.", flüsterte sie sehr leise, damit es ja nur ich mitbekam.

"Das wusste ich nicht.", antwortete ich betroffen und schockiert zugleich.
"Aber ich denke sie ist ein guter Mensch, ich mag sie wirklich.", fügte ich unüberlegt schnell hinzu.
Lenni lächelte nur und drehte sich zu Michael um, der ihr gerade ein Teller vor die Nase stellte. Dann servierte er mir meines.

Darauf befand sich etwas Rührei und ein Müsli mit Jogurt. Langsam nahm ich den Löffel zur Hand und stocherte etwas im Jogurt herum.
"Du schaffst das.", hörte ich von der Person mir gegenüber. Lenya sah zu mir auf, mit etwas Honig an der Nase, was mich zum Schmunzeln brachte.
Trotzdem bekam ich es nicht zusammen irgendetwas zu essen und selbst die motivierensten Worte halfen mir nicht irgendetwas zu mir zu nehmen.

Allgemein könnte man sagen, dass ich meinen Geburtstag nie mehr gefeiert hatte, sondern dieser Tag genauso wie jeder gewöhnlicher Tag in meinem Leben war, bloß etwas trauriger.

When I fall apart || ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt