▪︎Kapitel 4▪︎ Her

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PoV Mia

"Alles gut.", kicherte nun auch ich und drehte mich weg, um meinen Bus zu erwischen. "Bis Morgen!", rief Ben mir nach und ich erwiederte ihm ein kurzes "Tschüss!", bevor ich in meinen Bus nachhause stieg.

Zuhause angekommen spielte ich mit dem Gedanken, meiner Mutter einfach zu erklären, dass ich noch nicht so weit wäre und mehr Zeit bräuchte, bis ich weitere Menschen kennenlernen konnte.
Auf der anderen Seit versuchte ich sie gerade zu überreden auf eine neue Kunstschule nach meinem Abschluss gehen zu dürfen und das wäre kontraproduktiv.

Denn dort würde ich wohl oder übel auch mit neuen Menschen konfrontiert werden.
Irgendwie musste ich es schaffen, über meinen Schatten springen zu können. Irgendwie musste das doch möglich sein.
Wie wusste ich bisher leider noch nicht. Aber ich redete mir ein, dass die Leute dort alle nett wären und ich es schon überleben würde.

So schlimm sollte es dann auch nicht sein, oder?
Vielleicht täuschte ich mich nur und alle würden nett zu mir sein und ich wäre einfach ein bisschen zu ängstlich. Vielleicht machte ich mir gerade unnötig Gedanken darüber?
-Wahrscheinlich. Ich meine ich war ja seitdem ich neu auf diese Schule kam nie unter fremden Menschen.

Benjamin kannte ich schon länger, da seine Eltern mit meinen gut befreundet waren, aber trotzdem war es für mich wie eine Art Neustart.
Jemand hatte einen Reset-Boutton gedrückt. Ich hatte ihn gedrückt.
Vor meinem neuen Zuhause angkommen, suchte ich erstmal nach den Schlüsseln. Letztendlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, fand ich sie auch und drehte den Schlüssel im Schloss herum.

Als ich das Haus betrat, miaute mir meine Katze entgegen und schlich um meine Füße. Die Auforderung verstanden, ging ich in die Küche und füllte ihren Napf auf.
Danach machte ich mir auch mein Essen. Ich nahm nur eine Kleinigkeit zu mir, da ich später noch in diesen Tanzkurs gehen wollte.
Danach stellte ich mich vor meinen Kleiderschrank, um ein Outfit auszuwählen, welches weder zu fest nach Pyjama aussah, noch enorm ungemütlich war.

Relativ zufrieden mit meiner Auswahl, einer schwarzen Jogginghose kombiniert mit einem roten T-shirt suchte ich nach einer einigermaßen geeigneten Sporttasche, um mein Trinken verstauen zu können.

Mit Herzklopfen ging ich in Richtung Haustür. Natürlich nachdem ich einige Male überprüfte, ob ich alles was ich brauchen würde dabei hatte.
Eigentlich war ich schon immer darauf gepolt, alles gerne tausende Male zu kontrollieren, um jeglichen Fehlern aus dem Weg zu gehen.
Leider konnte das so manchen Menschen ganz schön auf den Keks gehen, wenn ich zum Beispiel zwanzig Mal kontrollierte, ob ich den Herd wirklich ausgeschaltet hatte.
Manchmal nervte es mich selbst, aber ich wollte keinen Fehler machen. Ich durfte keine Fehler machen.

Seit dem Tag an dem mein er starb, veränderte sich alles für mich. Eigentlich konnte ich ihn nie richtig kennenlernen und ich hatte ebenso meinen Beschützer in der Schule verloren, woraufhin mich alle anderen Kinder begannen zu Hänseln.

Er starb vor einigen Jahren an Leukämie und eigentlich wusste ich nicht mehr viel über seine Krankheit außer die zahlreichen Arztbesuche.
Ich lebte förmlich im Krankenhaus.
Ganz in meinen Gedanken versunken überquerte ich die Straße und stand plötzlich vor der Sporthalle, zu der ich wollte. Nach einem kurzen Zögern drückte ich die Türklinke und betrat einen relativ hellen Vorraum.
Da sich niemand hier aufhielt, wurde mir etwas mulmig zumute und überlegte einfach wieder abzuhauen.
Aber nein. Ich musste endlich einmal beginnen, mich meinen Ängsten zu stellen.

"Mia, du musst es jetzt machen, du bist sowieso schon hier.", wiederholte ich in Gedanken immer wieder und suchte den Weg zur Umkleide.
Dort angekommen, öffnete ich mit schwitzigen Händen die Tür und sah einige Mädchen, die sich gerade umzogen.

Mit einem kurzen "Hallo." begrüßte ich sie und suchte mir ein freihes Plätzchen, um mich umziehen zu können. Die anderen nahmen meine Ankunft zur Kenntnis und begrüßten mich ebenfalls mit einem kurzen "Hey".
Als ich mich fertig umgezogen hatte, stellte ich mich zu den anderen Mädchen, was mich enorm viel Überwindung kostete.
Nervös sah ich in die Runde und blickte in lauter mir bisher unbekannte Gesichter.
Mein Blick wanderte durch die Runde und blieb bei einer Person stehen: ein wunderschönes Mädchen mit eisblau glitzernden Augen stand mir gegenüber im Kreis.
Sie hatte extrem helle Haut und schwarze lange Haare, die sie gerade in einem Zopf trug.

Dieses Mädchen streckte mir daraufhin ihre Hand hin, wahrscheinlich weil sie bemerkte, dass mein Blick auf ihr haften blieb. "Hey, ich hab dich hier noch nie gesehen. Bist du neu? Ich heiße übrigens Kyra und du bist?", fragte sie mich mit einem Lächeln auf den Lippen.

Perplex wie ich war, da gerade die Perfekte mit mir sprechen wollte stotterte ich ein :"Emm... ich bin... Mia." Irgendwie dachte ich, dass ich meinen Augen gerade nicht trauen könnte: Eine der Personen, die mich bisher eher fertig machten fragte als erstes nach meinem Namen.
Was sollte das? Was war jetzt auf einmal los?

Von einem "Lass uns doch hineingehen.", wurde ich aus meiner Gedankenwelt gerissen. Sie lächelte mich an und wir gingen gemeinsam in das kleine aber dekorative Tanzstudio, wo wir auch von einer Frau erwartet wurden. Sie stellte sich erst einmal für die Neuen vor und begann mit dem Aufwärmtraining.
Von Anfang an war sie mir extrem sympatisch, da auf ihrem Gesicht ein ständiges Lächeln trug. In der Regel regten mich überfreundliche Menschen meist auf, aber diese Tanzlehrerin mochte ich gerade deshalb noch mehr.

Ihre Stimme erklärte uns nach dem Aufwärmen, motiviertend die Tanzschritte und ging auf alle unsere Fragen ein. Ständig lobte sie mich, was ich wirklich sehr nett von ihr fand, da ich bisher eigentlich nie getanzt hatte.
Aber es machte mir wirklich Spaß und ich konnte mir vorstellen, es als mein Hobby fortzuführen.

Am Ende der Stunde teilte sie uns Zettel aus, die wir ausfüllen sollten, wenn wir Lust darauf hätten, diesen Kurs wöchentlich zu besuchen.
Ich zog mich relativ schnell um, damit ich meiner Mutter sofort alles erzählen konnte.
"Und kommst du weiter?", fragte mich dieses perfekte Mädchen schon wieder. Zwar konnte ich nicht verstehen warum sie mit mir sprach, aber ich antwortete ihr trotzdem :"Ja, sicherlich. Und du?"

"Na klar, ich finde den Kurs super um mich fitzuhalten.", lächelte sie zurück. Als ich den Raum verlassen wollte, rief sie mir ein lautes "Hey, warte auf mich.", zu und eilte zu mir.
Naja also jetzt war ich wirklich überfordert mit allem. Warum wollte sie etwas mit mir zutun haben? So eine hübsche, nahezu perfekte Person.

When I fall apart || ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt